Ein Heiligabend für alle
Weihnachten Zum zweiten Mal hatte Wertingens Stadtpfarrer Rupert Ostermayer das Pfarrheim für eine gemeinsame Feier geöffnet. Es halfen und kamen mehr Menschen als im Jahr zuvor. Auch eine Mutter mit ihrer Tochter waren dabei
Wertingen „Grüß Gott, ich bin Frau Eibl.“Bereits auf den letzten Metern zum Wertinger Pfarrheim stellt sich die 82-Jährige im Gehen vor, interessiert sich gleichzeitig, wer am Heiligabend mit ihr in Richtung Weihnachtsfest unterwegs ist. An der Eingangstür wartet kurz vor 18 Uhr bereits Stadtpfarrer Rupert Ostermayer auf die Gäste. Die meisten von ihnen werden Überraschungsgäste sein. Denn niemand musste sich anmelden für diesen Abend. Alle sind einfach willkommen. Der Pfarrer freut sich sichtlich über jede und jeden einzelnen, den er an diesem Heiligen Abend begrüßen kann.
Die Tür zum Pfarrsaal steht offen. Ein paar Frauen stehen zusammen und unterhalten sich. Zwei andere spielen am Klavier einzelne Weihnachtslieder an. Mitten im Raum steht eine geschmückte Fichte, behängt mit roten und goldenen
„Am frühen Abend sind an Heiligabend die Stunden, die uns Menschen am meisten berühren.“
Rupert Ostermayer, Stadtpfarrer
Christbaumkugeln, darunter in Zeitungspapier eingeschlagene Geschenke und zwei große gefüllte Körbe. Der Kreis der Frauen öffnet sich. „Frohe Weihnachten.“Hände werden gereicht, erste Worte ausgetauscht. Manche kennen sich untereinander, andere nicht.
„Auf eine Stehparty bin ich nicht eingestellt“, sagt Pfarrer Ostermayer und fordert die Gäste auf, sich zu setzen. Gemeinsam nehmen alle an einem Tisch Platz, rücken etwas zusammen, für einen zweiten sind es noch zu wenig Menschen. Mit dem Glockenläuten um 18 Uhr heißt der Pfarrer alle offiziell willkommen. Er lenkt die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf den Übergang des Nachmittags auf den Heiligen Abend: „Am frühen Abend sind die Stunden, die am meisten berühren.“
Nach einem gemeinsamen „Vater unser“eröffnet der Pfarrer das Büffet. Traditionell – „wie’s im Schwäbischen isch“– gibt es Würstchen mit Kartoffelsalat. Mittlerweile haben sich noch ein paar mehr Menschen eingefunden. Ein zweiter Tisch wird eröffnet. Nach und nach entwickeln sich die Gespräche. Darüber, welche Hemmschwellen andere wohl abgehalten haben, zu ihnen ins Pfarrheim zu kommen. Und darüber, dass es eigentlich gar nicht wichtig sei, ob man nun katholisch, evangelisch oder andersgläubig sei, ob man als einzelner Mensch, als Paar oder gar als Familie komme. Gerade am Heiligabend gehe es doch um Begegnung. Darum, gegenseitig seine Türen und sich selbst zu öffnen.
Sehr offen hätten sich auch dieses Jahr wieder mehrere einheimische Geschäftsleute gezeigt, erzählt Ostermayer. Sie spendeten Essen, Getränke und Geschenke. Umso mehr bedauert der Pfarrer, dass an diesem Abend zwei der vier festlich gedeckten Tische leer bleiben. „Immerhin eine Steigerung um 100 Prozent im Vergleich zum vergangenen
„Wie oft haben wir Ausreden? Wie war das wohl für Maria, als sie gefragt wurde, den göttlichen Sohn zu gebären.“
Michael Hahn, Gemeindereferent
Jahr“, freut er sich und kündigt bereits die Fortsetzung im kommenden Jahr an. Inzwischen haben sich auch Gemeindereferent Michael Hahn und seine beiden Töchter Rebekka und Miriam im Wertinger Pfarrheim eingefunden. Sie kommen direkt vom Gottesdienst in der Krankenhauskapelle. Ostermayer setzt sich zu ihnen. Die beiden Männer wechseln noch ein paar Worte über die Gottesdienste. Dann verabschiedet sich der Pfarrer. Er genießt, sich dieses Jahr ganz gelassen auf seine beiden Abendgottesdienste vorbereiten zu können. „Dabei soll es nicht so aussehen, als ob der Pfarrer
geht, wenn’s besinnlich wird“, scherzt der 51-Jährige beim Gehen.
