Der Schneebauer mag keinen Naturschnee
Früher war mehr Lametta. Nachdem einer der berühmtesten Sprüche von Loriot auch nach höchstrichterlicher Prüfung des Oberlandesgerichts München nicht urheberrechtlich geschützt ist, kann er bedenkenlos auf den Biathlon-Weltcup in Ruhpolding gemünzt werden. Während Opa Hoppenstedt über zu wenig Glitzerfäden am Christbaum mosert, unter dem später Enkel Dicki sein Atomkraftwerk zum erhofften „Puff“bringt, ist das Lametta hier im Chiemgau weiß. Früher war mehr Schnee. Dabei ist früher gar nicht so lange her. Exakt vor einem Jahr brachte ein Schneesturm die Organisatoren ins Schwitzen. Da sich die weiße Pracht bis zu drei Meter hoch auf den Dächern türmte und erst Zufahrten, Tribünen und Parkplätze freigeschaufelt werden mussten, hatte der Weltcup um einen Tag verschoben werden müssen.
Egal, ob es schneit oder nicht – Probleme allerorten. Danach spielte die Riesenladung von Frau Holle den Organisatoren doch gewiss in die Hände – sollte man meinen. Denn im Chiemgau blickt nicht nur die Viehzucht auf eine lange Tradition zurück. Seit 2004 betreibt das Organisationskomitee Snowfarming. Und das ist nicht nur ein produzierendes Gewerbe, sondern auch eine Wissenschaft für sich, in der die Farmer, also die Schneebauern, nie auslernen. Im Schneewinkel, einem kalten Loch in dem eh schon kalten Loch der Chiemgau-Arena, liegt das 45 mal 45 Meter große Schneedepot, in dem ab dem Ende des Winters das weiße Gold eingebracht wird. Meterhoch türmen sich bis zu 14000 Kubikmeter der weißen Pracht, die mit einem Vlies und schließlich einer wasserdichten Folie abgedeckt wird. Die Menge reicht zwar nicht, um alle Loipen der Chiemgau-Arena auszulegen, doch der Depot-Schnee bildet im grünen Winter 2020 die Basis. Obwohl die weiße Pracht im vergangenen Winter meterhoch herumlag und schließlich in den „Schneewinkel“verfrachtet wurde, war das wenig hilfreich. Ruhpoldings erster Schneefarmer Engelbert Schweiger berichtet, dass über den Sommer mehr Schnee als sonst weggeschmolzen ist. Der Naturschnee habe den Kunstschnee „angegriffen“. Die von Schneekanonen produzierten Kristalle übersommern einfach besser.