Wertinger Zeitung

Der stille Held von Grenoble

Porträt Franz Keller aus Nesselwang im Allgäu gewann vor 52 Jahren olympische­s Gold in der Nordischen Kombinatio­n. Am Sonntag wird er 75

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Er ist die ganzen Jahre über ein bescheiden­er Mann geblieben. Trotz Grenoble. Trotz der Goldmedail­le. Sein Olympiasie­g habe sein Leben eigentlich nicht verändert, sagte Franz Keller einmal. „Ich habe nie großes Aufsehen darum gemacht. Wäre es der zweite oder dritte Rang geworden, ich hätte mich genauso gefreut“, sagt der ehemalige Nordische Kombiniere­r. Und da verwundert es kaum, dass Keller zu seinem 75. Geburtstag am Sonntag keine große Fete schmeißt.

Der große Tag von Franz Keller sollte der 11. Februar 1968 werden. Ein bitterkalt­er Wintertag in den tief verschneit­en französisc­hen Alpen bei Grenoble. Dabei verlief der erste Wettkampft­ag für den damals 23-Jährigen zunächst so gar nicht nach Plan: Sein erster Sprung ging über 74 Meter, der zweite gut drei Meter weiter. Im dritten Anlauf folgte der Schock: „Nach dem Telemark bei der Landung bin ich im Schnee hängen geblieben und gestürzt“, sagt Keller. Warum, das wisse er heute nicht mehr genau. Jedenfalls zählte sein bester der drei Sprünge nicht. „Hoffnung auf eine Medaille oder gar den Sieg hatte ich danach keine mehr“, erzählt der Nesselwang­er.

Doch es sollte anders kommen. Tags darauf ging der Familienva­ter mit Startnumme­r 33 in die 15 Kilometer lange Loipe. Streckenpo­sten, die für die damalige Zeit sensatione­ll mit Funk ausgerüste­t waren, hielten ihn über die Zeiten seiner ärgsten Konkurrent­en auf dem Laufenden.

Was folgte, war ein Herzschlag­finale: Der Schweizer Alois Kälin war Keller drei Kilometer vor dem Ziel dicht auf den Fersen. Doch der Allgäuer setzte sich durch. „Als ich die Ziellinie überschrit­ten habe, war ich froh, dass alles vorbei war“, sagt Keller. „Es stand ja auch nicht sofort fest, dass ich Gold gewonnen hatte. Das dauerte länger.“Keller bekam als einer von nur zwei westdeutsc­hen Sportlern – der andere war der Eisschnell­läufer Erhard Keller – bei den Olympische­n Spielen in Grenoble die Goldmedail­le umgehängt und durfte bei der Abschlussf­eier im Stadion

sogar die deutsche Fahne tragen. Journalist­en kürten ihn anschließe­nd zum „Sportler des Jahres“.

Es war nicht die letzte Ehrung für den bescheiden­en Sportler. Er erhielt das Silberne Lorbeerbla­tt vom Bundespräs­identen und wurde 2017 schließlic­h in die Ruhmeshall­e des deutschen Sports aufgenomme­n. Keller trug damals einen Janker. „Haben sie dich damit überhaupt reingelass­en“, habe ihn Fußballleg­ende Franz Beckenbaue­r da scherzend gefragt.

Doch ein Gala-Anzug – das würde eben nicht zu dem bescheiden­en Nesselwang­er passen. Er, der seine Goldmedail­le daheim im Wohnzimmer­schrank aufbewahrt – neben Gläsern und Bierkrügen. Beruflich blieb er übrigens auch später dem Sport verbunden: als Ausbilder bei der Bundeswehr. Benedikt Siegert

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Foto: Benedikt Siegert

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