SEK-Einsatz: Geiselnahme oder schlechter Scherz?
Bedrohung Nach dem großen Polizeieinsatz in Diedorf sind die Hintergründe weiter unklar. Laut eines Zeugen könnte an dem Abend bei der Gruppe im Haus eine Menge Alkohol im Spiel gewesen sein
Diedorf-Anhausen Mit rund 150 Einsatzkräften war die Polizei am Samstagabend im Diedorfer Ortsteil Anhausen im Einsatz. Die genauen Hintergründe des Einsatzes sind weiter unklar. Nun meldet sich ein Mann zu Wort, der behauptet, der Bruder des mutmaßlichen Geiselnehmers zu sein. Der 29-Jährige geht davon aus, dass in dem Haus Freunde im Alkoholrausch die Polizei alarmiert hätten. Schließlich sei die Lage eskaliert.
Er selbst habe von einer Arbeitskollegin von dem massiven Polizeiaufkommen rund um das Haus in Anhausen erfahren, sagt der Mann, der sich bei unserer Zeitung gemeldet hat. Sofort habe er sich auf den Weg zu dem Haus gemacht, in dem der 23-jährige mutmaßliche Täter zusammen mit seiner Mutter und deren Lebensgefährten wohne. Dort angekommen, sei er von der Polizei aufgehalten und befragt worden. „Sie wollten wissen, ob mein Bruder eine Schusswaffe, wie eine Schrotflinte, besitzt“, sagt er. Die Staatsanwaltschaft geht derzeit davon aus, dass der 23-Jährige die Beteiligten mit einem Messer bedroht und festgehalten hat.
Zunächst soll der junge Mann fünf Menschen als Geiseln genommen haben, zwei von ihnen konnten laut Polizei das Haus nach einiger Zeit verlassen. Laut dem Zeugen handelt es sich dabei um zwei gute Freunde des 23-Jährigen – allesamt in etwa im gleichen Alter. Sie sollen nach seinem Kenntnisstand auch die Polizei alarmiert haben. Ob sie das Haus freiwillig verlassen haben, ist noch unklar, erklärt die Polizei auf Nachfrage. Beim Zugriff durch das SEK befanden sich vier Menschen im Haus. Die Polizei bestätigt, dass diese mit dem Verdächtigen bekannt oder verwandt waren. Der 29-Jährige behauptet, dabei handelte es sich zum einen um seine Mutter und deren Lebensgefährten. „Die beiden schliefen, als das SEK kam“, sagt er. Die anderen Personen seien der Tatverdächtige und ein Freund gewesen. „Die waren sicher sehr betrunken.“Der Mann behauptet, sein Bruder und dessen Freunde hätten an jenem Abend große Mengen Wodka getrunken, der eigentlich für die Silvesternacht bestimmt war. Gut möglich sei es, dass die Gruppe die Polizei „aus Spaß“gerufen habe. „In den USA gibt es so einen Trend, das nennt sich Swatting“, sagt er. Darunter versteht man das Absetzen falscher Notrufe. Sogenannte „Swatter“rufen – häufig anonym – die Polizei an und behaupten etwa, Zeuge einer Geiselnahme zu sein. Auf Youtube finden sich Videos von solchen Einsätzen. Beliebt sind diese schlechten Scherze offenbar in der Gaming-Szene.
Der Seniorchef der Baufirma, bei der der Beschuldigte arbeitet, kann sich vorstellen, dass der 23-Jährige in eine Situation gekommen ist, die er nicht mehr kontrollieren konnte. „Wir waren die ganzen Jahre immer mit ihm zufrieden“, sagt Stefan Reim. Nie habe er den jungen Mann ein Feierabendbier oder anderen Alkohol trinken sehen.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Matthias Nickolai weist Mutmaßungen zu Hintergründen des
Abends zurück und will so etwas nicht weiter kommentieren. Er erklärt, dass im Falle des 23-jährigen Anhausers derzeit in alle Richtungen ermittelt werde, auch im näheren Umfeld des Verdächtigen.
Der junge Mann sitzt wegen des dringenden Verdachts der Geiselnahme in U-Haft. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat am Sonntag die Untersuchungshaft gegen den 23-Jährigen beantragt, der Haftrichter gab dem so statt.
Als mögliches Motiv geht die Polizei von einem Drogendelikt aus. Es sei davon auszugehen, dass der junge Mann die Beteiligten mit einem Messer bedroht und festgehalten habe. Laut Polizei war die Bedrohungslage zunächst unklar. Deshalb waren auch schwer bewaffnete Einsatzkräfte eines Spezialeinsatzkommandos vor Ort. In derartigen Fällen sei das „das übliche Vorgehen“, erklärt Rainer Pabst, Sprecher der Polizei Schwaben-Nord.