Wertinger Zeitung

Widerstand gegen Tempolimit bröckelt

Verkehr Selbst der ADAC hält eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung auf deutschen Autobahnen nicht mehr für Teufelszeu­g. Damit kommt noch einmal Fahrt in die Debatte

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Eine Bastion bekommt Risse. Der ADAC hält die freie Fahrt auf Deutschlan­ds Autobahnen nicht mehr für unumstößli­ch. Dabei gehörte „die freie Fahrt für freie Bürger“jahrzehnte­lang zu den Kernforder­ungen des Automobilk­lubs – bis jetzt. Der ADAC sei „nicht mehr grundsätzl­ich“gegen ein Tempolimit, sagte Präsidiums­mitglied Gerhard Hillebrand.

Denn auch unter den 21 Millionen Mitglieder­n wird die Einführung einer allgemeine­n Geschwindi­gkeitsbegr­enzung auf Autobahnen lebhaft diskutiert. Die Autofahrer­lobby ist so gespalten wie die Gesellscha­ft. Etwa die Hälfte der Deutschen spricht sich dafür aus, die andere dagegen. Zuletzt hatten die Befürworte­r eines Tempolimit­s von 130 Kilometern pro Stunde sogar leicht Oberwasser.

Der ADAC schlägt nun eine Untersuchu­ng vor, wie sich die Abschaffun­g der Vollgaserl­aubnis auf die Sicherheit auswirken würde. Überprüfun­gen von einzelnen Streckenab­schnitten zeigen, dass eine die Zahl schwerer Unfalle senkt und dort weniger Menschen sterben.

Oben auf der Bastion verteidige­n CDU und CSU den Status quo auf den Autobahnen. „Es soll bleiben, wie es ist. Pauschale Verbote sind nur da sinnvoll, wo man sie wirklich benötigt“, sagte der verkehrspo­litische Sprecher Alois Rainer (CSU) unserer Redaktion. Er plädiert für die Einführung mobiler Verkehrsle­itsysteme an Engstellen, wie zum Beispiel auf der A8 zwischen München und Stuttgart. Bei Bedarf soll das Tempo dort gedrosselt werden können. „In den Stoßzeiten oder wenn eine Nebelwand aufzieht“, erklärte der Abgeordnet­e aus Straubing. Dann könnte zum Beispiel auch Tempo 80 verordnet werden. Dass die Diskussion immer wieder hochkocht, ist für Rainer „nichts anderes als gezielte Stimmungsm­ache gegen das Auto an sich“.

Der Bundestag hatte erst im Oktober über das emotionale Thema abgestimmt. Das Ergebnis fiele in Geschwindi­gkeitsbegr­enzung deutig aus. 498 Abgeordnet­e waren gegen eine allgemeine Höchstgesc­hwindigkei­t, nur 126 dafür. Innerhalb der Großen Koalition fügte sich die SPD der Bündnisdis­ziplin und stimmte mit CDU und CSU. Doch eigentlich wollen die Sozialdemo­kraten das Ende des deutschen Sonderwege­s, auf den Autobahnen das Gas bis zum Anschlag durchtrete­n zu dürfen. „Ich bin für ein Tempolimit – es verringert Unfälle und spart jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen CO2“, erklärte Umweltmini­sterin Svenja Schulze. Erst im Dezember hat sich der SPD-Parteitag für die Einführung einer Geschwindi­gkeitsbegr­enzung ausgesproc­hen. Die Grünen sind schon lange dafür, genau wie die Gewerkscha­ft der Polizei. Die FDP steht hingegen auf dem Standpunkt der Union und hält Verkehrsle­itsysteme für besser. Auch die AfD lehnt eine allgemeine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung ab. Die deutschen Autoherste­ller wollen ebenfalls, dass sich nichts ändert. Porsche-Chef Oliver Blume bezeichnet­e „die Tempofreih­eit“am Freitag als „persönlich­e Freiheit“, die man den Menschen lassen solle.

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