Jetzt sind die Hahns an der Reihe. Während der Vater zur Bibel greift, um die Weihnachtsgeschichte vorzulesen, erzählt er noch kurz von dem, was er soeben in der Krankenhauskapelle gepredigt hat. Von Ausreden, die wir oft hätten, wenn es beispielsweise darum geht, sich für eine Wahlliste aufstellen zu lassen. Oder wenn jemand gefragt wird, ob er sich an der Sternsingeraktion beteiligt. „Wie war das wohl für Maria, als sie gefragt wurde, den göttlichen Sohn zu gebären?“Hahn regt mit seinen Worten zum Nachdenken an, während seine beiden Töchter mit Querflöte und Klavier zum Mitsingen einladen. „Zu Bethlehem geboren“, „O du fröhliche“, dazwischen noch andere Stücke und am Ende natürlich „Stille Nacht“. Ein paar Tränen fließen. Das Lied erweckt Emotionen und Erinnerungen.
So auch bei Sieglinde Eibl. Die gebürtige Augsburgerin lebt erst seit fünf Jahren in der Zusamstadt, für sich alleine, allerdings ganz in der Nähe ihrer Tochter Birgit Steininger. Die freut sich, dass ihre Mutter sofort ja gesagt hat, als sie sie fragte, ob sie am Heiligabend mit ins Pfarrheim gehe. Steininger unterstützt gemeinsam mit Marie-Luise Wiedemann und Maria Kraus als Pfarrgemeinderätin an dem Abend.
Mit ihrer Familie hat Birgit Steininger alles abgeklärt, Mann und Kinder werden sie nachher zur häuslichen Bescherung abholen. „Ich bin total dankbar, dass ich auf diese Weise etwas weitergeben kann, etwas gestalten und dabei dienen kann“, sagt sie strahlend zwischen zwei Liedern. Ihre 82-jährige Mutter hat sich indessen bereits bestens mit den anderen am Tisch bekannt gemacht und unterhalten. 32 Jahre hatte sie als Kinderärztin am
„Ich bin total dankbar, dass ich auf diese Weise etwas weitergeben, etwas gestalten und dabei dienen kann.“
Birgit Steininger, Pfarrgemeinderätin
Josefinum in Augsburg gearbeitet, oftmals auch am Heiligabend und an Weihnachten und dabei auch mehrere Kinder entbunden.
Mit der Wertinger Pfarrgemeinde hat Sieglinde Eibl bereits eine Reise nach Israel unternommen. „Meine bisher letzte große Reise“, erzählt sie und auch davon, wie sie als junge Frau und Ärztin zwei ganze Jahre in Tansania gelebt und gearbeitet hat. Vor acht Jahren ist ihr Mann gestorben. Sie könne gut alleine sein, sagt sie, komme gleichzeitig auch sehr gerne mit Menschen in Kontakt. Und sie spricht die Menschen am liebsten mit ihrem Namen an.
„Unter so viel Sternen ein so klarer Stern“, heißt es in einem Gedicht, das eine Besucherin gegen Ende vorträgt, „erst in dunklen Tagen sehen wir sein Licht und leuchtet auch an Orten, wo das Licht uns fehlt.“Mit diesen Worten gehen die Besucher hinaus in die Heilige Nacht. Wer welches Licht und Geschenk – äußerlich und innerlich mitnimmt – bleibt dabei jedem einzelnen überlassen...