Schüler sollen mehr fürs Leben lernen
Bildung Der Freistaat will Kindern im Unterricht mehr Alltagskompetenzen wie den Umgang mit Geld oder Lebensmitteln beibringen. Doch der Weg dorthin ist umstritten
München Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) will Schüler in Bayern fit für den Alltag machen: Unter dem Titel „Schule fürs Leben“soll sowohl in der Grundschule als auch in allen weiterführenden Schulen ab dem kommenden Schuljahr jeweils einmal eine fünftägige Projektwoche zum Themenkomplex „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“mit den fünf Bereichen Ernährung, Gesundheit, Verbraucherverhalten, Umwelt und Haushaltsführung stattfinden.
Konkret sollen Schüler etwa auf einem Bauernhof die Produktion von Lebensmitteln erleben, mit Experten über gesunde Ernährung diskutieren oder sich über den Umgang mit Geld Gedanken machen. „Man kann auch zusammen einen Einkauf machen, über die Kosten von Handy-Verträgen reden oder über die Organisation eines privaten Haushalts“, erklärte Piazolo. Wichsei ihm vor allem, dass die Schüler außerhalb der Schule Erfahrungen sammeln und externe Experten beteiligt werden: „Wenn wir über Alltag reden, dann müssen wir auch in den Alltag hinausgehen“, findet der Schulminister, der dafür rund fünf Millionen Euro im Jahr ausgeben will.
Das Konzept fußt auf einer Initiative der Landfrauen in Bayern, die bereits 2013 mit mehr als 94 000 Unterschriften Schulunterricht zu Themen wie Erzeugung von Lebensmitteln, gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensführung eingefordert hatten. Im Zuge der Umsetzung des Bienen-Volksbegehrens hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dann im vergangenen Frühjahr zunächst sogar die Einführung eines eigenen Schulfachs „Alltagskompetenz“angekündigt. Nach langen Diskussionen habe sich die Staatsregierung jedoch entschlossen, kein Schulfach zu etablieren, sondern auf flexible Projekte zu setzen, erklärte Piazolo. „Spannende Projektwochen bleiben oft besser im Gedächtnis als Regelunterricht“, hofft der Schulminister: Es handle sich zudem um ein Konzept, „das man vom Umfang her nicht gering schätzen sollte“.
„Wer ein neues Schulfach will, der hat die personelle Situation an Bayerns Schulen nicht verstanden“, warnt Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband: Oft sei dort bereits der Regelunterricht kaum noch zu stemmen. Mit den nun angekündigten Projektwochen könnten die Schulen jedoch leben, denn es verpflichte nur auf etwas, was dort bereits freiwillig passiere: „Wir greifen aktuelle Themen in den Schulen ohnehin längst auf.“
Durch das neue Konzept hätten die Schüler „in Zukunft mehr Möglichkeiten, sich adäquat auf ihr spätig teres Leben vorzubereiten“, sagte Bayerns Schülersprecher Joshua Grasmüller. Und Landesbäuerin Anneliese Göller sprach gar von einem „Meilenstein, mit dem wir Erfahrungen sammeln können“. Die Schüler profitierten zudem sehr von Lerninhalten, „die Bezug zum eigenen Leben haben und durch Profis in ihrem Fachbereich praxisnah vermittelt werden“, glaubt Göller. Eine Aufstockung auf den Umfang eines vollwertigen Schulfachs bleibe deshalb „jederzeit möglich“.
Kritik an Piazolos Konzept kam von der SPD: Eine Woche „CrashKurs“reiche nicht, um fehlende Grundkenntnisse der Schüler über Ernährung, Haushaltsführung oder den Umgang mit Geld auszugleichen, kritisierte die Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr. Solche Inhalte müssten vielmehr „dauerhaft und fächerübergreifend behandelt werden“. Dafür sei aber zusätzliches Personal nötig, betonte die Bildungsexpertin aus Stadtbergen (Kreis Augsburg).
Debatte über eigenes Schulfach