Streit! Was für ein Streit?
Klausur Der CDU-Vorstand trifft sich in Hamburg. Weil sonst nichts los ist, werden Kleinigkeiten zur Hauptsache aufgeblasen. AKK bleibt gelassen. Auch beim Wahlrecht
Hamburg Parteivorstände halten meist einmal im Jahr eine Klausurtagung ab. Die CDU hatte sich für ihre Veranstaltung Hamburg ausgesucht, der Ort, an dem Annegret Kramp-Karrenbauer im Dezember 2018 Parteivorsitzende wurde. In der Hansestadt wird am 23. Februar aber auch eine neue Bürgerschaft gewählt. Die CDU steht in den Umfragen bei 15 Prozent, das ist etwa die Hälfte dessen, was SPD und Grüne gerade jeweils auf die Waage bringen. Um den Parteifreunden in Hamburg vielleicht doch noch ein paar Pünktchen mehr zu verschaffen, ging AKK mit auf Wahlkampftour.
Die Vorsitzende besichtigte zunächst in quietschgelber Wetterjacke einen Teil des Hamburger Hafens, um sich dann zusammen mit dem Hamburger CDU-Spitzenkandidaten Marcus Weinberg einem ausgewählten Publikum zu stellen. Um es kurz zu machen: KrampKarrenbauers Auftritt dürfte der CDU in der Hansestadt keinen weiteren Prozentpunkt beschert haben. Dramaturgie und Ausführung, in die AKK erkennbar vorher nicht eingeweiht war, rissen niemanden vom Hocker.
So auch die eigentliche Klausurtagung, die sich vor allem mit dem neuen Grundsatzprogramm der CDU beschäftigte. Solche Programme sind wichtig, ihre Ausarbeitung dauert aber. In sieben Arbeitsgruppen wurde auf der Klausur der Dialogprozess der letzten Monate fortgesetzt, im Frühjahr soll es einen Entwurf geben, wie Kramp-Karrenbauer erklärte.
Die Saarländerin wies gleichzeitig alle in die Schranken, denen für solch einen Prozess die Geduld fehlt, die nur noch für 24 Stunden vorausdenken können oder wollen. „Das bedeutet für uns auch, dass es nicht nur um die Tagespolitik geht, sondern dass es insbesondere um die Frage geht, mit welchem grundsätzlichen Geist, mit welcher Haltung wir an diese großen Herausforderungen herangehen“, sagte sie.
Zwei Dinge stören die Vorsitzende gerade in ihrer Absicht, die Partei auf lange Sicht zu führen. Da ist zum einen Friedrich Merz, der sich vom Tegernsee aus unmittelbar vor der Klausurtagung einmal mehr als Helfer ins Spiel brachte, ohne dass ihn jemand gefragt hätte. Die mediale Aufmerksamkeit angesichts solcher Äußerungen ist mittlerweile ungleich größer als die in der Partei. „Wo hat er das denn diesmal gesagt?“, will ein CDU-Präsidialer wissen und verzieht angenervt das Gesicht. Merz, schimpft ein anderer, habe seine Chance gehabt, jetzt müsse erst einmal Ruhe sein.
Kramp-Karrenbauer, die die Fragen nach Merz vermutlich gar nicht mehr zählen kann, servierte den ehemaligen CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden ab und stutzte ihn auf Normalmaß zurecht. Sie habe als Parteivorsitzende gesagt, dass sie alle Mitglieder zur Mitarbeit einlade. „Insofern habe ich die Äußerungen von Friedrich Merz zur Kenntnis genommen. Ich freue mich über seine Bereitschaft mitzuwirken“, sagte sie und verzieht amüsiert die Mundwinkel.
Etwas ernster werden die Äußerungen von CSU-Chef Markus Söder genommen. Der will bis zum Sommer eine Verjüngung des Kabinetts erreichen, dafür womöglich Verkehrsminister Andreas Scheuer und Innenminister Horst Seehofer (beide CSU) aus ihren Ämtern verscheuchen. Soll er doch, sagen sie in der CDU. Dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet platzte ob der bayerischen Störfeuer der Kragen. „Der Armin hat ziemlich deutlich gemacht, dass sich Markus Söder doch bitte um seinen eigenen Kram scheren soll“, berichtete ein Teilnehmer.
Und was sagt Kramp-Karrenbauer? Die gestattete sich bei der Frage nach Söder wieder ein Lächeln, diesmal ein nachsichtiges. Sie und ihre Partei fühlten sich „in keinster Weise getrieben“, erklärte sie und betonte: „Wir haben einen klaren Plan für dieses Jahr, und nach diesem Plan werden wir die Entscheidungen dann treffen, wenn wir es für notwendig halten und wenn die Zeit dafür gekommen ist.“
Eine Entscheidung zur rechten Zeit wird es auch bei der Wahlrechtsreform geben. Über eine Änderung des Wahlrechts wird schon mindestens eine Dekade lang gestritten – so genau weiß das keiner mehr. Hintergrund ist die Befürchtung, dass der Bundestag immer größer und teurer wird. Bereits jetzt platzt er aus allen Nähten, denn eigentlich sollen in ihm nur 598 Abgeordnete sitzen, durch Überhangmandate und andere Tücken des Wahlrechts sind es aber deutlich mehr. Vor der Bundestagswahl 2017 waren es 630, aktuell müssen 709 Abgeordnete und ihre Ansprüche mit Steuern finanziert werden.
Um die Sache in den Griff zu bekommen, will die SPD die Zahl der Wahlkreise reduzieren. Die Union lehnt das ab. In Hamburg wurde zwar auch über diese Variante diskutiert – was an einigen Stellen zu der Deutung führte, die CDU sei offen für diesen Vorschlag –, sie hat aber so gut wie keine Chance. Mächtige CDU-Landesverbände wie Baden-Württemberg etwa sind gegen eine Reduzierung der Wahlkreise. Und dann ist da auch noch die CSU, für die weniger Wahlkreise „schlichtweg mehr Bürgerferne bedeuten“, wie Landesgruppenchef Alexander Dobrindt es formulierte.
Viel wahrscheinlicher ist, dass CDU und CSU gemeinsam eine
Friedrich Merz kann mitwirken wie jeder andere
Kleinerer Bundestag? Ein Fall für Brinkhaus
Höchstgrenze fordern werden. Den Christsozialen schwebt eine Maximalzahl von 650 Abgeordneten vor. Erreicht werden soll das durch einen komplizierten Verteilungsmodus: Wie bisher sollen 299 direkt gewählte Abgeordnete aus den Wahlkreisen kommen. Der Rest soll über die Landeslisten der Parteien in den Bundestag einziehen. Überhangund Ausgleichsmandate werden innerhalb dieser 351 Sitze verrechnet.
Kramp-Karrenbauer ließ sich in Hamburg auch durch dieses Thema nicht aus der Ruhe bringen. Sie habe CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus gebeten, „diese Diskussion weiter zu führen“, sagte sie. Aller Streit scheint an ihr abzuperlen.