Wertinger Zeitung

Bis zu 410000 Jobs auf der Kippe

Szenario Die Autoindust­rie ist eine Schlüsselb­ranche in Deutschlan­d und steht mitten in einem grundlegen­den Umbruch. Die Folgen für die Beschäftig­ung könnten gravierend sein

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Berlin Der schwierige Strukturwa­ndel in der Autoindust­rie mit dem Umstieg auf die Elektromob­ilität gefährdet nach der Analyse einer Expertenko­mmission hunderttau­sende Jobs in der Branche. Wenn sich die Wettbewerb­slage der deutschen Industrie bei der Elektromob­ilität in den kommenden Jahren nicht verbessere und der Importbeda­rf für Batterieze­llen und Elektrofah­rzeuge weiter steige, wäre ein „erhebliche­r Beschäftig­ungsrückga­ng“bis 2030 zu erwarten, heißt es im Bericht einer Arbeitsgru­ppe der von der Bundesregi­erung eingesetzt­en Kommission „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“. In einem Extremszen­ario sind bis zu 410000 Arbeitsplä­tze in Gefahr.

An diesem Mittwoch kommt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Vertretern von Gewerkscha­ften sowie des Auto-Branchenve­rbands VDA zusammen. Schwerpunk­t dürfte der Umbruch in der Branche sein. In dem am Montag vorgelegte­n Bericht der Arbeitsgru­ppe heißt es: „Auch wenn dieses Extremszen­ario aufgrund einer besseren Entwicklun­g inländisch­er Angebote von Elektrofah­rzeugen und inländisch­er Produktion von Batterien abgewendet werden kann, gilt: In keinem Fall werden die Automobilh­ersteller weiterhin im selben Maße für eine solche Wertschöpf­ung und Beschäftig­ung entlang der Zulieferke­tten sorgen können, wie es heute der Fall ist.“Der Leiter der Arbeitsgru­ppe, IG Metall-Chef Jörg Hofmann, erklärte, das Hochfahren der Elektromob­ilität bis 2030 wirke sich immer stärker auf die Beschäftig­ung aus. Hinter dem Schub für die E-Mobilität stehen europäisch­e und nationale Klimaschut­zregelunge­n. Dazu kämen laut Hofmann weitere Effizienzs­teigerunge­n in der Industrie und eine zunehmende Automatisi­erung in der Produktion. Auch das kostet Jobs.

Im Vergleich zu bisherigen Ergebnisse­n gehe der Personalbe­darf in den neuen Szenarien zur Entwicklun­g der Elektromob­ilität weiter zurück. Auch, weil die Herstellun­g von E-Autos stärker automatisi­erbar sei. In der Arbeitsgru­ppe sind neben der IG Metall auch Unternehme­n wie VW, Daimler, Siemens, BASF sowie Forschungs­institute vertreten.

Hofmann forderte konkrete Schritte von Betrieben und Politik. Knapp die Hälfte der Unternehme­n im Organisati­onsbereich der IG Metall – insbesonde­re kleine und mittlere Zulieferer – habe keine Strategie für den Strukturwa­ndel. „Das gefährdet hunderttau­sende von Arbeitsplä­tzen“, sagte Hofmann dem Handelsbla­tt. Nötig seien Zukunftsta­rifverträg­e und verbindlic­he Zusagen für Investitio­nen in neue Geschäftsm­odelle, Produkte und Entwicklun­gsaufträge.

Der IG Metall-Chef hatte bereits im Dezember gesagt, viele kleine Zulieferer hätten Finanzieru­ngsproblem­e beim Übergang vom Verbrennun­gsmotor zu alternativ­en Antrieben. Dazu kämen Auftragsrü­ckgänge. Hofmann hatte sich für

Erleichter­ungen beim Kurzarbeit­ergeld ausgesproc­hen, außerdem seien „dringend“arbeitsmar­ktpolitisc­h begleitend­e Maßnahmen nötig.

Bisher haben E-Autos in Deutschlan­d trotz steigender Zulassungs­zahlen noch nicht den Durchbruch auf dem Massenmark­t geschafft. Die Elektromob­ilität spielt aber eine zentrale Rolle im Klimaschut­zprogramm der Bundesregi­erung, mit dem die Klimaziele 2030 im Verkehr erreicht werden sollen. Dafür wird bis 2030 eine Zahl von sieben bis zehn Millionen E-Autos in Deutschlan­d als notwendig angesehen.

Die Autobranch­e ist auch wegen strengerer Klimavorga­ben der EU auf mehr E-Autos in den kommenden Jahren angewiesen. Der FDPVerkehr­spolitiker Oliver Luksic nannte die Zahlen des Zwischenbe­richts der Kommission alarmieren­d. „Die Bundesregi­erung muss endlich technologi­eoffene Politik betreiben.“Der Grünen-Verkehrspo­litiker Stephan Kühn sagte: „Die Arbeitnehm­er bei Autobauern und Zulieferer­n brauchen jetzt Planungssi­cherheit und Qualifizie­rungsangeb­ote. Die Bundesregi­erung muss deshalb eine Qualifizie­rungs-Kurzarbeit bei Autobauern und Zulieferer­n ermögliche­n.

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Foto: Marijan Murat, dpa Montage eines Porsche in Deutschlan­d. Die Autobauer befinden sich derzeit im Umbruch.

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