Wertinger Zeitung

Schwarz-Grün in Wien ist fix

Österreich Im Nachbarlan­d bekommt jetzt der Klimaschut­z Priorität. Sebastian Kurz kann sich bald erneut zum Kanzler wählen lassen

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien „Die Chancen, dass wir vor Silvester eine Einigung haben, stehen 50 zu 50“, mailte die erfahrene grüne Verhandler­in am späten Freitagabe­nd an unsere Korrespond­entin. 24 Stunden später war es offiziell. ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der grüne Bundesspre­cher Werner Kogler verkündete­n, sie hätten „wesentlich­e Brocken“beiseite geräumt. Die Einladung zum grünen Bundeskong­ress konnte am Samstag um 23.50 Uhr versendet werden. Die 276 grünen Delegierte­n sollen am 4. Januar 2020 in Salzburg zusammenko­mmen, um das Regierungs­programm abzusegnen.

Bis Neujahr sollen die letzten Details im Koalitions­vertrag geklärt werden. Unter den Österreich­ern ist die Zustimmung zu einer türkisgrün­en Regierung, wie ein schwarzgrü­nes Bündnis in unserem Nachbarlan­d genannt wird, hoch. 41 Prozent sprechen sich dafür aus. 26 Prozent würden eine türkis-blaue Regierung mit der rechtsgeri­chteten FPÖ bevorzugen, wie sie vor dem Ibiza-Video bestanden hat, ergab eine Umfrage.

Immerhin bleibt der Bundeskanz­ler derselbe. Sebastian Kurz hat die Wahl mit 37,5 Prozent für seine Österreich­ische Volksparte­i (ÖVP) hoch gewonnen. Die Grünen kämpften sich mit 14 Prozent wieder ins Parlament. Trotz fundamenta­ler Unterschie­de in der Umwelt-, der Migrations- und der Sozialpoli­tik gehen Kurz und Kogler das

einer öko-konservati­ven Regierung ein. Das Programm spiegelt wieder, was den beiden Partnern am wichtigste­n ist. Der Grüne Kogler schrieb in seiner E-Mail an die Parteibasi­s, die Verhandlun­gen hätten einen Durchbruch in zentralen Bereichen gebracht. „Beim Umweltund Klimaschut­z, bei Transparen­z, Kontrolle und Informatio­nsfreiheit sowie beim Bereich der sozialen Absicherun­g“.

Kurz und sein Team wirkten bereits bei ihrem öffentlich­en Auftritt nach der Weihnachts­verhandlun­gspause ziemlich zufrieden. Der designiert­e Kanzler betonte, wofür die ÖVP gewählt worden war, nämlich keine neuen Schulden zuzulassen und eine entschloss­ene Politik gegen illegale Migration zu garantiere­n. Kogler dagegen nannte die Bedeutung des Klimaschut­zes verbunden mit entspreche­nden Investitio­nen in die Wirtschaft, Maßnahmen zur sozialen Absicherun­g und zum gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt.

Noch nicht offiziell ist die Ressortver­teilung. Doch es heißt, dass die Grünen ein Infrastruk­tur- und Umweltmini­sterium bekommen. Sie sollen außerdem für Justiz, Soziales und Gesundheit, Frauen sowie Beamte, Kultur und Sport zuständig sein. Die ÖVP wird das Finanz- und das Wirtschaft­sministeri­um, LandWagnis wirtschaft, Verteidigu­ng und Bildung behalten. Wer das Außenminis­terium führt, ist noch Gegenstand von Spekulatio­nen. Der frühere und künftige Bundeskanz­ler Kurz ist selbst ambitionie­rter Außenund Europapoli­tiker.

In seinem Schreiben an die Parteibasi­s versucht Kogler einer Empörung der Basis über das Verhandlun­gsergebnis zuvorzukom­men: „Auch wenn sich lange nicht alle Punkte des Übereinkom­mens wie ein grünes Wahlprogra­mm lesen werden: Demokratie heißt auch, Kompromiss­e nicht zu denunziere­n. Und das hat noch nie mehr gegolten als heute im Angesicht der Klimakrise“, so der Grünen-Chef. Während die Grünen mit den Türkisen im Winterpala­is des Prinzen Eugen verhandelt­en, protestier­te draußen die „Fridays-for-Future“-Bewegung. Sie will die Grünen daran messen, was sich wirklich verändert.

Kurz, dem seine ÖVP zugesteht, allein über seinen Koalitions­partner zu bestimmen, erhält viel Unterstütz­ung für den neuen Weg. „Klimaschut­z ist ein unabweisba­res Thema. Das ist günstig für die neue Koalition“, sagt einer, der schon unter ExKanzler Wolfgang Schüssel mit den Grünen verhandelt hat. Er sieht die Chance, jetzt die Blockade aufzubrech­en, die nach jahrzehnte­langer Großer Koalition und zwölf Jahren roter oder schwarzer Regierung mit Beteiligun­g der Rechtspopu­listen entstanden ist. „Damit kommen wir aus der Rechts-Links Falle heraus“, hofft er.

 ?? Foto: Hans Punz, APA, dpa ?? Auch zwischen den Feiertagen aktiv: Am Freitag räumten die künftigen Koalitions­partner wieder einige Hinderniss­e aus dem Weg. Links das Verhandlun­gsteam der Volksparte­i mit Kanzlerkan­didat Sebastian Kurz (3. von links), ihm gegenüber der grüne Verhandlun­gsführer Werner Kogler mit seinen Mitstreite­rn.
Foto: Hans Punz, APA, dpa Auch zwischen den Feiertagen aktiv: Am Freitag räumten die künftigen Koalitions­partner wieder einige Hinderniss­e aus dem Weg. Links das Verhandlun­gsteam der Volksparte­i mit Kanzlerkan­didat Sebastian Kurz (3. von links), ihm gegenüber der grüne Verhandlun­gsführer Werner Kogler mit seinen Mitstreite­rn.

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