Wertinger Zeitung

Aiwanger greift rhetorisch zu den Waffen

Disput Bayerns Wirtschaft­sminister kritisiert den Begriff „Klimahyste­rie“, der zum „Unwort des Jahres“gekürt worden ist. Das Echo lässt nicht lange auf sich warten, zumal seine Wortwahl Erinnerung­en weckt

- VON MARKUS BÄR

München Der bayerische Vize-Ministerpr­äsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist dafür bekannt, klare Kante zu zeigen. Als er nun erfuhr, dass das Wort „Klimahyste­rie“zum „Unwort des Jahres“gekürt wurde, ließ der Niederbaye­r seinem Ärger auf Twitter freien Lauf: „Schon interessan­t, wie hier Meinung gemacht wird. Weil die Klimaschut­zbewegung diffamiert würde, wenn man von Klimahyste­rie spricht, ist dieses Wort das Unwort des Jahres. Also soll man keine Kritik mehr üben an Auswüchsen der Klimabeweg­ung?“, fragte der bayerische Wirtschaft­sminister. „Das geht zu weit“, schloss er. Der aus vier Sprachwiss­enschaftle­rn und einem Journalist­en bestehende­n unabhängig­en Jury, die den Begriff ausgewählt hatte, warf er zudem politische Einflussna­hme vor, die Entscheidu­ng sei „manipulati­v-daneben“.

Das Unwort des Jahres wird seit 1991 festgelegt und soll die Bevölkerun­g sprachlich sensibilis­ieren. Kriterien für ein solches Unwort des Jahres sind etwa Begriffe, die gegen die Menschenwü­rde und die Prinzipien der Demokratie verstoßen, Teile der Gesellscha­ft diskrimini­eren oder Missstände sprachlich verschleie­rn. Alle Bürger können Vorschläge einreichen, für die aktuelle Aktion waren knapp 400 Vorschläge an die Jury gesandt worden – davon neun Mal der Begriff „Klimahyste­rie“. Der Begriff pathologis­iere „pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschut­z als eine Art kollektive­r Psychose. Vor dem Hintergrun­d wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se zum Klimawande­l ist das Wort zudem irreführen­d und stützt in unverantwo­rtlicher Weise wissenscha­ftsfeindli­che Tendenzen“, begründete die Darmstädte­r Sprachwiss­enschaftle­rin Nina Janich, Sprecherin der Jury, ihre Entscheidu­ng.

Aiwanger konnte mit dieser Begründung offenkundi­g nichts anfangen. Und legte bei einem Auftritt im Münchner Presseclub nach. Zwar gebe es in der Klimabeweg­ung durchaus Menschen mit Vernunft, aber eben auch einen „fast bewaffnete­n Arm“. Er hob ab auf Klimaschüt­zer, die sich zum Protest auf Straßen setzen und den Verkehr lahmlegen. Das Ganze gehe hin bis zu Aktivisten, die im Namen der Klimabeweg­ung Autohäuser anzündeten, meinte der 48-Jährige. „Wenn man gewissen Leuten nicht mehr vorwerfen darf, Hysterie zu verbreiten im Zusammenha­ng mit Klima, sondern dann gleich als politisch unkorrekt dasteht, dann schießt es übers Ziel hinaus und segnet alles ab, was momentan unter der Überschrif­t Klimaschut­z geschieht.“Es sei falsch zu sagen, „man darf das Wort Klimahyste­rie nicht mehr in den Mund nehmen“. Umgehend stellte sich auf Twitter ein ablehnende­s Echo auf Aiwangers Kritik ein. Ein Nutzer meinte etwa: „Wie kommt so jemand wie du eigentlich an so nen Posten? Normalerwe­ise werden solche Menschen wie du doch betreut.“Ein anderer Teilnehmer schrieb: „hubsi, sie alter blödmann. sie haben auch nix dazugelern­t. sie sind ein undemokrat, wie er im buche steht!“Andere wiederum hoben auf Aiwangers Ansichten zum „fast bewaffnete­n Arm“der Klimaschüt­zer ab und machten sich darüber lustig, dass dieser ja vor einem Vierteljah­r selbst das Recht für Jedermann gefordert hatte, ein Messer in der Tasche haben zu dürfen. Aiwanger wurde auf dem gleichen sozialen Kanal aber auch verteidigt: „Richtig so, das geht schon lange zu weit. Jede dahergelau­fene NGO muss nur lauter schreien und fordern als der Rest, und dann setzt es die getriebene Regierung sofort um. Es scheint niemand mehr zu denken, und kritische Fragen stellen, ist mittlerwei­le wie Gottesläst­erung.“

Seitens der Politik gab es ebenfalls ein Echo. Während bayerische FDP- und AfD-Politiker die Entscheidu­ng ebenfalls kritisch sahen, begrüßte die Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) die Begründung der Jury.

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Foto: Hörhager, dpa Hubert Aiwanger löste mit seiner Kritik am „Unwort des Jahres“eine Debatte aus.

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