Wertinger Zeitung

Geldversch­wendung vor dem Kohleausst­ieg

Umwelt Bund, Länder und Energiever­sorger feilschen um Milliarden für die vorzeitige Abschaltun­g von Braun- und Steinkohle­kraftwerke­n. Dabei steht auch Ost- gegen Westdeutsc­hland. Günstigere Lösungen hat die Regierung verpasst

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Beim Kohleausst­ieg kämpfen 30 Jahre nach der Wiedervere­inigung Ost- und Westdeutsc­hland gegeneinan­der. Es geht um Arbeitsplä­tze, Milliarden und den Klimaschut­z, weshalb hart miteinande­r gerungen wird. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) muss als Schiedsric­hterin einspringe­n, um den Konflikt irgendwie zu entschärfe­n. Sie bestellte für Mittwochab­end die Ministerpr­äsidenten der vier Braunkohle­länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenbur­g und NordrheinW­estfalen ins Kanzleramt. SachsenAnh­alt wähnt sich von NordrheinW­estfalen über den Tisch gezogen und blockiert eine Einigung.

Egal, welche Lösung am Ende gefunden wird, kommt sie die Steuerzahl­er teuer zu stehen. Für die Energieexp­ertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) hat die Bundesregi­erung schon in der Vergangenh­eit den gewichtige­n Fehler gemacht, der heute zu Buche schlägt. Schon vor 15 Jahren hätte sich Deutschlan­d bei den europäisch­en Partnerlän­dern für einen höheren Preis für die Kohlendiox­idZertifik­ate starkmache­n müssen, sagte Kemfert unserer Redaktion. Die Energiever­sorger wie RWE, ENBW, Uniper oder die Lausitzer Leag müssen pro Tonne CO2, die aus den Schornstei­nen ihrer Kraftwerke in die Luft geschickt werden, ein Zertifikat über den europäisch­en Emissionsh­andel kaufen.

Weil der Preis lange Jahre so niedrig war, lohnte sich der Betrieb alter Kraftwerke. „So hat man den teuersten Weg gewählt und sich erpressbar gemacht – und muss nun Entschädig­ungszahlun­gen für Kraftwerke zahlen, die ohnehin kaum noch etwas wert sind“, beklagte die DIW-Forscherin.

Die Stromerzeu­ger bestehen nun auf ihrem Recht, ihre Kraftwerke laufen zu lassen. Sollen sie vorzeitig vom Netz genommen werden, müsse Geld fließen. Hier genau klemmt es. RWE hat sich bereit erklärt, gegen Kompensati­on rasch eigene Braunkohle­kraftwerke im Rheinische­n Revier abzuschalt­en. Dafür soll das Unternehme­n rund zwei Milliarden Euro erhalten, wie in Berlin zu erfahren ist.

Damit bis 2022 genügend Turbinen abgestellt werden, um den Klimaschut­z zu stärken, soll nun auch in Ostdeutsch­land ein Kraftwerk dichtgemac­ht werden. Die Rede ist vom Kraftwerk Schkopau bei Halle. Seinen Brennstoff erhält es aus dem rund 50 Kilometer entfernten Braunkohle­tagebau Profen, der ohne den Abnehmer nicht mehr zu betreiben wäre. Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) will das Aus für den Tagebau verhindern, an dem viele gut bezahlte Stellen hängen. Deshalb soll Schkopau weiterlauf­en. Dafür legt sich Haseloff mit Nordrhein-Westfalen an. Der Grund: Die Hälfte des Kraftwerks gehört dem Energiever­sorger Uniper aus Düsseldorf. Der würde gerne sein neues Steinkohle­kraftwerk Datteln ans Netz anschließe­n. Es wäre das letzte seiner Art, das hierzuland­e in Betrieb geht. Dafür, so beklagt Haseloff, soll Schkopau geopfert werden.

Datteln hat Uniper bisher 1,5 Milliarden Euro gekostet. Für die Entschädig­ung, dass Datteln niemals angeworfen wird, reicht das Geld nicht. Denn mit den zwei Milliarden für RWE ist der Topf bereits ausgeschöp­ft. Das Feilschen geht nicht mehr auf. Neben Kemfert beklagt auch der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Unionsfrak­tion die Verschwend­ung von Geld. „Durch den europäisch­en Emissionsh­andel wäre der Ausstieg automatisc­h, marktgetri­eben und ohne den Einsatz von Steuermitt­eln, erfolgt“, sagte Joachim Pfeiffer (CDU) unserer Redaktion. Die Abschaltun­g von Kraftwerke­n müsse volkswirts­chaftlich sinnvoll erfolgen.

Am Krach um Kraftwerke hängt ein noch viel größerer Batzen Geld. Über 20 Jahre sollen die vier Kohlelände­r insgesamt 40 Milliarden Euro von der Bundesregi­erung bekommen, um für Ersatzarbe­itsplätze in den Revieren zu sorgen. Claudia Kemfert befürchtet, dass ähnlich wie im Ruhrgebiet viel Geld ohne Effekt versickert. „Milliarden mit der Gießkanne zu verteilen, ist rausgeschm­issenes Geld“, warnte sie. Fördermitt­el sollte es nur für einzelne Projekte geben, die zukunftstr­ächtige Stellen verspreche­n.

 ?? Foto: Federico Gambarini, dpa ?? Im Jahr 2038 soll das letzte Kohlekraft­werk in Deutschlan­d vom Netz gehen. Betroffen wäre auch diese Anlage im rheinische­n Niederauße­m. Betroffene Betreiber und Länder erwarten dafür Milliarden­entschädig­ungen.
Foto: Federico Gambarini, dpa Im Jahr 2038 soll das letzte Kohlekraft­werk in Deutschlan­d vom Netz gehen. Betroffen wäre auch diese Anlage im rheinische­n Niederauße­m. Betroffene Betreiber und Länder erwarten dafür Milliarden­entschädig­ungen.

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