Im Shitstorm
Hass und Hetze Das Medien-Jahr 2019 geht zu Ende, und, was soll man sagen: Es war wieder einmal kein leichtes – mit Blick auf das Thema Hass und Hetze. Wurden Hass und Hetze vor wenigen Jahren noch als Internet-Phänomen beschrieben, sind sie längst von der digitalen in die analoge Welt geschwappt. Wobei diese Trennung ebenfalls längst nicht mehr vorgenommen werden kann.
Was unsere Redaktion angeht, so erlebte sie im November einen Shitstorm noch nicht gekannten Ausmaßes. Nachdem sie über einen jungen, rechten Youtuber berichtet hatte – und insbesondere darüber, wie diese rechten bis rechtsextremen Meinungsführer ihre Botschaften
derart geschickt verbreiten, dass junge Zuschauer nicht erkennen, wie sie beeinflusst werden.
Die Reaktionen auf unsere Berichterstattung zeigten nicht nur erschreckend eindrucksvoll, wie ein rechter Shitstorm funktioniert, sondern auch, was
Rechte – vom Populisten bis zum Extremisten – so gefährlich macht.
In diesem Fall rief der Youtuber seine Community dazu auf, seine Videos, mit denen er auf die Berichterstattung unserer Redaktion
reagierte, zu teilen. Er versah seine Videos mit der Botschaft, dass gegen ihn „gehetzt“werde. Eine Täter-Opfer-Umkehr, die seine Fans umgehend übernahmen. Diese veröffentlichten E-MailAdressen und Telefonnummern unserer Redaktion, verbunden mit dem Aufruf, uns in die Schranken zu weisen. In der Folge erreichten unsere Redaktion an mehreren Stellen hunderte hasserfüllte, diffamierende Mails, Anrufe, Briefe: Diejenigen, die fortwährend die Meinungsfreiheit bedroht wähnen, verstehen unter Meinungsfreiheit also die Freiheit zu beleidigen und zu bedrohen. Der rechte Shitstorm, der über uns kam, war ein massiver Einschüchterungsversuch. Die Einschüchterung bestand auch darin, dass der Youtuber auf einzelne Redakteure oder Nutzer, die ihn im Internet kritisierten, besonders hinwies. Es ist das Prinzip des „Der Menge zum Fraß vorwerfen“.
Warum ich dies hier nochmals erzähle? Weil ein Shitstorm jeden Internetnutzer treffen kann. Und weil das für jeden gefährlich werden kann, der keine Institution, keine Zeitungsredaktion im Rücken hat. Ein Schüler etwa, wie wird der wohl damit umgehen? Umso wichtiger ist es, dass Lehrer, Polizei, Forscher und Medien nicht müde werden, auf diese Mechanismen hinzuweisen.