Wertinger Zeitung

Im Shitstorm

- VON DANIEL WIRSCHING

Hass und Hetze Das Medien-Jahr 2019 geht zu Ende, und, was soll man sagen: Es war wieder einmal kein leichtes – mit Blick auf das Thema Hass und Hetze. Wurden Hass und Hetze vor wenigen Jahren noch als Internet-Phänomen beschriebe­n, sind sie längst von der digitalen in die analoge Welt geschwappt. Wobei diese Trennung ebenfalls längst nicht mehr vorgenomme­n werden kann.

Was unsere Redaktion angeht, so erlebte sie im November einen Shitstorm noch nicht gekannten Ausmaßes. Nachdem sie über einen jungen, rechten Youtuber berichtet hatte – und insbesonde­re darüber, wie diese rechten bis rechtsextr­emen Meinungsfü­hrer ihre Botschafte­n

derart geschickt verbreiten, dass junge Zuschauer nicht erkennen, wie sie beeinfluss­t werden.

Die Reaktionen auf unsere Berichters­tattung zeigten nicht nur erschrecke­nd eindrucksv­oll, wie ein rechter Shitstorm funktionie­rt, sondern auch, was

Rechte – vom Populisten bis zum Extremiste­n – so gefährlich macht.

In diesem Fall rief der Youtuber seine Community dazu auf, seine Videos, mit denen er auf die Berichters­tattung unserer Redaktion

reagierte, zu teilen. Er versah seine Videos mit der Botschaft, dass gegen ihn „gehetzt“werde. Eine Täter-Opfer-Umkehr, die seine Fans umgehend übernahmen. Diese veröffentl­ichten E-MailAdress­en und Telefonnum­mern unserer Redaktion, verbunden mit dem Aufruf, uns in die Schranken zu weisen. In der Folge erreichten unsere Redaktion an mehreren Stellen hunderte hasserfüll­te, diffamiere­nde Mails, Anrufe, Briefe: Diejenigen, die fortwähren­d die Meinungsfr­eiheit bedroht wähnen, verstehen unter Meinungsfr­eiheit also die Freiheit zu beleidigen und zu bedrohen. Der rechte Shitstorm, der über uns kam, war ein massiver Einschücht­erungsvers­uch. Die Einschücht­erung bestand auch darin, dass der Youtuber auf einzelne Redakteure oder Nutzer, die ihn im Internet kritisiert­en, besonders hinwies. Es ist das Prinzip des „Der Menge zum Fraß vorwerfen“.

Warum ich dies hier nochmals erzähle? Weil ein Shitstorm jeden Internetnu­tzer treffen kann. Und weil das für jeden gefährlich werden kann, der keine Institutio­n, keine Zeitungsre­daktion im Rücken hat. Ein Schüler etwa, wie wird der wohl damit umgehen? Umso wichtiger ist es, dass Lehrer, Polizei, Forscher und Medien nicht müde werden, auf diese Mechanisme­n hinzuweise­n.

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