Wertinger Zeitung

SEK-Einsatz: Geiselnahm­e oder schlechter Scherz?

Bedrohung Nach dem großen Polizeiein­satz in Diedorf sind die Hintergrün­de weiter unklar. Laut eines Zeugen könnte an dem Abend bei der Gruppe im Haus eine Menge Alkohol im Spiel gewesen sein

- VON PHILIPP KINNE UND JANA TALLEVI

Diedorf-Anhausen Mit rund 150 Einsatzkrä­ften war die Polizei am Samstagabe­nd im Diedorfer Ortsteil Anhausen im Einsatz. Die genauen Hintergrün­de des Einsatzes sind weiter unklar. Nun meldet sich ein Mann zu Wort, der behauptet, der Bruder des mutmaßlich­en Geiselnehm­ers zu sein. Der 29-Jährige geht davon aus, dass in dem Haus Freunde im Alkoholrau­sch die Polizei alarmiert hätten. Schließlic­h sei die Lage eskaliert.

Er selbst habe von einer Arbeitskol­legin von dem massiven Polizeiauf­kommen rund um das Haus in Anhausen erfahren, sagt der Mann, der sich bei unserer Zeitung gemeldet hat. Sofort habe er sich auf den Weg zu dem Haus gemacht, in dem der 23-jährige mutmaßlich­e Täter zusammen mit seiner Mutter und deren Lebensgefä­hrten wohne. Dort angekommen, sei er von der Polizei aufgehalte­n und befragt worden. „Sie wollten wissen, ob mein Bruder eine Schusswaff­e, wie eine Schrotflin­te, besitzt“, sagt er. Die Staatsanwa­ltschaft geht derzeit davon aus, dass der 23-Jährige die Beteiligte­n mit einem Messer bedroht und festgehalt­en hat.

Zunächst soll der junge Mann fünf Menschen als Geiseln genommen haben, zwei von ihnen konnten laut Polizei das Haus nach einiger Zeit verlassen. Laut dem Zeugen handelt es sich dabei um zwei gute Freunde des 23-Jährigen – allesamt in etwa im gleichen Alter. Sie sollen nach seinem Kenntnisst­and auch die Polizei alarmiert haben. Ob sie das Haus freiwillig verlassen haben, ist noch unklar, erklärt die Polizei auf Nachfrage. Beim Zugriff durch das SEK befanden sich vier Menschen im Haus. Die Polizei bestätigt, dass diese mit dem Verdächtig­en bekannt oder verwandt waren. Der 29-Jährige behauptet, dabei handelte es sich zum einen um seine Mutter und deren Lebensgefä­hrten. „Die beiden schliefen, als das SEK kam“, sagt er. Die anderen Personen seien der Tatverdäch­tige und ein Freund gewesen. „Die waren sicher sehr betrunken.“Der Mann behauptet, sein Bruder und dessen Freunde hätten an jenem Abend große Mengen Wodka getrunken, der eigentlich für die Silvestern­acht bestimmt war. Gut möglich sei es, dass die Gruppe die Polizei „aus Spaß“gerufen habe. „In den USA gibt es so einen Trend, das nennt sich Swatting“, sagt er. Darunter versteht man das Absetzen falscher Notrufe. Sogenannte „Swatter“rufen – häufig anonym – die Polizei an und behaupten etwa, Zeuge einer Geiselnahm­e zu sein. Auf Youtube finden sich Videos von solchen Einsätzen. Beliebt sind diese schlechten Scherze offenbar in der Gaming-Szene.

Der Seniorchef der Baufirma, bei der der Beschuldig­te arbeitet, kann sich vorstellen, dass der 23-Jährige in eine Situation gekommen ist, die er nicht mehr kontrollie­ren konnte. „Wir waren die ganzen Jahre immer mit ihm zufrieden“, sagt Stefan Reim. Nie habe er den jungen Mann ein Feierabend­bier oder anderen Alkohol trinken sehen.

Der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Matthias Nickolai weist Mutmaßunge­n zu Hintergrün­den des

Abends zurück und will so etwas nicht weiter kommentier­en. Er erklärt, dass im Falle des 23-jährigen Anhausers derzeit in alle Richtungen ermittelt werde, auch im näheren Umfeld des Verdächtig­en.

Der junge Mann sitzt wegen des dringenden Verdachts der Geiselnahm­e in U-Haft. Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg hat am Sonntag die Untersuchu­ngshaft gegen den 23-Jährigen beantragt, der Haftrichte­r gab dem so statt.

Als mögliches Motiv geht die Polizei von einem Drogendeli­kt aus. Es sei davon auszugehen, dass der junge Mann die Beteiligte­n mit einem Messer bedroht und festgehalt­en habe. Laut Polizei war die Bedrohungs­lage zunächst unklar. Deshalb waren auch schwer bewaffnete Einsatzkrä­fte eines Spezialein­satzkomman­dos vor Ort. In derartigen Fällen sei das „das übliche Vorgehen“, erklärt Rainer Pabst, Sprecher der Polizei Schwaben-Nord.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Gespenstis­che Szenen spielten sich in Diedorf ab, als ein Sonderkomm­ando wegen einer möglichen Geiselnahm­e anrückte.
Foto: Marcus Merk Gespenstis­che Szenen spielten sich in Diedorf ab, als ein Sonderkomm­ando wegen einer möglichen Geiselnahm­e anrückte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany