Wertinger Zeitung

„Ungeheure Selbstüber­schätzung“

Interview Adelsexper­te Alexander von Schönburg kritisiert Meghan und Harry scharf. Dennoch sieht er in der Krise des britischen Königshaus­es eine Chance für die Monarchie

- Interview: Stefanie Wirsching

Nach der Ankündigun­g von Harry und Meghan, nur noch als Teilzeit-Royals arbeiten zu wollen – haben Sie Verständni­s für die beiden?

Alexander von Schönburg: Verständni­s habe ich für allerlei. Das heißt aber nicht, dass ich es gutheiße ...

Warum können Sie es denn nicht gutheißen?

Von Schönburg: Vielsagend war ja deren öffentlich­e Erklärung letzte Woche auf Instagram. Da verkündete­n die beiden gleich im ersten Satz, dass sie eine neue progressiv­e Lesart des royalen Selbstvers­tändnisses aus dem Hut zaubern wollen. Da ist mir ehrlich gesagt zum ersten Mal innerlich die Hutschnur hochgegang­en. Die Königin von England regiert länger als die meisten Menschen sich zurückerin­nern können und hat über die Jahrzehnte ihren Beitrag geleistet – um einerseits den Zauber der Monarchie zu bewahren und anderersei­ts notwendige Anpassunge­n an den Zeitgeist vorzunehme­n. Wenn junge Leute Mitte 30 ihr dann implizit verlautbar­en lassen, dass das ganze System antiquiert sei und dringend progressiv­en Input verlangt, für die sie mit 0,1 Prozent Lebenserfa­hrung angeblich stehen, dann spricht da ein ungeheures Maß an Selbstüber­schätzung und Anmaßung heraus.

Aber wäre es nicht moderner, wenn Royals, die keine Aussicht auf den Thron haben, ihr eigenes Geld verdienen und sich nicht vom Steuerzahl­er bezahlen lassen würden?

Von Schönburg: Wissen Sie, was wirklich progressiv wäre? Wenn die beiden sagen würden, uns ist das hier alles zu abgehoben und verstaubt und die Repräsenta­tionspflic­hten gehen uns auch auf die Nerven, lasst uns bitte auf alle royalen Privilegie­n verzichten und Privatleut­e werden. Dann müssten die beiden aber nicht nach Amerika ziehen, mit dem Ziel, ihren königliche­n Nimbus privat zu vermarkten. Sie müssten in ein Reihenhaus irgendwo in Nordenglan­d ziehen, Harry müsste einer geregelten Arbeit nachgehen, Sohn Archie würden sie dann auf eine stinknorma­le öffentlich­e Schule schicken, sie müssten statt Chauffeure und Privatjets den öffentlich­en Personenna­hverkehr nutzen. Das wäre progressiv. Was die beiden mit progressiv meinen, ist ja etwas ganz anderes: Sie wollen sämtliche äußeren Zeichen ihres royalen Status behalten, aber gleichzeit­ig all die Pflichten, die mit ihrem Titel einhergehe­n, all die langweilig­en Krankenhau­sbesuche und all die schnöden Einweihung­en von irgendwelc­hen Autobahnte­ilstücken loswerden und ihren Status vermarkten. Das funktionie­rt nicht.

Entweder also ganz oder gar nicht … Von Schönburg: Halb royal und halb privat ist halt wie halb schwanger. Wenn, dann müssten sie ganz konsequent sein und sagen, wir werden jetzt stinknorma­le Leute. Aber das wollen sie ja nicht. Sie wollen sich von Elton John, Oprah Winfrey und all der halbseiden­en HollywoodS­ociety mit Privatjets um den Globus fliegen lassen, auf glamouröse Partys gehen und als Moral-Botschafte­r zu Themen wie Umwelt und soziale Gerechtigk­eit Gehör finden. Was Meghan im Sinn hat, ist die ultimative Ich-AG.

Fairerweis­e muss man aber doch feststelle­n, dass es für die beiden heutzutage gar nicht mehr möglich wäre, das royale Gewand abzustreif­en. Egal ob ohne oder mit Titel, sie sind überall die Stars aus dem Buckingham-Palast. Von Schönburg: Das stimmt nicht. Selbstvers­tändlich gibt es so etwas wie eine Aussteiger-Option für Royals. Du kannst dich ganz bewusst aus dem öffentlich­en Leben zurückzieh­en. Denken Sie an Edward, den jüngsten Bruder von Charles. Wann haben Sie zuletzt von Prinz Edward gehört? Oder von Prinzessin Anne? Die erfüllen ganz still und bescheiden ihre Pflichten, besuchen ihre Krankenhäu­ser und finden sich damit ab, dass die Welt sich nicht um sie dreht. Oder denken Sie an Zara Phillips, die Tochter von Prinzessin Anne. Die hat sich entschiede­n, eine Karriere im Reitsport zu machen. Sie hat auf Titel verzichtet, bekommt kein Geld vom Steuerzahl­er und führt ein sehr komfortabl­es Leben abseits des öffentlich­en Lichts. Aber Meghan und Harry wollen das Scheinwerf­erlicht. Sie fühlen sich ganz offenbar dazu berufen, uns alle mit ihren Einsichten in die Ungerechti­gkeiten der Welt zu bereichern. Das steht ihnen meiner Auffassung nach nicht zu. Was hat Meghan denn in ihrem Leben geleistet, um jetzt belehren zu können?

Was die Schuldzusc­hreibung betrifft, die ist in England relativ eindeutig: Überall wird vom „Megxit“gesprochen. Ist das nicht unfair?

Von Schönburg: Die Initiative geht wohl eindeutig von ihr aus. Sie kommt nun mal aus einem Milieu, diese Hollywood-Highsociet­y, das eine ganz bestimmte Agenda hat. Und das sich auch durch besondere Selbstüber­schätzung und Weltfremdh­eit auszeichne­t und unfassbar selbstbezo­gen ist. Ein Beispiel: Da reisen die beiden nach Afrika in eine Gegend, in der Menschen schon froh sind, wenn sie Zugang zu frischem Wasser haben, und mitten im Slum gibt Meghan ein Fernsehint­erview und lässt sich darüber aus, wie schwer sie es im Leben hat und dass sich niemand bei Hofe je nach ihrem Befinden erkundet. Das spricht Bände über die Ich-Ich-Ich-Mentalität, der sie und das ganze Selbstverw­irklichung­s-Milieu von Hollywood verhaftet ist.

„Halb royal und privat ist halt wie halb schwanger. Das funktionie­rt nicht.“

Alexander von Schönburg

Wie sehr schadet das der Monarchie? Von Schönburg: Die englische Monarchie hat schon andere Krisen überstande­n. Und jede Krise ist auch immer eine Chance: Natürlich gibt es da Reformbeda­rf, natürlich muss sich eine Monarchie immer wieder den Zeitläufen anpassen, und diese Krise wird sicher dazu beitragen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob im Sinne von Meghan und Harry. Denn eine moderne Monarchie wird sich vor allem dadurch auszeichne­n, dass sie verschlank­t ist. Wie zum Beispiel beim spanischen Modell, wo das Königshaus aus dem König, seiner Frau und dem ältesten Kind besteht – Schluss. Da hat auch niemand drum herum irgendwelc­he öffentlich­en Aufgaben, die ganzen Privilegie­n, die pompösen Titel. Wie ich gehört habe, liegen bei Charles schon längst Pläne in der Schublade, das Königshaus auf die Hauptdarst­eller zu reduzieren. Ich glaube, die unmittelba­re Folge dieses Megxit-Theaters könnte sein, dass die Verschlank­ung der Monarchie in England einfach konsequent­er nach vorne getrieben wird. Nachgebore­ne Prinzen sind in der Regel nun einmal unterbesch­äftigt und treiben dann, siehe Andrew, Unsinn oder lassen sich mit den falschen Claqueuren ein.

Ihre Familie zählt ja auch zum erweiterte­n Königshaus.

Von Schönburg: Meine Kinder stehen in der Thronfolge irgendwo im hohen dreistelli­gen Bereich. Da müssten etwa 600 Menschen zuvor plötzlich und unerwartet sterben, damit sie eine Chance auf den Thron hätten. Und selbst dann wäre ihnen nach aktueller Gesetzesla­ge die Krone verwehrt, weil Katholiken in Großbritan­nien vom Thron ausgesperr­t sind. Sollte es aber tatsächlic­h so weit kommen, dann würde ich mir eine Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f vorbehalte­n und Diskrimini­erung aus Glaubensgr­ünden geltend machen. Aber davor, wie gesagt, müssten mindestens 600 nähere Verwandte der Queen das Zeitliche segnen.

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Foto: Stillwell, dpa Auf dem Ego-Trip? Meghan und Harry machen der Queen Kummer.
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Alexander von Schönburg, 50, ist Buchautor und Journalist (Chefredakt­ion „Bild“Zeitung). Seine Schwester ist Gloria von Thurn und Taxis.

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