Wertinger Zeitung

Welch eine bedingungs­lose Liebe

Tiere „Treue Freunde. Hunde und Menschen“heißt die Ausstellun­g im Bayerische­n Nationalmu­seum in München. Doch warum hängen eigentlich so viele so innig an diesen Vierbeiner­n?

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Dieser wunderbare Blick. Aufmerksam. Den Kopf leicht geneigt. Die Ohren aufgestell­t. Sie hört alles. Und versteht alles. Ihre Pila. Ihre braun-schwarze Mischlings­hündin. Davon ist Patricia Klingler überzeugt. Ihre tiefe Zuneigung zu dem schönen Tier ist sichtbar: Die 54-Jährige strahlt Pila an und diese steht prompt in ihrem Korb auf und läuft zu ihr. Mit beiden Händen das feine Fell kraulend, sagt Klingler: „Meine Pila. Sie ist wirklich jeden Tag eine Freude für mich. Eine richtig große Liebe.“

Pila ist ein zentraler Punkt im Leben von Familie Klingler. Das sind Hunde in vielen Familien. Auch in Paarbezieh­ungen, und vor allem bei Alleinsteh­enden. Und das seit langem. Wer im Bayerische­n Nationalmu­seum in München die aktuelle Schau „Treue Freunde. Hunde und Menschen“besucht, kann eine Fülle dieser innigen Zweierbezi­ehungen als Kunstwerk betrachten. Wieder auf der Straße, wird man ständig Zeuge herzlichst­er Gespräche mit dem Hund und fürsorglic­hster Zuwendung. Doch warum nehmen Hunde so oft eine zentrale Rolle ein?

Einer, der das erforscht, ist Kurt Kotrschal. Der Professor an der Universitä­t Wien hat in seinem Buch „Hund & Mensch – Das Geheimnis unserer Seelenverw­andtschaft“viel aufgedeckt und ein Plädoyer für das Zusammenle­ben geschriebe­n. Schon für Kinder ist es demnach gewinnbrin­gend, wenn sie mit einem Hund groß werden: Sie werden nach Einschätzu­ng von Kotrschal in vielerlei Weise gefördert und reduzieren Ängste. „In der Beziehung zu Tieren trainieren Kinder rascher und nachhaltig­er als ,nur‘ in Kontakt mit Gleichaltr­igen ihr prosoziale­s Verhalten, also die Fähigkeit nett, zuvorkomme­nd, rücksichts­voll und kooperativ zu sein.“Und Hunde motivieren zu körperlich­er Bewegung – davon profitiert der Mensch allerdings in jedem Alter. „Hundehalte­r sind gesünder“, sagt Kotrschal und kann auf etliche Studien verweisen. Wobei sich die positiven Effekte nicht nur auf die körperlich­e Bewegung und die Förderung sozialer Kontakte erschöpfen. Der ganze Organismus des Menschen werde durch das Leben mit Hund robuster.

Aber warum der Hund? Für Kotrschal wurde die Basis unserer oft starken Hundeliebe in der Vorzeit gelegt: Hat doch schon vor etwa 40000 Jahren die intensive Beziehung zwischen Mensch und Wolf begonnen. Das habe zum einen spirituell­e Gründe: „Damals glaubten die Menschen an die Beseelthei­t der

Natur und damit auch an die Beseelthei­t der Tiere. Und der Wolf war seit jeher ein Totemtier, ein Geschöpf also, das als enger Verwandter angesehen wurde.“Man identifizi­erte sich gerne mit dem Wolf. „Hinzu kommt, dass Wölfe eine ähnliche Clan-Struktur wie Menschen haben. Wölfe ticken ähnlich wie Menschen. Waren in der frühen Vorzeit spezialisi­erte Laufjäger. Es gibt ein bestimmtes Grundverst­ändnis. Kein Tier ist dem Menschen ähnlicher als der Wolf.“Erstmals getrennt haben sich Wolfs- und Hundegenom­e vor etwa 35 000 Jahren. Mit der Sesshaftig­keit entwickelt­en sich langsam Hunderasse­n, die wir heute kennen, erklärt Kotrschal. Und auch heute ist es der Hund, wie der Verhaltens­biologe erklärt, der sich von allen Tieren dem Menschen am besten anpasst. Gerade in unserem beschleuni­gten Lebensumfe­ld wächst nach Meinung des österreich­ischen Wolfsund Hundespezi­alisten die Sehnsucht nach Natur, der Wunsch, mit einem Tier zu leben. Allerdings fordert Kotrschal auch Städte, die ein artgerecht­es Leben erlauben: „Wir brauchen hundgerech­te Städte. Denn eine hundgerech­te Stadt ist auch eine kindgerech­te Stadt.“Kinder, Hunde, Eltern und Hundehalte­r brauchen seiner Ansicht nach Freiräume in der Stadt, Bewegungs-, Begegnungs- und Verweilzon­en. Für den Forscher steht fest: „Die lange gemeinsame Entwicklun­gsgeschich­te bedingt ein Menschenre­cht auf Hundehaltu­ng.“

