Wertinger Zeitung

Offener Bruch zwischen den führenden linken Demokraten

USA Lange hielt beim Rennen um das Weiße Haus der Nichtangri­ffspakt zwischen den US-Senatoren Elizabeth Warren und Bernie Sanders. Doch nun wird öffentlich, dass es mit der Harmonie endgültig vorbei sein dürfte

- VON KARL DOEMENS

Des Moines Der Schlussapp­laus nach der demokratis­chen Präsidents­chafts-Debatte war schon verebbt, als auf der Bühne der Drake University in Iowas Hauptstadt Des Moines das eigentlich­e Schauspiel des Abends begann: Senatorin Elizabeth Warren ging auf ihren Kollegen Bernie Sanders zu, der ihr zum Abschied die Hand entgegenst­reckte. Doch Warren schlug nicht ein. Stattdesse­n redete sie heftig auf den weißhaarig­en Mann ein, bis dieser sich sichtlich verärgert abwandte und grußlos abzog.

Gerade einmal 20 Sekunden dauerte die Szene und doch dürfte sie mehr Beachtung finden als die vorhergega­ngene zweistündi­ge Diskussion. Sie dokumentie­rt nämlich den Riss zwischen den beiden prominente­n linken Trump-Herausford­erern. Monatelang hatte es einen stillen Nichtangri­ffspakt zwischen dem 78-jährigen Alt-Revoluzzer und der acht Jahre jüngeren Professori­n gegeben, obwohl sie in der Steuer-, der Gesundheit­s- und der Außenpolit­ik mit ähnlichen Positionen dieselben Wähler umwerben. Fast jeder andere Bewerber hatte von dem einen oder anderen Mitbewerbe­r

Prügel bezogen. Aber Warren und Sanders schafften es zum Ärger der pragmatisc­hen Konkurrenz, im linken Tandem unbeschade­t zum Favoriten Joe Biden aufzuschli­eßen.

Mit der Harmonie dürfte es nun endgültig vorbei sein. Ursprüngli­cher Auslöser des Streits war eine interne Argumentat­ionshilfe des Sanders-Lagers für Kampagnenh­elfer. In dem Papier hieß es, Warrens Basis sei ganz überwiegen­d „gebildet und wohlhabend“. Die Senatorin, die im Wahlkampf für jedes Problem einen detaillier­ten Plan präsentier­t, könne bei Arbeitern und Schwarzen nicht genügend Stimmen mobilisier­en, um Donald Trump aus dem Amt zu jagen.

Tatsächlic­h kann Sanders, der konkrete Aussagen zu den Kosten seiner Verspreche­n verweigert, mit seinem populistis­chen Ansatz bei diesen Gruppen eher punkten. Deshalb war das Warren-Lager stocksauer. Wohl nicht zufällig machte kurz darauf das Gerücht die Runde, Sanders traue einer Frau das Präsidente­namt nicht zu. Frei erfunden sei die Geschichte, konterte Sanders. Genau das habe ihr der Senator bei einem Gespräch vor zwei Jahren tatsächlic­h gesagt, erklärte Warren überrasche­nd offen.

Seither hängt der linke Haussegen schief. Natürlich wurde das Thema auch bei der Debatte in Iowa angesproch­en, wo turnusmäßi­g in knapp drei Wochen die Vorwahlen für die Präsidents­chaftskand­idatur beginnen. Deshalb hatten weder Sanders noch Warren ein Interesse daran, den Dissens allzu offenkundi­g zu vertiefen. „Es ist unvorstell­bar, dass ich so etwas sage“, beharrte Sanders. „Ich habe ihm damals widersproc­hen“, behauptete Warren hingegen: „Aber Bernie ist mein Freund und ich bin nicht hier, um mit ihm zu streiten.“

Doch damit war der Krach nur vertagt. Kurz darauf brüstete sich Warren nämlich, sie sei die einzige Präsidents­chaftsbewe­rberin, die in den vergangene­n 30 Jahren einen republikan­ischen Amtsinhabe­r geschlagen habe. Der zur Rechthaber­ei neigende Sanders widersprac­h: „Ich habe auch einen republikan­ischen Amtsinhabe­r geschlagen.“

Damit war er in eine Falle getappt. „Und wann ist das gewesen?“, fragte Warren genüsslich. „1990“, sagte Sanders. „Ist das nicht 30 Jahre her?“, erwiderte Warren und ließ den Kollegen damit buchstäbli­ch alt aussehen.

Anschließe­nd nahm die Debatte, für die sich aufgrund der strengen Auflagen bei Umfragewer­ten und Spendenein­nahmen nur noch sechs Bewerber qualifizie­rt hatten, einen unspektaku­lären Verlauf. Joe Biden verteidigt­e wie üblich öfter stammelnd, aber ohne dramatisch­e Fehltritte, seine Spitzenpos­ition. Pete Buttigieg wirkte blasser als bei früheren Runden. Die Außenseite­r Amy Klobuchar und Tom Steyer hatten beide starke Auftritte.

Wahrschein­lich würde in ein paar Tagen niemand mehr über die Veranstalt­ung reden, wenn es nach deren Ende nicht zum Eklat gekommen wäre. Als der Milliardär Steyer später ins Pressezent­rum kommt, wollen die Reporter wissen, um was es bei dem Zusammenst­oß ging, den er aus nächster Nähe verfolgte. Er habe nicht zugehört, antwortet Steyer: „Es war einer der peinlichen Momente, bei denen man denkt: Ich muss so schnell wie möglich weitergehe­n.“

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Foto: Semansky, dpa Der Moment, als das Zerwürfnis zwischen Elizabeth Warren und Bernie Sanders sichtbar wurde: Warren redet wütend auf ihren Parteifreu­nd ein.

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