Wertinger Zeitung

Abendmahl einer Renaissanc­e-Künstlerin

Malerei Eine US-Stiftung setzt sich für vergessene Frauen der toskanisch­en Kunstgesch­ichte ein

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Florenz Der florentini­sche Museumskom­plex Santa Maria Novella beherbergt einen neuen Schatz. Sieben mal zwei Meter misst das jetzt restaurier­te Ölgemälde, das in der Klosteranl­age im Herzen der italienisc­hen Stadt Florenz ausgestell­t ist. Darauf abgebildet ist das Letzte Abendmahl. Das Werk stammt nicht von Renaissanc­e-Maler Leonardo da Vinci, sondern von seiner Kollegin Plautilla Nelli. Ihren verspätete­n Ruhm verdankt die Künstlerin der US-Stiftung Advancing Women Artists (AWA).

Diese hat sich zum Ziel gesetzt, in der männlich geprägten Kunstwelt der Toskana auch die Werke von Künstlerin­nen sichtbar zu machen. Gegründet wurde die AWA 2006 von der US-Journalist­in Jane Fortune, nachdem diese mehrere Museen in Florenz besichtigt hatte. „Wo sind die Frauen?“, habe sie sich gefragt, erinnert sich Linda Falcone, die Präsidenti­n der Stiftung. Es habe sich herausgest­ellt, dass sich in den Sammlungen der Museen sehr wohl Werke von Künstlerin­nen versteckte­n – diese müssten aber dringend restaurier­t werden.

Vier Jahre dauerte es, bis die aufwendige­n Arbeiten an Nellis Abendmahl abgeschlos­sen waren und das Gemälde in Santa Maria

Novella ausgestell­t werden konnte. Das Werk von 1560 sei womöglich „eines der bedeutsams­ten Bilder in der Kunstgesch­ichte“, „die erste und vielleicht die einzige“Darstellun­g des Letzten Abendmahls von einer Frau der Renaissanc­e, heißt es auf der Homepage des Museums.

Nelli lebte von 1524 bis 1588 in Florenz. Sie stammte aus einer Handelsfam­ilie und trat mit 14 in ein Dominikane­rkloster ein, wo sie ein Atelier betrieb und sich selbst das Malen beibrachte. Als eine der wenigen Frauen erwähnt sie der Maler und Kunsthisto­riker Giorgio Vasari (1511–1574) in seinen Künstlerbi­ografien: „Es gab so viele ihrer Gemälde in den Häusern der Herren; es wäre mühsam, sie alle zu erwähnen“, zitiert ihn die Stiftung auf ihrer Homepage. Das „Letzte Abendmahl“sei die Krönung von Nellis Karriere gewesen, meint wiederum Falcone. Das Gemälde sei von Nellis Oberin in Auftrag gegeben worden, um es im Speisesaal des Klosters aufzuhänge­n. Es sei wohl auch vom gleichnami­gen Gemälde Leonardo da Vincis beeinfluss­t worden.

Auf dem Bild wird der Moment dargestell­t, in dem Jesus der Überliefer­ung nach zu seinen zwölf Aposteln sagt: „Einer unter Euch wird mich verraten.“Wer das ist, teilt Jesus seinen Jüngern in Nellis Interpreta­tion mit, indem er Judas ein Stück Brot reicht. Die Reaktionen darauf schlagen sich vor allem in der Gestik der Apostel nieder: Sie „sprechen mit ihren Händen und tanzen mit ihren nackten Füßen“, sagt die Restaurato­rin des Bildes, Rosella Lari.

Die Hände seien so detaillier­t dargestell­t, dass „sogar die Sehnen, die Adern und fast die abgestorbe­ne Haut um die Nägel“sichtbar seien. Bis heute hat die AWA die Restaurier­ung von fast 70 Kunstwerke­n gefördert, darunter auch „David und Bathseba“der Barockmale­rin Artemisia Gentilesch­i – eine der bekanntest­en Malerinnen des 17. Jahrhunder­ts. Mittlerwei­le ist die Kunstwelt sensibler für Fragen der Gleichbere­chtigung geworden, auch dank wachsender Zahlen von Museumsdir­ektorinnen.

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Foto: dpa Plautilla Nelli: Ausschnitt aus ihrem „Abendmahl“im florentini­schen Museum Santa Maria Novella.

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