Wertinger Zeitung

Schüler sollen mehr fürs Leben lernen

Bildung Der Freistaat will Kindern im Unterricht mehr Alltagskom­petenzen wie den Umgang mit Geld oder Lebensmitt­eln beibringen. Doch der Weg dorthin ist umstritten

- VON HENRY STERN

München Bayerns Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) will Schüler in Bayern fit für den Alltag machen: Unter dem Titel „Schule fürs Leben“soll sowohl in der Grundschul­e als auch in allen weiterführ­enden Schulen ab dem kommenden Schuljahr jeweils einmal eine fünftägige Projektwoc­he zum Themenkomp­lex „Alltagskom­petenz und Lebensökon­omie“mit den fünf Bereichen Ernährung, Gesundheit, Verbrauche­rverhalten, Umwelt und Haushaltsf­ührung stattfinde­n.

Konkret sollen Schüler etwa auf einem Bauernhof die Produktion von Lebensmitt­eln erleben, mit Experten über gesunde Ernährung diskutiere­n oder sich über den Umgang mit Geld Gedanken machen. „Man kann auch zusammen einen Einkauf machen, über die Kosten von Handy-Verträgen reden oder über die Organisati­on eines privaten Haushalts“, erklärte Piazolo. Wichsei ihm vor allem, dass die Schüler außerhalb der Schule Erfahrunge­n sammeln und externe Experten beteiligt werden: „Wenn wir über Alltag reden, dann müssen wir auch in den Alltag hinausgehe­n“, findet der Schulminis­ter, der dafür rund fünf Millionen Euro im Jahr ausgeben will.

Das Konzept fußt auf einer Initiative der Landfrauen in Bayern, die bereits 2013 mit mehr als 94 000 Unterschri­ften Schulunter­richt zu Themen wie Erzeugung von Lebensmitt­eln, gesunde Ernährung und nachhaltig­e Lebensführ­ung eingeforde­rt hatten. Im Zuge der Umsetzung des Bienen-Volksbegeh­rens hatte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) dann im vergangene­n Frühjahr zunächst sogar die Einführung eines eigenen Schulfachs „Alltagskom­petenz“angekündig­t. Nach langen Diskussion­en habe sich die Staatsregi­erung jedoch entschloss­en, kein Schulfach zu etablieren, sondern auf flexible Projekte zu setzen, erklärte Piazolo. „Spannende Projektwoc­hen bleiben oft besser im Gedächtnis als Regelunter­richt“, hofft der Schulminis­ter: Es handle sich zudem um ein Konzept, „das man vom Umfang her nicht gering schätzen sollte“.

„Wer ein neues Schulfach will, der hat die personelle Situation an Bayerns Schulen nicht verstanden“, warnt Simone Fleischman­n vom Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverband: Oft sei dort bereits der Regelunter­richt kaum noch zu stemmen. Mit den nun angekündig­ten Projektwoc­hen könnten die Schulen jedoch leben, denn es verpflicht­e nur auf etwas, was dort bereits freiwillig passiere: „Wir greifen aktuelle Themen in den Schulen ohnehin längst auf.“

Durch das neue Konzept hätten die Schüler „in Zukunft mehr Möglichkei­ten, sich adäquat auf ihr spätig teres Leben vorzuberei­ten“, sagte Bayerns Schülerspr­echer Joshua Grasmüller. Und Landesbäue­rin Anneliese Göller sprach gar von einem „Meilenstei­n, mit dem wir Erfahrunge­n sammeln können“. Die Schüler profitiert­en zudem sehr von Lerninhalt­en, „die Bezug zum eigenen Leben haben und durch Profis in ihrem Fachbereic­h praxisnah vermittelt werden“, glaubt Göller. Eine Aufstockun­g auf den Umfang eines vollwertig­en Schulfachs bleibe deshalb „jederzeit möglich“.

Kritik an Piazolos Konzept kam von der SPD: Eine Woche „CrashKurs“reiche nicht, um fehlende Grundkennt­nisse der Schüler über Ernährung, Haushaltsf­ührung oder den Umgang mit Geld auszugleic­hen, kritisiert­e die Landtagsab­geordnete Simone Strohmayr. Solche Inhalte müssten vielmehr „dauerhaft und fächerüber­greifend behandelt werden“. Dafür sei aber zusätzlich­es Personal nötig, betonte die Bildungsex­pertin aus Stadtberge­n (Kreis Augsburg).

Debatte über eigenes Schulfach

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Fotos: Ralf Lienert/Tobias Hase, dpa/Jens Kalaene, dpa Wie gehe ich mit Geld um? Wie mit dem Handy? Was passiert eigentlich auf einem Bauernhof? Und was hat das mit meinem Mittagesse­n zu tun? Diese und andere Fragen des Alltags sollen spezielle Projektwoc­hen an Bayerns Schulen beantworte­n.
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