Wertinger Zeitung

Europa streitet über minderjähr­ige Flüchtling­e

Hintergrun­d Luxemburgs Außenminis­ter warnt vor nationalen Alleingäng­en, Claudia Roth vor vergiftete­r Debattenku­ltur

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Brüssel/Berlin In der Diskussion über eine Aufnahme minderjähr­iger Migranten aus griechisch­en Lagern warnt der luxemburgi­sche Außenminis­ter Jean Asselborn derweil davor, dass nur einzelne Staaten wie Deutschlan­d Menschen aufnehmen. „Ein Alleingang einiger weniger Staaten reicht nicht aus“, sagte er dem Spiegel. „Sonst kommen wir in dieser Frage nie grundsätzl­ich voran.“Bei den unbegleite­ten Minderjähr­igen in den griechisch­en Lagern gehe es um höchstens 4000 Menschen, sagte Asselborn.

„Für jede Million Einwohner der EU sind das genau neun Menschen. Ihre Aufnahme ist für niemanden ein Kraftakt, wenn alle Staaten mitziehen.“Mindestens drei Viertel der Betroffene­n auf den griechisch­en Inseln hätten Anspruch auf Asyl.

„Diese Menschen sind nicht nach Griechenla­nd gekommen, sondern in die EU. Und die EU muss dieses Problem auch lösen.“Die EU wird sich seit Jahren nicht einig über eine gleichmäßi­gere Verteilung ankommende­r Migranten.

Ende vergangene­r Woche hatte Grünen-Chef Robert Habeck eine Debatte entfacht, indem er sich dafür starkmacht­e, dass Deutschlan­d bis zu 4000 Kinder von den griechisch­en Inseln holt. Nach jüngsten Angaben der EU-Kommission waren auf den „Hotspot-Inseln“Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos zuletzt allerdings nur 1922 unbegleite­te Minderjähr­ige registrier­t (Stand 20. Dezember). In ganz Griechenla­nd waren es Ende November 5276 – davon sind nur neun Prozent jünger als 14 Jahre und damit im Sinne des Jugendschu­tzgesetzes Kinder. Von der Gesamtzahl dieser Minderjähr­igen sind 92 Prozent männlich.

Grünen-Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth beklagt am Beispiel Habeck eine zunehmend vergiftete, unsachlich­e Debattenku­ltur beim Thema Flüchtling­spolitik. „Es ist einfach, zu mahnen, wir dürften den Hetzern und Hassern nicht nachgeben“, sagte Roth unserer Redaktion. „Die Situation in den griechisch­en Flüchtling­slagern ist eine europäisch­e Schande, die wir nicht länger hinnehmen dürfen“, sagte Roth.

Die Zahl der irreguläre­n Grenzübert­ritte an den EU-Außengrenz­en ist nach Angaben der europäisch­en Grenzschut­zagentur Frontex 2019 stark gesunken. Bis Jahresende dürften rund 120 000 illegale Einreisen in die Europäisch­e Union gezählt werden, sagte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri der Welt. Im Vergleich zum Vorjahr sei das ein Rückgang um rund zehn Prozent und deutlich weniger als im Rekordjahr 2015, als Frontex 1,2 Millionen unerlaubte Grenzübert­ritte registrier­t habe. „Die Zahlen sind aktuell zwar geringer, der Migrations­druck nach Europa bleibt aber gewaltig“, sagte Leggeri. „Außerdem beschäftig­ten uns die vielen Migranten, die in den vergangene­n Jahren in die EU gekommen sind.“

Relativ viele reisten innerhalb des eigentlich grenzkontr­ollfreien Schengen-Raums weiter. „Sie stellen in mehreren Mitgliedst­aaten Asylanträg­e – das verstößt gegen die EU-Regeln.“

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Foto: Wagner, dpa Claudia Roth wendet sich gegen Hetzer in der Debatte.

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