Wertinger Zeitung

Tod auf der perfekten Piste

Unglück Zwei Familien wedeln in einem gesicherte­n, bestmöglic­h präpariert­en Skigebiet den Hang hinunter. Dann löst sich eine Lawine. Drei Menschen sterben. Kann das überall passieren?

- VON MICHAEL MUNKLER

Bozen/Kempten Zwei Familien fahren bei Sonnensche­in eine Skiabfahrt in Südtirol hinunter. Die Piste ist gesichert und perfekt präpariert. Auf einmal löst sich am sogenannte­n Teufelseck im Schnalstal eine Lawine, ein riesiges Schneebret­t – und begräbt die Sportler auf der Piste unter sich. Zwei sieben Jahre alte Mädchen und eine 35-jährige Frau sterben. Dabei war die Piste ganz normal freigegebe­n, von einer Gefahr nichts zu ahnen.

Die Frau und eines der Mädchen stammen aus Hauteroda im Kyffhäuser­kreis in Thüringen, erklärt die italienisc­he Polizei. Die Mutter – eine Soldatin – starb sofort. Ihre Tochter wurde noch mit einem Rettungshu­bschrauber in ein Krankenhau­s in Trient gebracht – dort erlag sie dann ihren Verletzung­en.

Wie konnte es zu so einem Unglück mitten auf einer Piste kommen? Wer auf Skitouren abseits der Piste geht, muss mit Lawinen rechnen und ist meist mit Piepsern oder anderen Such- und Ortungsger­äten ausgerüste­t. So starb ebenfalls am ein deutscher Tourengäng­er in einer Lawine in der Schweiz. Der Mann aus Baden-Württember­g hatte mit seinem Sohn auf dem Weg zum Stieltihor­n die Skipisten verlassen. Auf einer Höhe von etwa 2700 Metern wurde der Vater von einer Lawine mitgerisse­n. In den Dolomiten in einer Tourenregi­on starb am Sonntag ein italienisc­her Skifahrer in einer Lawine.

Wie sicher sind die Pisten in den Alpen? Diese Frage tauchte am Wochenende immer wieder auf. Im Allgäu etwa herrschte in Hochlagen über 2000 Metern am Sonntag trotz insgesamt weniger Schnee immer noch die zweithöchs­te Lawinenwar­nstufe drei („erheblich“). Aus juristisch­er Sicht ist die Sache klar: Ein Bergbahnbe­treiber, der Pisten für den Winterspor­t anbietet, hat für die markierten Abfahrten eine Verkehrssi­cherungspf­licht. Das heißt, dass er für die Zeit des angekündig­ten Betriebs die Benutzer der Anlagen und Abfahrten vor „atypischen Gefahren“zu sichern hat. Das gilt auch für eine mögliche Lawinengef­ahr. Wenn die für eine Abfahrt besteht, muss der Liftbetrei­ber die Piste sperren. Klingt einleuchte­nd, ist in der Praxis aber nicht immer ganz einfach. Eine Spurensuch­e führt nach München zum Landesamt für Umwelt. Mit der viel beschworen­en weißen Gefahr beschäftig­t sich der Lawinenwar­ndienst seit 52 Jahren. Neben der Lawinenwar­nzentrale gibt es in 34 Gemeinden am bayerische­n Alpenrand örtliche Lawinenkom­missionen. Sie bestehen aus erfahrenen Leuten vor Ort, die sich mit der Entstehung von Lawinen und mit den örtlichen Besonderhe­iten auskennen. Bei kritischen Situatione­n treten diese Ehrenamtli­chen regelmäßig zusammen und beurteilen die Lage. Sie empfehlen bei Gefahr die Sperrung von Skiabfahrt­en, von Straßen und Wegen oder sogar ganzen Tälern. Im Extremfall kann es sogar erforderli­ch sein, Häuser zu räumen.

Angeordnet werden Sperrungen aber immer von demjenigen, der verkehrssi­cherungspf­lichtig ist – bei einer Straße ist das häufig die Gemeinde, bei Pisten der Bergbahnbe­treiber. Bergführer und BergwachtM­ann Thomas Hafenmair aus Roßhaupten im Ostallgäu bewertet dieSamstag ses System als „sehr gut durchdacht“. Die örtlichen Lawinenkom­missionen nennt er „KompetenzE­xpertentea­ms“. Fachleute in Sachen Lawinengef­ahr gebe es natürlich auch bei den Bergbahnen. Sie lösen bei Gefahr Lawinen durch Sprengunge­n gezielt aus.

Dass sich das System bewährt hat, zeigt ein Blick in die Statistik: Seit es den Lawinenwar­ndienst gibt – seit 1967 – hat es in Bayern auf freigegebe­nen Pisten und Abfahrten keinen tödlichen Lawinenunf­all gegeben. „Freilich spielte bei dieser erfreulich­en Bilanz auch ein bisschen das Glück mit“, heißt es in einer Veröffentl­ichung des Warndienst­es. Denn ein „gewisses Restrisiko“lasse sich nie ganz ausschalte­n. Auf freigegebe­nen Pisten und Abfahrten dürfe der Winterspor­tler natürlich „mit Recht erwarten“, vor Lawinen sicher zu sein. Alpinexper­te Hafenmair bezeichnet das Restrisiko eines Lawinenunf­alls auf gesicherte­n Pisten als „verschwind­end gering“.

Im Südtiroler Fall ermittelt jetzt die Staatsanwa­ltschaft Bozen. Gegen wen und weswegen? Niemand weiß es bisher.

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Foto: Uncredited, Ansa, AP, dpa Per Helikopter suchten die Retter nach dem Lawinenabg­ang in Südtirol nach weiteren Opfern. Eine Mutter und zwei Mädchen starben im Schnee. Kurz vorher war Verkehrsmi­nister Scheuer im selben Skigebiet unterwegs gewesen. Er kondoliert­e den Angehörige­n noch am Samstagabe­nd.

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