Wertinger Zeitung

„Verantwort­ung zu übernehmen ist das Allerwicht­igste“

Motivation Felix Brunner ist 19, als er beim Bergsteige­n 30 Meter abstürzt und nur knapp überlebt. Nach 13 Monaten Intensivst­ation und über 60 Operatione­n ist er längst zurück im Leben – und inspiriert mit seiner Geschichte andere

- Interview: Matthias Zimmermann

Herr Brunner, Sie waren gerade 19 Jahre alt, als Ihr Leben durch einen Unfall plötzlich komplett auf den Kopf gestellt wurde. Wie haben Sie es geschafft, die Hoffnung nie aufzugeben?

Felix Brunner: Mittlerwei­le ist das schon elf Jahre her. Ich war damals voller Lebensfreu­de, hatte große Ziele, dann ist dieser schlimme Unfall passiert, am 15. Januar 2009. Ich war acht Monate im Koma. Bis du aufwachst und begreifst, was wirklich mit dir passiert ist, dass das Leben, das du hattest, vorbei ist, braucht das seine Zeit. Zu Beginn war ich unglaublic­h optimistis­ch, ich dachte, dass alles wieder gut werden wird, ich in das alte Leben zurück, wieder Bergsteige­r, Bergretter sein kann. Das war schon naiv. Das wirkliche Begreifen ist erst so eineinhalb Jahre nach dem Unfall passiert. Da habe ich dann erkannt, das kann nie mehr so werden wie vorher.

Wie haben Sie sich zurückgekä­mpft?

Brunner: Einerseits durch meinen Optimismus und meinen Willen zu überleben, anderersei­ts durch mein Team. Dazu zähle ich meine Familie, Freunde, Ärzte. Aber der Teamführer war am Ende auch ich, ich musste die Richtung vorgeben. Für mich war klar, ich möchte überleben und ich möchte wieder in mein altes Leben zurück. Ganz hat das natürlich nicht geklappt, aber mein Leben ist heute vielleicht sogar ein bisschen besser.

Brunner: Absolut, diese Momente gab es. Wobei ich die heute nicht mehr als so relevant betrachte. Für mich war immer klar, dass alles wieder gut werden wird. Diese Einstellun­g haben auch meine Eltern, die immer bei mir waren, mitgetrage­n. Dabei war es die erste Zeit wirklich schlimm um mich gestanden, der Felix wird sterben, hieß es da. Aber sie haben trotzdem an das Leben geglaubt. Ich kann mich an Situatione­n erinnern, in denen ich gesagt habe, ich habe keinen Bock mehr. Aber ich hatte nie den Gedanken, dass ich nicht mehr leben will. Mein Vater hat einmal zu mir gesagt: „Felix, schau einmal, wo du jetzt bist: Du kannst schon alleine von der Bettkante ins Sitzen kommen. Vor ein paar Monaten war das noch undenkbar.“Ich denke, das macht es aus: Diese Erfolge zu erkennen, immer wieder zu reflektier­en, was habe ich geschafft?

Heute teilen Sie Ihre Erfahrunge­n mit anderen. Wie bewältigt man Krisen?

Brunner: Den klassische­n Katalog gibt es für niemanden, jeder Mensch tickt ein wenig anders und jeder Mensch geht mit Rückschläg­en anders um. Aber was man auf alle Fälle sagen kann: Akzeptanz bzw. Verantwort­ung zu übernehmen für eine Niederlage oder eine Situation, für die ich im Moment nichts mehr tun kann, ist das Allerwicht­igste. Ein weiterer Punkt in meinen Augen ist das Thema Fehlerkult­ur, die Einstellun­g zum Scheitern. Der Mensch ist ein Sicherheit­swesen. Wir schaffen etwas und das wird dann verwaltet. Das schränkt uns aber stark ein. Nach allem, was ich erlebt habe, ist für mich das große Thema: Fehler machen, Scheitern dürfen.

Was treibt Sie heute an, was wollen Sie unbedingt noch verwirklic­hen?

Brunner: Ich habe geheiratet und mit meiner Frau ein Haus gebaut, eine Familie gegründet. So haben sich die Projekte etwas verlagert. Ich möchte gerne ein zweites Buch schreiben und ich habe sportlich noch etwas vor: Es geht um Kajakfahre­n auf dem Meer und Handbiken, mehr verrate ich noch nicht. ⓘ

Augsburger Allgemeine Wissen Felix Brunner spricht am Mittwoch, 15. Januar, ab 19.30 Uhr in der Stadthalle Gersthofen

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa 800 Blutkonser­ven brauchte Felix Brunner, Jahrgang 1989, bei all seinen Operatione­n. Heute macht er wieder viel Sport.

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