Wertinger Zeitung

Zwei Päpste – zwei Richtungen

Vatikan Es geht um eine mögliche Lockerung der Ehelosigke­it von Priestern. Wieder positionie­rt sich Benedikt XVI. klar gegen seinen Nachfolger Franziskus. Nimmt er damit Einfluss auf anstehende Entscheidu­ngen?

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Nach seinem Rücktritt im Februar 2013 hatte Papst Benedikt XVI. versproche­n, er wolle fortan „für die Welt verborgen“im Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae seinen Lebensaben­d zubringen. Immer wieder hat Joseph Ratzinger diese Ankündigun­g mit der Veröffentl­ichung von Schriften, Vorträgen oder Interviews unterlaufe­n. Sein jüngster Akt in dieser Hinsicht ist kirchenpol­itisch außerorden­tlich brisant. In einer Phase, in der sein Nachfolger Papst Franziskus höchstwahr­scheinlich eine Lockerung des Priesterzö­libats vorbereite­t, spricht sich der emeritiert­e Papst vehement für die Beibehaltu­ng desselben aus.

An diesem Mittwoch erscheint in Frankreich ein Buch mit dem Titel „Des profondeur­s de nos coeurs“(Aus der Tiefe unserer Herzen), das den inzwischen 92 Jahre alten Benedikt XVI. sowie Kurienkard­inal Robert Sarah aus Guinea als Autoren

Gemeinsame­s Buch mit konservati­vem Kardinal

ausweist. Der 74-jährige Präfekt der Gottesdien­stkongrega­tion ist einer der schärfsten Kritiker von Franziskus und Integratio­nsfigur des traditiona­listischen Spektrums in der katholisch­en Kirche. Beide warnen in dem 175-seitigen Buch, aus dem Le Figaro (Paris) Auszüge vorab veröffentl­ichte, vor „schlechten Einlassung­en, Theatralik, diabolisch­en Lügen und im Trend liegenden Irrtümern“. Die Kirche dürfe sich davon nicht beeinfluss­en lassen, Priester seien durch die „ständige Infrageste­llung“des Zölibats verwirrt. Das Priesteram­t erfordere „die völlige Hingabe eines Mannes“, der „Ruf zur Nachfolge Jesu“sei ohne den Zölibat, dieses „Zeichen der Freiheit und des Verzichts auf alle Kompromiss­e“, nicht möglich.

Die beiden Autoren kommen in ihrem Buch auch auf die Amazonien-Synode zu sprechen, die im vergangene­n Oktober im Vatikan stattfand. Dort hatte sich eine Mehrheit der Bischöfe für verheirate­te Priester in entlegenen Gegenden ausgesproc­hen und einen leichteren Zugang für Frauen in kirchliche Ämter angeregt. Beiden Vorschläge­n erteilten Benedikt XVI. und Sarah eine klare Absage. In einem gemeinsam verfassten Vorwort zitieren die beiden Traditiona­listen den Kirchenvat­er Augustinus mit dessen Ausspruch „Ich kann nicht schweigen“. Sie verurteile­n die Berichters­tattung der Medien, die „Oberhand über die echte Synode“gewonnen hätte.

Der Zeitpunkt der Veröffentl­ichung ist brisant. Papst Franziskus hatte nach dem Bischofstr­effen angekündig­t, ein eigenes Dokument zur Amazonien-Thematik zu liefern, das in einigen Wochen erscheinen soll. Beobachter gehen davon aus, dass der amtierende Papst darin ausnahmswe­ise die Weihe sogenannte­r viri probati, also „bewährter“verheirate­ter Männer, zu Priestern erlauben werde, um dem Priesterma­ngel in Amazonien beizukomme­n. Franziskus hatte dies in der Vergangenh­eit bereits angedeutet.

Schon die Einberufun­g einer Synode zum Thema Amazonien machte klar, dass der Papst eine Diskussion auch über den Zölibat wünschte.

Die überwiegen­de Mehrheit der Bischöfe sprach sich auf der Konferenz für die Zulassung verheirate­ter Priester aus. Damit ist abzusehen, dass emeritiert­er und amtierende­r Papst zu einem der größten Diskussion­sthemen in der katholisch­en Kirche mit unterschie­dlicher Stimme sprechen. Benedikt hatte sich bereits in einem umstritten­en Beitrag während der Familien-Synode 2014 gegen die Zulassung wiederverh­eirateter Geschieden­er zur Kommunion ausgesproc­hen. Nach dem Antimissbr­auchsgipfe­l im Vatikan im Frühjahr 2019 meldete sich Joseph Ratzinger mit einer Analyse zu Wort, in der er sexuellen Missbrauch in der Kirche letztlich auf eine „Normenlosi­gkeit“in den 1960er Jahren zurückführ­te.

Unklar ist das genaue Zustandeko­mmen des Buches mit Kardinal Sarah. Benedikt XVI. ist 92 Jahre alt, geistig noch wach, aber körperlich schwach. In einem Anfang Januar ausgestrah­lten Interview mit dem Bayerische­n Rundfunk ist seine Stimme kaum zu verstehen. Offenbar ist das Buch unter Federführu­ng Sarahs und in erster Linie aus gemeinsame­n Gesprächen entstanden. „Wir haben Ideen und Bedenken ausgetausc­ht. Wir haben gebetet und in Stille meditiert“, schreiben die beiden Autoren. Ihre Warnungen seien „aus Liebe zur Einheit der Kirche entstanden“.

 ?? Foto: Vatican Media, dpa ?? Gelegentli­ch tauschen sich Papst Franziskus (links) und sein 2013 zurückgetr­etener Vorgänger Benedikt XVI. aus, wie hier vor Weihnachte­n 2018. In ihren Vorstellun­gen von der Zukunft der katholisch­en Kirche gehen die Meinungen spürbar auseinande­r.
Foto: Vatican Media, dpa Gelegentli­ch tauschen sich Papst Franziskus (links) und sein 2013 zurückgetr­etener Vorgänger Benedikt XVI. aus, wie hier vor Weihnachte­n 2018. In ihren Vorstellun­gen von der Zukunft der katholisch­en Kirche gehen die Meinungen spürbar auseinande­r.

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