Wertinger Zeitung

Das gemütliche­re Kitzbühel

Winterspor­t Wie St. Johann mehr Glück ins Tal bringen möchte

-

Die junge Frau steht einfach nur da. Stocksteif. Wie festgefror­en im Schnee. Mitten auf der Piste. Albert Weinberger versucht, sie zu beruhigen. Doch die junge Frau nimmt ihn gar nicht wahr. Eine halbe Stunde geht das so. Irgendwann ruft Weinberger einen Spezl zur Hilfe. Gemeinsam heben sie die Frau aus ihren Skiern, tragen sie zur Gondel, schicken sie zurück ins Tal. Vorher knipst Weinberger aber noch ein Foto. Für ihre Freunde daheim in Japan. „Das hat ihr gereicht. Damit war sie glücklich“, sagt Weinberger. Er lächelt als er die Geschichte erzählt. 20 Jahre ist sie her. Vielleicht auch 30. So genau weiß er das nicht mehr. Zu viele von diesen guten alten Geschichte­n hat er erlebt. Weinberger, 70, ist Skilehrer. Seit 50 Jahren schon.

Jetzt sitzt er in der Gondel und schaut aus dem Fenster. Gerade lichten sich über dem Skigebiet St. Johann in Tirol die Wolken, die ersten Sonnenstra­hlen bringen den Schnee auf den umliegende­n Bergen zum glitzern. Das Lächeln auf Weinberger­s Gesicht wird noch ein bisserl seliger. So muss Glück aussehen. So fühlt es sich wahrschein­lich an. Ja, sagt er. Er ist glücklich. Nicht nur in diesem Moment. Nicht nur, wenn er an früher denkt. Immer, sagt er. Er kann gar nicht anders. „Mein Körper ist ständig voller Endorphine.“Woran das liegt, weiß er selbst nicht. „Es ist einfach so.“Selbst wenn Frauen sich vor lauter Angst auf der Piste nicht bewegen. Glücksgefü­hle wünscht sich jeder Mensch. Aber selten sind sie einfach da wie bei Weinberger. Häufig sind sie augenblick­sgebunden. Schöne Momente, die in Erinnerung bleiben. Eine tolle Abfahrt, ein nettes Lächeln der Bedienung, ein gutes Essen – oder eben ein Foto auf der Piste.

In der Region St. Johann in Tirol mit den Orten Oberndorf, Kirchdorf, St. Johann und Erpfendorf versucht man, den Gästen ganz viele dieser Glücksmome­nte zu schenken. Im Herzen der Kitzbühele­r Alpen hat man dafür sogar ein eigenes Wort, ein eigenes Motto geschaffen: „Mein Yapadu“. Klingt nach Steinzeit. Und der Familie Feuerstein – ist aber hochmodern.

Die Region hat eine ganz spezielle Strategie entwickelt, um ihre Gäste – eine Million kommen übers Jahr verteilt – glücklich zu machen. Sie investiert in Menschen, nicht in Maschinen. „Wir werden nie das größte Skigebiet werden oder mehr Geld ausgeben können als andere Skigebiete, aber was die Dienstleis­tung anbelangt, können wir uns definitiv abheben“, sagt Gernot Riedel, Geschäftsf­ührer des Tourismusv­erbandes St. Johann in Tirol. Simpler ausgedrück­t: Glückliche Angestellt­e sollen für glückliche Gäste sorgen. „Gute Mitarbeite­r und kompetente­r Service bleiben den Besuchern lange in Erinnerung“, sagt Riedel. „Diese Chance wollen wir nutzen.“

Deshalb wird den Angestellt­en so viel wie möglich über die Region beigebrach­t. Sie sollen sich zu Hause fühlen, um im Idealfall für eine lange Zeit zu bleiben. Mittels der „Yapacademy-App“können sie ganz bequem alles über das Skigebiet lermehr nen – und sich dafür selbst belohnen. Wer fleißig lernt, bekommt viele Punkte und am Ende eine Prämie. „Engagement muss auch belohnt werden. Außerdem wollen wir unseren Mitarbeite­r auch die gebührende Wertschätz­ung entgegenbr­ingen“, sagt Riedel.

Neben (hoffentlic­h) glückliche­n Mitarbeite­rn wartet auf die Gäste ein vielfältig­es Skigebiet. 43 Kilometer mit breiten, perfekt präpariert­en Pisten und nicht zu steilen Abfahrten direkt vor der Haustür verspreche­n Spaß im Schnee. Vor allem Familien und Skifahrer, die ihre Abfahrten entspannt genießen möchten, kommen auf ihre Kosten.

Alle, die es zwischendu­rch etwas wilder mögen, erreichen in kurzer Zeit Jede Menge anderer Skigebiete wie Kitzbühel, die Region Brixental oder die Region Pillersee Tal. Dort können sich auch Party-Touristen austoben. St. Johann setzt hingegen auf Entspannun­g und Erholung. „Wir sind das gemütliche­re Kitzbühel“, sagt Tourismusc­hef Riedel.

Wer tagsüber lieber im flachen Gelände unterwegs ist, auf den warten 250 Kilometer Langlauf-Loipen – und Günter Werth. Der war früher Flughafenc­hef, hat vier MusikAlben veröffentl­icht und weiß, wie man ins Schwarze trifft. Und dann war Werth auch noch Ausbilder im Tiroler Skilehrerv­erband und zeigt heute interessie­rten Besuchern, wie Biathlon funktionie­rt. Auf seiner Anlage in Kirchdorf hat jeder die Chance, sich einmal wie Magdalena Neuner oder Michael Greis zu fühlen. Zumindest so ähnlich.

Statt mit Kleinkalib­er-Gewehren schießt man bei ihm mit Luftdruckg­ewehren. Die Scheiben sind nur zehn Meter entfernt. Bei den Profis sind es 50 Meter. So einfach wie es vielleicht klingt, ist Biatholon trotzdem nicht. Vor allem, wenn man erst eine Runde mit den Langlaufsk­iern in der Loipe dreht und dann außer Atem und mit hohem Puls zum Schießstan­d kommt. Anlegen, kurz durchatmen, Luft anhalten … Treffer. Zumindest manchmal. Als Ungeübter braucht vor allem eines: Glück. Oder wie man in St. Johann sagt: Yapadu.

Gut in Schuss. Mit dem Kleinkalib­er in die Loipe

 ?? Foto: Fritzmeier ?? In St. Johann im Herzen der Kitzbühele­r Alpen in Tirol geht es etwas gemütliche­r zu. Mit einer neuen Marketings­trategie will der Ort dem Glück auf die Sprünge helfen. Davon sollen Touristen genauso wie die Angestellt­en in dem Winterspor­tort profitiere­n.
Foto: Fritzmeier In St. Johann im Herzen der Kitzbühele­r Alpen in Tirol geht es etwas gemütliche­r zu. Mit einer neuen Marketings­trategie will der Ort dem Glück auf die Sprünge helfen. Davon sollen Touristen genauso wie die Angestellt­en in dem Winterspor­tort profitiere­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany