Kahn meldet sich zurück
Fußball Der Ex-Torwart zieht am 1. Januar in den Bayern-Vorstand ein. Der „Titan“soll zum Rummenigge-Nachfolger aufgebaut werden und füllt womöglich ein weiteres Vakuum
München Im zweiten Stock der Geschäftsstelle des FC Bayern wurde vor Weihnachten noch intensiv gehämmert und gewerkelt. Als Fußball-Profi musste sich Oliver Kahn mit einem persönlichen Spind im Kabinentrakt begnügen. Wenn der frühere Torwart-„Titan“am 1. Januar 2020 als neues Vorstandsmitglied seine Arbeit beim deutschen Rekordmeister aufnimmt, wird er ein eigenes Büro beziehen. Auf der Vorstandsetage arbeitet der 50-Jährige künftig Tür an Tür mit der Führungsriege um Karl-Heinz Rummenigge, den er Ende 2021 als Chef ablösen soll. Das hat noch Uli Hoeneß eingefädelt. So ist es intern mit Rummenigge und dem neuen Präsidenten Herbert Hainer verabredet. „Oliver wird seine Erfahrung als früherer Weltklassespieler und inzwischen auch top vernetzter Geschäftsmann einbringen. Oliver wird uns bereichern. Wir werden gut zusammenarbeiten“, sagte Rummenigge.
Kahn legt los – und die gesamte Bundesliga-Branche wird gespannt zuschauen. Es ist die spannendste Personalie zum Start 2020. Der künftige Bayern-Chef rückt in den Fokus der Öffentlichkeit. Als Erstes soll er die Mannschaft bei einem mehrtägigen Besuch im Trainingslager in Katar (4. bis 10. Januar) kennenlernen. Am 19. Januar könnte der Rummel um Kahn einen ersten Höhepunkt erfahren, wenn die Bayern zum Rückrundenstart in Berlin gegen Hertha BSC und Jürgen Klinsmann antreten. Jener Klinsmann, der nach Kahns Karriereende im Sommer 2008 BayernTrainer wurde. Vor allem aber der Klinsmann, der Kahn beim WMSommermärchen 2006 in Deutschland zum Torwart Nummer 2 hinter Jens Lehmann degradierte.
Mehr als ein Jahrzehnt nach dem letzten Einsatz im Bayern-Tor kehrt Kahn zu dem Verein zurück, der ihm, aber dem auch er viel zu verdanken hat. Kahn und der FC Bayern – das war von 1994 bis 2008 eine ideale Symbiose. „Ich bin mit dem Verein tief verbunden, er hat mein Leben sehr stark geprägt. Ich habe wahnsinnig viel erlebt, emotionale Momente, Höhen und Tiefen“, sagte Kahn vor einiger Zeit. Der Aufsichtsrat stattete ihn noch unter der Führung von Hoeneß mit einem Fünfjahresvertrag aus – ein gewaltiger Vertrauensvorschuss.
Kahns Rückkehr löst bei den Bayern-Fans Euphorie aus. Sie feierten ihren „Titan“, der sich in seiner Zeit abseits des FC Bayern als Geschäftsmann und ZDF-Fußballexperte profilieren konnte, auf der Jahreshauptversammlung im November fast noch frenetischer als den scheidenden Präsidenten Hoeneß.
Kahn soll sich akribisch vorbereitet. Von ihm selbst war wenig zu hören, nur dass er die „neue Herausforderung“mit „Leidenschaft und Enthusiasmus“angehen wolle. Also so, wie alle den ehemaligen Welttorhüter in Erinnerung haben. Kahn war das Feindbild in den gegnerischen Stadien, wo er aus den Fankurven mit Bananen beworfen wurde. Bei einem Spiel in Freiburg eskalierte das 2000, als ihm ein jugendlicher Fan einen Golfball an den Kopf warf. Blutend und wütend rannte Kahn über den Rasen. Die Wunde wurde geklammert, Kahn kehrte für die letzten Sekunden ins Tor zurück. „Weiter, immer weiter!“Es war sein Motto. Jetzt geht’s – nach fast zwölf Jahren Pause – für ihn weiter beim FC Bayern, wenn auch in anderer Funktion. Kahn soll das neue Alphatier nach Hoeneß, 67, und Rummenigge, 64, werden. „Das ist keine Position, die man einfach von heute auf morgen bekleiden kann, indem man sagt: Servus, hier bin ich, wo ist mein Schreibtisch und jetzt fange ich an“, äußerte er vor einiger Zeit im ZDF zum Vorstandsvorsitz.
Der FC Bayern hat über 1000 Mitarbeiter. Der Bundesliga-Krösus setzt 750 Millionen Euro im Jahr um. In München zählen nur Titel, national und in Europa, gepaart mit seriösem Wirtschaften. Hoeneß, Rummenigge und Neu-Präsident Hainer trauen Kahn den Spitzenjob zu. „Oliver wird uns bereichern“, glaubt Rummenigge. Er wird ihn einarbeiten. Und mit Sportdirektor Hasan Salihamidzic, der Mitte 2020 auch in den Vorstand aufrückt, muss Kahn die Bayern-Mannschaft der Zukunft formen. Kahn war
Hoeneß’ Idee. Er hat dessen Werdegang nach der Profizeit verfolgt. Immer wieder trafen sich beide zu Gesprächen. „Irgendwann hat es bei mir Klick gemacht“, schilderte Hoeneß: „Oliver kennt den Fußball, er kennt die Wirtschaft und er trägt die DNA des FC Bayern in sich.“Und er bringe Unverzichtbares mit: „Wir brauchen in der Führungsposition einen, der ehemaliger Fußballspieler war.“Eine Profi-Vita auf allerhöchstem Niveau sei „sehr hilfreich, wenn du mit einem Joshua Kimmich, mit einem Robert Lewandowski, mit einem Leroy Sané diskutierst“, erläuterte Hoeneß.
Vielleicht wird Kahn – nach dem Rückzug von Hoeneß aus der ersten Reihe – auch die neue Abteilung Attacke. Wie sagte doch Rummenigge in seiner Rede auf der Mitgliederversammlung: „Oliver war auf dem Platz unser Titan. Und Titan rostet nicht. Dementsprechend können wir uns auf einiges gefasst machen – oder die anderen 17 Vereine der Bundesliga.“