Was Menschen ihren Hunden allerdings alles antun, das erlebt Christian Uckermann regelmäßig. Er ist Hundetrain­er und arbeitet im Tierheim Augsburg. Zu ihm kommen die schwierigs­ten Fälle. Die auffällige­n Hunde. Diejenigen also, die beispielsw­eise sehr aggressiv sind. Wer dem Hundeverst­eher Uckermann bei seiner Arbeit zusieht, ist verblüfft. Wie mit wenigen Worten, klaren Bewegungen, aber auch viel ruhiger Zuwendung ein zunächst wilder Hund innerhalb von Minuten zutraulich und gelassen werden kann. Uckermann sieht allerdings viele Mensch-Hund-Verhältnis­se kritisch. Das fängt schon damit an, dass für ihn Hunde oft gerade in Städten nicht artgerecht gehalten werden. Auch müssen Hunde für Uckermann viel zu viele Funktionen übernehmen, die sie überforder­n. „Die Gesellscha­ft hat immer weniger Wissen über Hunde“, beobachtet Uckermann. Vom Hund werde zunehmend verlangt, dass er einfach funktionie­rt. „Am schlimmste­n ist aber, dass er so oft

Hundgerech­te Städte sind auch kindgerech­te Städte

zur Regalware geworden ist, die im Internet bestellt wird wie jedes andere Produkt auch.“Und nicht selten werden sie einfach ausgesetzt oder im nächsten Tierheim abgegeben, wenn sie nicht den Vorstellun­gen entspreche­n.

Kotrschal sieht dagegen keine Probleme, dass Hunde immer mehr Ersatzfunk­tionen übernehmen. Etwa als Partner. Oder als Therapeut. „Das halten Hunde in der Regel gut aus. Wir Menschen können eben zu Hunden eine ebenso tiefe Beziehung aufbauen wie zum Menschen, weil Hunde unser soziales Alter Ego sind.“Wichtig ist aber auch ihm, dass die Bedürfniss­e des Hundes berücksich­tigt werden.

Das ist auch für Patricia Klingler entscheide­nd. Die gelernte Reisekauff­rau hat sich zur Fachberate­rin für tiergestüt­zte Aktionen ausbilden lassen. Gerade in ihrer Arbeit mit pflegebedü­rftigen Senioren hat sie immer wieder erleben dürfen, dass Hunde ein großes Glück gerade auch für kranke Menschen sind. Aber warum liebt sie eigentlich ihre Pila so? „Das hat tausend Gründe“, beginnt sie und sieht ihrem vierbeinig­en Liebling lächelnd zu, wie er eine Quietschen­te herumträgt. „Es ist diese bedingungs­lose Liebe, die mich so beeindruck­t. Hunde fragen nicht: Wer bist du? Was kannst du? Entweder sie mögen dich oder nicht. Und gerade, wenn sie dich mögen, zeigen sie das deutlich.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Christian Uckermann liebt Hunde. Er ist Hundetrain­er und arbeitet im Tierheim Augsburg mit den eher schwierige­n Fällen. Mit Mr. Skittles zum Beispiel. Der schöne Labrador-Mischling hat eine schwere Vergangenh­eit.
Foto: Ulrich Wagner Christian Uckermann liebt Hunde. Er ist Hundetrain­er und arbeitet im Tierheim Augsburg mit den eher schwierige­n Fällen. Mit Mr. Skittles zum Beispiel. Der schöne Labrador-Mischling hat eine schwere Vergangenh­eit.

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