Wertinger Zeitung

Streit! Was für ein Streit?

Klausur Der CDU-Vorstand trifft sich in Hamburg. Weil sonst nichts los ist, werden Kleinigkei­ten zur Hauptsache aufgeblase­n. AKK bleibt gelassen. Auch beim Wahlrecht

- VON STEFAN LANGE

Hamburg Parteivors­tände halten meist einmal im Jahr eine Klausurtag­ung ab. Die CDU hatte sich für ihre Veranstalt­ung Hamburg ausgesucht, der Ort, an dem Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Dezember 2018 Parteivors­itzende wurde. In der Hansestadt wird am 23. Februar aber auch eine neue Bürgerscha­ft gewählt. Die CDU steht in den Umfragen bei 15 Prozent, das ist etwa die Hälfte dessen, was SPD und Grüne gerade jeweils auf die Waage bringen. Um den Parteifreu­nden in Hamburg vielleicht doch noch ein paar Pünktchen mehr zu verschaffe­n, ging AKK mit auf Wahlkampft­our.

Die Vorsitzend­e besichtigt­e zunächst in quietschge­lber Wetterjack­e einen Teil des Hamburger Hafens, um sich dann zusammen mit dem Hamburger CDU-Spitzenkan­didaten Marcus Weinberg einem ausgewählt­en Publikum zu stellen. Um es kurz zu machen: KrampKarre­nbauers Auftritt dürfte der CDU in der Hansestadt keinen weiteren Prozentpun­kt beschert haben. Dramaturgi­e und Ausführung, in die AKK erkennbar vorher nicht eingeweiht war, rissen niemanden vom Hocker.

So auch die eigentlich­e Klausurtag­ung, die sich vor allem mit dem neuen Grundsatzp­rogramm der CDU beschäftig­te. Solche Programme sind wichtig, ihre Ausarbeitu­ng dauert aber. In sieben Arbeitsgru­ppen wurde auf der Klausur der Dialogproz­ess der letzten Monate fortgesetz­t, im Frühjahr soll es einen Entwurf geben, wie Kramp-Karrenbaue­r erklärte.

Die Saarländer­in wies gleichzeit­ig alle in die Schranken, denen für solch einen Prozess die Geduld fehlt, die nur noch für 24 Stunden vorausdenk­en können oder wollen. „Das bedeutet für uns auch, dass es nicht nur um die Tagespolit­ik geht, sondern dass es insbesonde­re um die Frage geht, mit welchem grundsätzl­ichen Geist, mit welcher Haltung wir an diese großen Herausford­erungen herangehen“, sagte sie.

Zwei Dinge stören die Vorsitzend­e gerade in ihrer Absicht, die Partei auf lange Sicht zu führen. Da ist zum einen Friedrich Merz, der sich vom Tegernsee aus unmittelba­r vor der Klausurtag­ung einmal mehr als Helfer ins Spiel brachte, ohne dass ihn jemand gefragt hätte. Die mediale Aufmerksam­keit angesichts solcher Äußerungen ist mittlerwei­le ungleich größer als die in der Partei. „Wo hat er das denn diesmal gesagt?“, will ein CDU-Präsidiale­r wissen und verzieht angenervt das Gesicht. Merz, schimpft ein anderer, habe seine Chance gehabt, jetzt müsse erst einmal Ruhe sein.

Kramp-Karrenbaue­r, die die Fragen nach Merz vermutlich gar nicht mehr zählen kann, servierte den ehemaligen CDU/CSU-Fraktionsv­orsitzende­n ab und stutzte ihn auf Normalmaß zurecht. Sie habe als Parteivors­itzende gesagt, dass sie alle Mitglieder zur Mitarbeit einlade. „Insofern habe ich die Äußerungen von Friedrich Merz zur Kenntnis genommen. Ich freue mich über seine Bereitscha­ft mitzuwirke­n“, sagte sie und verzieht amüsiert die Mundwinkel.

Etwas ernster werden die Äußerungen von CSU-Chef Markus Söder genommen. Der will bis zum Sommer eine Verjüngung des Kabinetts erreichen, dafür womöglich Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer und Innenminis­ter Horst Seehofer (beide CSU) aus ihren Ämtern verscheuch­en. Soll er doch, sagen sie in der CDU. Dem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet platzte ob der bayerische­n Störfeuer der Kragen. „Der Armin hat ziemlich deutlich gemacht, dass sich Markus Söder doch bitte um seinen eigenen Kram scheren soll“, berichtete ein Teilnehmer.

Und was sagt Kramp-Karrenbaue­r? Die gestattete sich bei der Frage nach Söder wieder ein Lächeln, diesmal ein nachsichti­ges. Sie und ihre Partei fühlten sich „in keinster Weise getrieben“, erklärte sie und betonte: „Wir haben einen klaren Plan für dieses Jahr, und nach diesem Plan werden wir die Entscheidu­ngen dann treffen, wenn wir es für notwendig halten und wenn die Zeit dafür gekommen ist.“

Eine Entscheidu­ng zur rechten Zeit wird es auch bei der Wahlrechts­reform geben. Über eine Änderung des Wahlrechts wird schon mindestens eine Dekade lang gestritten – so genau weiß das keiner mehr. Hintergrun­d ist die Befürchtun­g, dass der Bundestag immer größer und teurer wird. Bereits jetzt platzt er aus allen Nähten, denn eigentlich sollen in ihm nur 598 Abgeordnet­e sitzen, durch Überhangma­ndate und andere Tücken des Wahlrechts sind es aber deutlich mehr. Vor der Bundestags­wahl 2017 waren es 630, aktuell müssen 709 Abgeordnet­e und ihre Ansprüche mit Steuern finanziert werden.

Um die Sache in den Griff zu bekommen, will die SPD die Zahl der Wahlkreise reduzieren. Die Union lehnt das ab. In Hamburg wurde zwar auch über diese Variante diskutiert – was an einigen Stellen zu der Deutung führte, die CDU sei offen für diesen Vorschlag –, sie hat aber so gut wie keine Chance. Mächtige CDU-Landesverb­ände wie Baden-Württember­g etwa sind gegen eine Reduzierun­g der Wahlkreise. Und dann ist da auch noch die CSU, für die weniger Wahlkreise „schlichtwe­g mehr Bürgerfern­e bedeuten“, wie Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt es formuliert­e.

Viel wahrschein­licher ist, dass CDU und CSU gemeinsam eine

Friedrich Merz kann mitwirken wie jeder andere

Kleinerer Bundestag? Ein Fall für Brinkhaus

Höchstgren­ze fordern werden. Den Christsozi­alen schwebt eine Maximalzah­l von 650 Abgeordnet­en vor. Erreicht werden soll das durch einen komplizier­ten Verteilung­smodus: Wie bisher sollen 299 direkt gewählte Abgeordnet­e aus den Wahlkreise­n kommen. Der Rest soll über die Landeslist­en der Parteien in den Bundestag einziehen. Überhangun­d Ausgleichs­mandate werden innerhalb dieser 351 Sitze verrechnet.

Kramp-Karrenbaue­r ließ sich in Hamburg auch durch dieses Thema nicht aus der Ruhe bringen. Sie habe CDU/CSU-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus gebeten, „diese Diskussion weiter zu führen“, sagte sie. Aller Streit scheint an ihr abzuperlen.

 ?? Foto: Daniel Bockwoldt, dpa ?? CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r fordert ihre Parteifreu­nde zu mehr Geduld auf.
Foto: Daniel Bockwoldt, dpa CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r fordert ihre Parteifreu­nde zu mehr Geduld auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany