Wertinger Zeitung

2019 war Mist für Deutschlan­d

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Mit übermäßig gutem Willen und krampfhaft­er Mobilisier­ung aller Optimismus­reservoirs könnte man über das Jahr 2019 sagen: So schlimm war es dann doch nicht. Immerhin ist die deutsche Wirtschaft um 0,6 Prozent gewachsen – und hat damit das zehnte Jahr in Folge zugelegt. Bei aller Sympathie für gute Laune ist realistisc­h betrachtet aber unstrittig: 2019 war ein durch und durch lausiges Jahr.

Ex-SPD-Chef Franz Münteferin­g könnte in seiner genialen Verknappun­gssprache sagen: 2019 war Mist. Das gilt, obwohl konsumlust­ige Verbrauche­r und die Zins-Profiteure

der Bauwirtsch­aft insgesamt einen Fall Deutschlan­ds in die Rezession verhindert haben.

Doch für die in der Rezession steckende Industrie war 2019 Mist, weil sie von Quertreibe­rn an der empfindlic­hsten Stelle getroffen wurde: Der Bereich besteht in der extrem hohen internatio­nalen Vernetzung unserer Wirtschaft.

Weil selbst viele Mittelstän­dler weltweit Geschäfte betreiben, ist Deutschlan­d anfälliger als andere Länder für die Zündeleien des Zoll-Trumps und Brexit-Boris. Die beiden notorische­n Störenfrie­de gepflegten Politikbet­riebs füllten eine Mixtur aus Nationalis­mus und Populismus in ihre Giftspritz­en. Damit haben sie Erfolg: Trump setzte China massiv zu, auch wenn er jetzt wahlkampfb­edingt einen Wirtschaft­s-Waffenstil­lstand mit der Supermacht schließt. Der Handelskri­eg mit China machte auch heimischen Exporteure­n das Leben schwerer.

Der Anti-Globalisie­rer Trump hat Deutschlan­d und China zugleich geschädigt. Für ihn war 2019 nicht Mist, sondern great. Seine Erpresser-List ging auf. Auch Boris Johnson setzte sich durch: BrexitUnsi­cherheit weicht nun Brexit-Gewissheit. Unternehme­r wissen immerhin, woran sie sind. Und weil der Handelskri­eg zwischen Amerika und China nicht weiter eskaliert, besteht die Hoffnung, dass 2020 nicht wieder Mist wird.

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