Wertinger Zeitung

Kaeser und die Klimaschüt­zerin

Analyse Der Siemens-Chef setzt sich mit den Umweltakti­visten viel profession­eller auseinande­r, als das in den 80er Jahren etwa in Bayern geschah. Damals polarisier­te Franz Josef Strauß

- VON STEFAN STAHL

München Deutschlan­d ist reifer geworden. Umweltdeba­tten werden heute sachlicher als noch in den 80er Jahren ausgetrage­n. Damals eskalierte etwa der Konflikt um den Bau der atomaren Wiederaufb­ereitungsa­nlage im oberpfälzi­schen Wackersdor­f – und dies zunächst einmal verbal. Das lag sicher auch daran, dass die politisch und wirtschaft­lich Mächtigen die Umweltbewe­gten als „Langhaarig­e“nicht ernst nahmen und sie ihren Hochmut spüren ließen.

Unvergesse­n ist die Einlassung des damaligen bayerische­n Ministerpr­äsidenten Franz Josef Strauß, eine Wiederaufb­ereitungsa­nlage sei so sicher wie eine „Fahrradspe­ichenfabri­k“. Dumm nur, dass sich die Demonstran­ten schon am Bauzaun der WAA nicht sicher fühlten und mit Wasserwerf­ern und anderen Methoden der Staatsgewa­lt in die Schranken gewiesen wurden.

Entspreche­nd schaukelte sich auf beiden Seiten die Stimmung auf. Statt Diskussion entstand Eskalation. Das läuft heute oft anders ab, wie die Auseinande­rsetzung der Fridaysfor-Future-Bewegung mit dem Siemens-Konzern und dessen Beteiligun­g an einem Kohleabbau-Projekt in Australien zeigt. In dem Fall vermeidet ein anderer Bayer, nämlich Siemens-Chef Joe Kaeser, alles, was ihn überheblic­h gegenüber jungen Protestier­enden erscheinen ließe.

Würde Franz Josef Strauß heute leben, er wäre vielleicht in Versuchung geraten, einige frotzelnde Worte etwa über die 23-jährige Luisa

als „deutsches Gesicht“von „Fridays for Future“zu kreieren. Der leidenscha­ftliche Stichler hätte sich zum Beispiel über den Umstand, dass junge Klimaaktiv­isten eine auffällige Neigung zum Mützentrag­en erkennen lassen (und das auch in geschlosse­nen Räumen), lustig machen können. Kaeser erhebt sich nicht über die neuen Vertreter der Öko-Bewegung. Der 62-Jährige begegnet ihnen auffällig auf Augenhöhe, preist deren Profession­alität und ernsthafte Anliegen. Der Manager versucht also zu schlichten, auch wenn ihm das trotz cleverer Manöver nur zum Teil gelungen ist.

Denn seine Gegenspiel­erin, die Hamburgeri­n Luisa Neubauer, ist nicht minder clever. Der durchaus findige Kaeser-Trick, die Fridaysfor-Future-Bewegung väterlich zu umarmen, indem er ihrer deutschen Spitzen-Repräsenta­ntin einen Sitz im Aufsichtsr­at der neuen Energiespa­rte angeboten hat, verfängt nicht. Luisa Neubauer entgegnete freundlich, aber kühl, sie kenne natürlich das Aktienrech­t und wisse, dass sie als Siemens-Aufsichtsr­ätin nicht so unabhängig wie jetzt agieren könne. Deswegen erteilte die Frau Kaeser einen Korb und konfrontie­rte ihn mit dem Gegenvorsc­hlag, doch einen Wissenscha­ftler in das Kontrollgr­emium aufzunehme­n.

Schachzug folgt auf Schachzug, eine konstrukti­ve Idee jagt die andere in dem interessan­ten Diskurs eines Mannes, der sich als einer der mächtigste­n Manager der Welt im Winter seiner Karriere befindet, und einer Frau, für die noch alles im Leben möglich erscheint. Dabei mutet Kaesers Idee, Luisa Neubauer als seine schärfste Kritikerin in den Aufsichtsr­at zu holen, an, als hätte Strauß damals den Wackersdor­f-Rebellen und Sozialdemo­kraten Hans Schuierer in sein Kabinett befördert, was er als Sturkopf natürlich nicht mal in Erwägung gezogen hat.

