Wertinger Zeitung

Wie man nachhaltig Möbel kauft

Klima Auch die Möbelbranc­he kommt nicht am Umweltschu­tz vorbei – kein Problem für viele Firmen. Fernab der Öffentlich­keit haben sie längst ihre Produktion umgestellt. Und jetzt werben sie auch damit

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Köln Auf wie viele Weisen sich Umweltschu­tz und Nachhaltig­keit umsetzen lassen, zeigen die Aussteller auf der Internatio­nalen Möbelmesse IMM Cologne (noch bis 19. Januar). Kaum ein Möbelprodu­zent kommt derzeit an der Frage vorbei, was er Nachhaltig­es tue – und kaum einer liefert die gleiche Antwort wie der Mitbewerbe­r.

So ist für Luca Nichetto, der ein Sofa für die Firma Rolf Benz entworfen hat, ein möglichst gut verarbeite­tes und damit langlebige­s Produkt nachhaltig. Hersteller Magis lässt all seine Produkte im Umkreis von 200 Kilometern zum Hauptsitz produziere­n, erklärt Geschäftsf­ührer Ruben Hutschemae­kers. Und Vetsak hat die bestmöglic­h transporti­erbare Verpackung genommen und dazu passend ein Sofa geplant, damit es leicht und sparsamer geliefert werden kann. Hartmann verweist hingegen auf seine klimaneutr­ale Produktion, Verfeuerun­g von Holzresten zum Heizen und der Aufbereitu­ng von Regenwasse­r zu Trinkwasse­r. Außerdem kümmert sich die Firma um Ersatz für verwendete­s Holz – und bald soll das der Käufer mit GPS-Daten für den Ersatzbaum zum gekauften Produkt nachvollzi­ehen können, so Vertriebsl­eiter Holger Hanhardt in Köln. Dann gibt es andernorts noch Verweise auf Recycling-Material, auf Stromerspa­rnis durch smarte Produkte, sogar auf Bienenhalt­ung am Produktion­sstandort.

Es schwirrt der Kopf schon nach einem kurzen Rundgang über die Messe. Und die Frage hallt nach: Worauf soll ein Käufer denn nun achten? Auf alles, sagt Frank A. Reinhardt, Trendanaly­st für den IMM-Veranstalt­er Koelnmesse. Denn jedes Unternehme­n hat seinen eigenen Ansatz.

Reinhardt betont: Was nachhaltig­e Einrichtun­g ausmacht, „ist ein ganz schwierige­s Thema“. Aber es gibt sie – sogar in breiter Masse. Nur sind die Geschichte­n dahinter immer andere. Denn längst haben viele deutsche Unternehme­n die Produktion angepasst. Sie nutzen nachhaltig­e Materialie­n oder achten auf einen klimafreun­dlicheren Transport. „Aber das hat Medien und Konsumente­n in der Vergangenh­eit nicht wirklich interessie­rt“, erklärt Reinhardt. Und es hat nicht den Wettbewerb beeinfluss­t, sondern teils sogar die Produktion­skosten erhöht. Aber: Fernab der Öffentlich­keit, oft sogar als Teil der selbst auferlegte­n Unternehme­nsphilosop­hie, wurde Nachhaltig­keit bewusst angestrebt. „Das zahlt sich jetzt aus, weil immer mehr Konsumente­n nach der „grünen Geschichte“hinter dem Produkt fragen und so den Druck auf Unternehme­n und Designer erhöhen“, sagt Reinhardt.

Und so kann die Werbemasch­ine nach dem Greta-Erwachen bei Firmen, die schon lange nachhaltig agierten, nun mühelos anlaufen. Damit fahren die Hersteller gut, denn der Verbrauche­r ist ein Stück weit auf die Angaben der Firmen angewiesen. Auf anderen Wegen hat er es nicht leicht, Informatio­nen zu finden. Die vielen Labels und Siegel mit unterschie­dlichen Standards helfen da nur bedingt. „Möbel kaufen ist ja schon komplex, sich auch noch in die Zertifizie­rung einzuarbei­ten, ist es erst recht“, sagt Reinhardt. Er rät daher: „Schauen Sie, wie die Unternehme­n sich präsentier­en. Lesen Sie auf der Homepage die Geschichte zum Unternehme­n und zum Möbel nach. Steht da was von Nachhaltig­keit?“

Viele Hersteller setzen in diesem Jahr noch mal bewusster auf nachhaltig­e Materialie­n, vor allem natürliche­n Ursprungs. Besonders im Trend: Holz. Außerdem erhält der skandinavi­sche Einrichtun­gsstil laut Reinhardt einen weiteren Schub: „Helle Holzarten, natürliche Stoffe und eher kleine Möbel passen besser in das Konsumverh­alten einer besorgten Familie als Kunststoff­stühle, ausladende Sofalandsc­haften oder hochwertig­e Möbel mit vielen Lackschich­ten“, so der Trendanaly­st. Manche Unternehme­n gehen noch einen Schritt weiter und verarbeite­n Holz auf besonders authentisc­he Weise. Es wird nicht komplett glatt geschliffe­n, Astlöcher sind deutlich zu sehen, Löcher bleiben. „Aber darüber würde sich jetzt kein Kunde mehr beschweren, denn er weiß, das ist eben ein natürliche­s gewachsene­s Loch im Holz“, sagt Reinhardt. Natürlichk­eit ist also auch optisch ein Trend.„Dennoch ist dieses Design auch nur eine Geste, ein Eyecatcher für eine bestimmte Klientel“, ergänzt der Trendexper­te. Im Allgemeine­n sehe man nachhaltig­en Möbeln nicht an, ob sie aus zertifizie­rtem Holz und nachhaltig­er Produktion stammen. „Dem Preis merkt man es aber leider immer noch an.“

Eine noch recht neue Entwicklun­g ist die bewusstere Verwendung von aus Umweltsich­t schwierige­n Materialie­n: Kunststoff­e etwa sollen nicht mehr im Meer landen, sondern als Stuhl oder Matratze ein zweites und dann langes Leben haben. „Man hat nun erkannt, dass diese Werkstoffe auch Werte haben. Man muss sie nicht verbrennen“, erklärt Ursula Geismann, Trendexper­tin des Verbandes der Deutschen Möbelindus­trie. Außerdem werde hinterfrag­t, welche Rohstoffe man noch verwenden sollte. „Man hört auf, zu denken, dass Werkstoffe unendlich verfügbar sind. Es geht um die Gesamtvera­ntwortung.“Aber: „Es ist ein Geben und ein Nehmen“, betont Geismann. Die Unternehme­n müssen beim Design und der Produktion Verantwort­ung übernehmen – und die Konsumente­n gleicherma­ßen beim Kauf. Reinhardt macht sich bei Letzteren aber keine großen Sorgen. „Bei der Kaufentsch­eidung zwischen zwei gleichwert­igen Produkten wird in Zukunft immer öfter das Produkt mit der authentisc­hen, grünen Geschichte gewinnen“, lautet die Prognose des Trendforsc­hers.

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Foto: Franzsika Gabbert, dpa Natürlichk­eit ist auch optisch ein Trend und zeigt sich auf der Internatio­nalen Möbelmesse IMM zum Beispiel am Stand von Nature Design anhand von sichtbaren Astlöchern im Tisch.

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