Ist Deutschland zu passiv in der Weltpolitik?
Nahost Grüne kritisieren Vorgehen des Außenministers im Iran-Konflikt
Augsburg Bedauern, Mahnen, Bitten: Während die Welt gebannt in den Nahen Osten blickt und das Kräftemessen zwischen dem Iran und den USA verfolgt, wirkt Deutschland wie ein politischer Zaungast. Zwar appelliert Bundesaußenminister Heiko Maas an Teheran: „Wir sind uns einig. Wenn der Iran deeskalieren will, dann muss er auch aufhören, in der Nachbarschaft zu zündeln.“Doch der Einfluss von Berlin auf den Konflikt ist gering. Die bislang konkretesten Schritte: Maas reiste gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gesprächen nach Moskau. Präsident Wladimir Putin ist längst zu einem wichtigen Akteur in der Region geworden. Er unterhält gute Beziehungen zum Iran.
„Deutschland könnte viel mehr tun – und Deutschland sollte auch viel mehr tun“, sagt der Außenpolitik-Experte der Grünen, Omid Nouripour. „Wir sind zu passiv.“Das müsse die Regierung schon im eigenen Interesse ändern. „Unsere Nachbarregion darf nicht noch weiter destabilisiert und der Iran nicht nuklearisiert werden“, warnt Nouripour. Denn auch wenn der Iran jetzt durch den Flugzeugabschuss unter Druck stehe, sei noch längst nicht sicher, dass das Regime bereit sei, sanftere Töne anzuschlagen. Die Rache für den getöteten iranischen General Ghassem Soleimani könne noch kommen – und auch die Nachbarländer wie den Irak weiter ins Chaos stürzen. „Es ist dringend notwendig, dass unser Außenminister in diese Gegend fährt“, fordert Nouripour. „Diplomatie funktioniert nicht, wenn man sie nur vom Schreibtisch aus betreibt. Ich wünsche mir einen Außenminister, der viel mehr in Flugzeugen sitzt.“Maas solle nach Doha, Riad und Abu Dhabi reisen, dorthin, wo jene Führer sitzen, die auf eine Überreaktion der Iraner eine eigene Überreaktion folgen lassen könnten. Natürlich
könne Außenminister Heiko Maas nicht alle Probleme der Welt lösen. „Aber ihn kämpfen zu sehen, das wäre schon ein riesiger Schritt“, sagt Nouripour.
Der Weg von Außenminister Heiko Maas führte ihn gestern nach Jordanien, einem Verbündeten im Kampf gegen den Islamischen Staat. Dort traf er Soldaten der Bundeswehr auf dem rund 90 Kilometer östlich von Amman gelegenen Luftwaffenstützpunkt Al-Asrak. Die Aufklärungsjets der Bundeswehr über Syrien und dem Irak, die von Al-Asrak aus starten, fliegen seit Samstag wieder. Zuvor waren die Deutschen drei Tage am Boden geblieben. Hintergrund war auch eine Aufforderung des irakischen Parlaments, alle Truppen abzuziehen.
Der Berliner Politik-Experte Volker Perthes verteidigt das zurückhaltende Vorgehen des deutschen Außenministers. „Bei den direkten Auseinandersetzungen zwischen Washington und Teheran ist die Rolle Deutschlands begrenzt“,
„Diplomatie funktioniert nicht vom Schreibtisch aus.“
sagt der Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. „Hier kann ein direkt nicht beteiligtes Land wie Deutschland nur für Deeskalation werben und Hilfestellungen anbieten, wo die direkt Beteiligten das wünschen.“Berlin nehme immer wieder eine mitführende Rolle bei Krisen im unmittelbaren europäischen Umfeld ein. „Aber eine Führungsrolle Deutschlands in der Welt hat es tatsächlich auch in der Vergangenheit nicht gegeben“, erinnert er.
Im November hatte Verteidigungsministerin Annegret KrampKarrenbauer gefordert, Deutschland müsse auch zu einer Rolle als „Gestaltungsmacht“bereit sein und zu Fragen, die strategische Interessen beträfen, eine eigene Haltung entwickeln.
Berlin/Erfurt In die festgefahrene Regierungsbildung in Thüringen kommt Bewegung. Nach einem von Altbundespräsident Joachim Gauck vermittelten Treffen zwischen dem amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) und CDULandeschef Mike Mohring zeichnet sich folgende Lösung ab: Ramelow bildet eine Minderheitsregierung mit SPD und Grünen. Die wird bei bestimmten Vorhaben von der CDU unterstützt. Oder zumindest nicht behindert.
Die Frage, wie im Freistaat trotz fehlender Mehrheiten doch noch regiert werden kann, schien bisher kaum beantwortbar. Denn bei der Landtagswahl im Oktober ergab sich eine kaum zu überwindende Pattsituation. Das Ergebnis der einzelnen Parteien in Verbindung mit diversen Schwüren, mit der einen oder anderen Partei unter keinen Umständen paktieren zu wollen, ließ jedenfalls keine handlungsfähige Koalition zu. Zwar holte der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow mit seiner Linkspartei ein starkes Ergebnis: 31 Prozent der Wähler schenkten ihm ihr Vertrauen. Doch seine Koalitionspartner SPD und Grüne schwächelten.
Der Erfurter Landtag hat 90 Sitze, Rot-Rot-Grün können zusammen aber nur 42 Abgeordnete aufbieten. Für eine Mehrheit fehlen vier Stimmen. Andere Bündnisse
nur rechnerisch möglich. Denn sowohl die CDU als auch die FDP hatten zuvor eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen. Und mit der AfD, die mit 23,4 Prozent der Stimmen noch vor der CDU (21,7 Prozent) gelandet war, will ohnehin keine der anderen in den Landtag gewählten Gruppen paktieren.
Viele in der Thüringer CDU, Landeschef Mohring eingeschlossen, hätten es sich durchaus vorstellen können, zusammen mit der Linkspartei eine Regierung zu bilden. Denn Ministerpräsident Bodo Ramelow hat mit der dogmatischen Parteilinie der Bundes-Linken wenig am Hut. Er stammt aus dem Westen, ist nicht durch Verstrickungen mit dem DDR-Regime belastet und genießt sogar das Vertrauen der heimischen Wirtschaft.
Doch in der Bundes-CDU gilt die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Linken als Nachfolgerin der DDR-Staatspartei SED als in Stein gemeißelt. Eben erst erinnerte Generalsekretär Paul Ziemiak an einen Parteitagsbeschluss, der eine Zuwären sammenarbeit mit AfD und Linkspartei ausschließt. Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lehnt den Flirt mit der Linken in Thüringen ab. Sie will ihre Partei für die Nach-Merkel-Zeit einen. Ließe sie einen Bruch des LinkenTabus zu, würde sie riskieren, dass ihre Widersacher vom konservativen Parteiflügel über sie herfallen.
Linke, SPD und Grüne haben sich inzwischen im Grundsatz auf eine Minderheitsregierung geeinigt. Und auf Einladung von Altbundespräsident Joachim Gauck trafen sich nun auch Ramelow und CDU-Chef Mike Mohring. Der Ministerpräsident kündigte danach an, Mohring zum Austausch über eine „projektbezogene Regierungsarbeit“einladen zu wollen. Als Basis dafür sieht der 63-jährige Linken-Politiker aber weiterhin eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung.
Mohring kündigte seinerseits an, eine Liste mit möglichen gemeinsamen Vorhaben vorzulegen. Am Montag kam es zu einem Treffen von Linke, CDU, SPD, Grünen und FDP. Eine abschließende Übereinkunft über die Modalitäten der künftigen Regierung wurde dabei offenbar nicht erzielt. Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund von den Grünen klagte anschließend: „Die Frage, wie Verantwortung für das Land genau aussieht, ist vonseiten der CDU und der FDP heute aus meiner Sicht hinreichend unkonkret beantwortet worden.“