Doch dem Siemens-Chef nützt alle Diskussion­s- und Integratio­nswilligke­it nichts. Luisa Neubauer kritisiert unverdross­en das Festhalten Kaesers an der Entscheidu­ng, Signalanla­gen für eine Bahn zu liefern, die Kohle aus einem Abbaugebie­t in Australien zu einem Hafen bringt. Die Fridaysfor-Future-Bewegung teilte dazu mit: „Die Entscheidu­ng macht die Bestrebung­en von Kaeser, den Siemens-Konzern zukunftsge­richtet wirken zu lassen, vollständi­g zunichte.“Mit dem „Ja“zum katastroph­alsten Kohleminen-Projekt der Welt trete er die nachhaltig­en Bestrebung­en seines Unternehme­ns in die Tonne. Nun folgt ein Satz, der dem Manager sicher wehtut, hält er sich doch zugute, seine Entscheidu­ngen auch an moralische­n Kriterien zu orientiere­n. Die Umwelt-Aktivisten ermahnen ihn aber: „In Zeiten der Klimakrise müssen gerade auch Konzerne Wort halten und ihre Verspreche­n zum Klimaschut­z einhalten.“Dazu gehöre eben auch, sich nicht am Bau eines Wahnsinns-Projekts zu beteiligen, das im Alleingang das weltweite 1,5-Grad-Ziel gefährde. Nun werden Fridays-for-Future-Anhänger die Siemens-Hauptversa­mmlung am 5. Februar zu Protesten nutzen. Mitglieder der OrganisaNe­ubauer tion haben ein Gespür dafür, wie sich Themen am besten öffentlich­keitswirks­am spielen und die Sympathiew­erte der eigenen Organisati­on erhöhen lassen. Auch das haben sie dem umweltbewe­gten Teil ihrer Elterngene­ration zumindest in den 80er Jahren voraus.

Folglich suchten sich die KlimaJunga­ktivisten bewusst das Australien-Geschäft aus, auch wenn es mit rund 18 Millionen Euro ein für Siemens vergleichb­ar kleines Volumen besitzt. Doch selbst als Unterliefe­rant eines Kohleabbau-Programms lässt sich der Konzern leicht attackiere­n. Schließlic­h geht es um ein Land, das mit seinen apokalypti­sch wirkenden Bränden zu einem Symbol der Klimakatas­trophe geworden ist. Da sammelt Kaeser, der sich für Vertragstr­eue statt Vertragsbr­uch entschiede­n hat, also an der Lieferung der Signalanla­gen festhält, kaum Pluspunkte.

Noch kann der Manager froh sein, wenn die Klimaschüt­zer nicht weitere problemati­sche Projekte ausmachen, bei denen sie Siemens in die Umwelt-Sünderecke stellen können. Das Unternehme­n verkauft zwar immer mehr Technologi­e, mit der sich der CO2-Ausstoß bei der Energieerz­eugung verringern lässt, doch nach wie vor bietet es Turbinen für Kohlekraft­werke an. Eine derartige Anlage entsteht im chinesisch­en Pingshan – und das auch mit Siemens-Technik, wie ein Firmenspre­cher einräumt.

Man darf gespannt sein, wann Luisa Neubauer auch in dieser CO2-Wunde zu bohren beginnt.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner, Soeren Stache/dpa ?? Joe Kaeser diskutiert gerne, ob mit Journalist­en oder zuletzt Klimaschüt­zern wie Luisa Neubauer. Dabei versucht er mit sachlichen Argumenten zu punkten, was ihm zuletzt aber bei einem umstritten­en Projekt, an dem Siemens beteiligt ist, nicht so recht gelang.
Fotos: Ulrich Wagner, Soeren Stache/dpa Joe Kaeser diskutiert gerne, ob mit Journalist­en oder zuletzt Klimaschüt­zern wie Luisa Neubauer. Dabei versucht er mit sachlichen Argumenten zu punkten, was ihm zuletzt aber bei einem umstritten­en Projekt, an dem Siemens beteiligt ist, nicht so recht gelang.
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