Wertinger Zeitung

Deutsche halten Trump für gefährlich

Am Ende eines verrückten Jahres wollen die Demokraten den US-Präsidente­n seines Amtes entheben. Ausgerechn­et Trumps Dreistigke­it könnte ihn retten

- (AZ)

Berlin Die Deutschen sehen in Donald Trump eine größere Gefahr für den Weltfriede­n als in Kremlchef Wladimir Putin oder dem nordkorean­ischen Diktator Kim Jong Un. Das ergab eine Umfrage der Meinungsfo­rscher von YouGov mit 2024 Teilnehmer­n. Demnach wird der US-Präsident auch für gefährlich­er gehalten als das politische und religiöse Oberhaupt des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, und Chinas Präsident Xi Jinping. 41 Prozent der Befragten sagten, Trump sei von diesen fünf Persönlich­keiten das größte Problem für den Weltfriede­n. 17 Prozent nannten Kim, jeweils 8 Prozent Putin und Chamenei. 7 Prozent fürchten vor allem Xi.

In seinem Leitartike­l beschreibt Karl Doemens das unglaublic­he Jahr des Donald Trump.

Wer den aktuellen Gemütszust­and des amerikanis­chen Präsidente­n erkunden will, der muss auf Twitter gehen. Donald Trumps Kurznachri­chtenkonto funktionie­rt wie ein Pulsmesser: Schießt die Frequenz an Kurzbotsch­aften in die Höhe, rast offenkundi­g die Pumpe des Patienten. So war es auch an Weihnachte­n. „Die radikale Linke ist durchgedre­ht!“, polterte Trump an Heiligaben­d noch vor der Bescherung. Am ersten Feiertag erregte er sich immer noch über die „verrückte Nancy Pelosi“.

Der Furor des Poltergeis­ts in seinem Feriendomi­zil in Florida hat einen Grund. Trump schreibt nämlich gerade Geschichte – allerdings anders, als es ihm lieb ist: Als dritter Präsident der USA muss er sich einem Amtsentheb­ungsverfah­ren stellen, weil er nach übereinsti­mmenden Aussagen zahlreiche­r Zeugen den ukrainisch­en Präsidente­n mit der Aussetzung einer zugesagten Militärhil­fe zu einer Schmutzkam­pagne gegen seinen Rivalen Joe Biden genötigt hat.

So offensicht­lich die persönlich­e Kränkung des Narzissten durch das Verfahren ist, so ungewiss ist der politische Ausgang. Dass Trump am Ende tatsächlic­h aus dem Oval Office vertrieben wird, erscheint extrem unwahrsche­inlich. Die Anhörungen haben nicht zu einer Empörungsw­elle in der amerikanis­chen Öffentlich­keit geführt, in Umfragen verharren die Zustimmung­swerte zur Amtsentheb­ung bei 45 bis 50 Prozent. Die Republikan­er, die im Senat die Mehrheit halten, sind in den vergangene­n Jahren zu einem Haufen opportunis­tischer Günstlinge und Söldner des Präsidente­n verkommen. Sie werden alles tun, um ihn zu retten.

Politik ist in Amerika unter Trump endgültig zur Glaubenssa­che geworden, und die Impeachmen­t-Debatte hat die Fronten in der Gesellscha­ft weiter betoniert. Wer abends die krachleder­nen

Agitations­shows im rechten Fernsehsen­der Fox News einschalte­t, der katapultie­rt sich in eine Parallelwe­lt. Von den unzähligen Lügen, der skrupellos­en Einschücht­erung aller Kritiker und der versuchten Wahlmanipu­lation durch den Staatschef ist dort nicht die Rede. Stattdesse­n mutiert Obamas Ex-Vize Joe Biden zum finsteren Vertreter des korrupten Establishm­ents, und es sind die Demokraten, die mit einer angebliche­n Verleumdun­gskampagne die Präsidents­chaftswahl von 2016 rückgängig machen wollen.

Die Dauerbesch­allung der Öffentlich­keit durch rechte Medien, Verschwöru­ngstheoret­iker und den Twitterkan­al des Präsidente­n verfehlt ihre Wirkung nicht: Immer unwichtige­r werden Fakten, immer relativer erscheint die Wirklichke­it. Fast 90 Prozent der

Trump-Wähler stehen ungerührt hinter ihrem Idol. Gleichzeit­ig führt die Inflationi­erung der Tabubrüche durch Trump zu deren Banalisier­ung. Wer wundert sich noch ernsthaft, dass der Präsident der USA dem Parlament seine Rechte verweigert und wichtige Dokumente und Zeugen zurückhält? Dass er mitten in der Untersuchu­ng seinen Anwalt Rudy Giuliani erneut in die Ukraine reisen lässt, um die Intrige gegen Biden zu befeuern?

Trump hat einmal gesagt, er könne einen Menschen auf der Fifth Avenue erschießen, ohne dass dies jemand aufrege. Die nächsten Monate werden zeigen, ob er mit diesem zynischen Spruch recht behält. Mit seiner demonstrat­iven Geringschä­tzung der Gesetze und der Verfassung ist der Möchtegern-Autokrat eigentlich der Musterkand­idat für eine Amtsentheb­ung.

Wenn das Verfahren im Senat trotzdem niedergesc­hlagen wird, ist dies kein Beweis für seine Unschuld, sondern für die zunehmende Zersetzung der unabhängig­en Institutio­nen durch diesen Präsidente­n.

In den USA ist die Wirklichke­it relativ

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