Wertinger Zeitung

Titel-Thema

Ruth Melcer war ein Kind, als si Aufseherin Herz zeigte – und Josef Mengele

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Frau Melcer, Sie sagen, Sie könnten sich noch immer an den Geruch von Auschwitz erinnern. Wie riecht ein Konzentrat­ionslager? Ruth Melcer: Als wir im Sommer 1944 nach Auschwitz kamen, waren die Krematorie­n noch intakt. Es roch nach Tod, nach Rauch und Schmutz – und der Himmel war ganz rot. Warum, weiß ich nicht.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag in Auschwitz? Sie waren damals ein Kind, ein kleines Mädchen von neun Jahren.

Melcer: Das weiß ich noch, als wäre es heute. Schon an der Rampe wurden Männer und Frauen getrennt, so dass nur noch meine Mutter bei mir war, aber nicht mehr mein Vater. In einem Waschraum wurde uns dann alles abgenommen, was wir hatten. Anschließe­nd brachte man uns in eine Baracke mit vielen Pritschen und einem großen Ofen mittendrin. Dort stand eine Aufseherin in einem schwarzen Morgenmant­el mit roten Rosen darauf, sie schwang eine Reitpeitsc­he und sagte: Ihr überlebt das hier sowieso nicht. Das war unsere Begrüßung in Auschwitz.

Sie haben trotzdem überlebt. Hatten Sie einen Schutzenge­l oder einfach nur Glück? Melcer: Irgendwann kam eine tschechisc­he Aufseherin aus einem anderen Block und sagte: Das Kind kann hier nicht überleben. Diese junge Frau, sie hieß Olga, hat mich in ihren Block mitgenomme­n und immer dann in einer kleinen Kammer versteckt, wenn Mengele kam. Ich musste nicht zu den täglichen Appellen und bekam von ihr auch regelmäßig zu essen. Dieser Frau habe ich mein Leben zu verdanken.

Sind Sie Josef Mengele selbst jemals begegnet, dem gefürchtet­en Lagerarzt mit seinen menschenve­rachtenden Experiment­en?

Melcer: Nein. Als wir mit einem Arbeitertr­ansport in Auschwitz ankamen, stand Mengele nicht an der Rampe. Sonst säße ich heute nicht hier. Ich war ein sehr hübsches Kind mit hellen blonden Locken. Ich wäre ihm sicher aufgefalle­n.

Hat Olga Sie beschützt, bis die Rote Armee das Lager befreit hat?

Melcer: Etwa sechs Wochen vor Kriegsende ging das nicht mehr und ich kam in das so genannte Zigeunerla­ger. Da war ich ganz auf mich gestellt, weil meine Eltern wie viele andere Häftlinge schon auf den Todesmarsc­h geschickt worden waren. Es gab nichts zu essen und nichts zu tun, für mich war das die schlimmste Zeit. Heute weiß ich, dass die Älteren, die Kranken und die Kinder nur in diesen Block gebracht wurden, um sie später zu erschießen.

Sie haben Auschwitz zu dritt überlebt, Sie selbst, Ihre Mutter und Ihr Vater. Wie erklären Sie sich dieses dreifache Wunder? Melcer: vensbrück, hat meine Mutter später erzählt, sei das Schlimmste gewesen, was ihr je widerfahre­n sei. Eisige Kälte, kein Schlaf, nichts zu essen, nur ab und zu eine gefrorene Kartoffel: So hat man sie von einem Lager ins andere geschickt.

Als Kind alleine in Auschwitz: Wie haben Sie das durchgesta­nden?

Melcer:

Heimatort Tomaszow Mazowiecki kann Er hat mich und ein paar andere Kin dann abgeholt. Das war Anfang Febr 1945. Mein Vater und meine Mutter w den erst im Mai befreit. Meine Mutter w dann schon relativ schnell wieder da, m Vater aber kam erst im September zurüc

Wie sind Sie eigentlich nach Auschwitz kommen?

Melcer: An die Zeit vor Auschwitz habe kaum Erinnerung­en, das weiß ich alles n aus Erzählunge­n. Ich war ja erst vier Ja alt, als der Krieg ausbrach. Einer mei Großväter hatte eine kleine Weberei, andere einen Wollhandel. 1939, als Deutschen in Polen einmarschi­ert sind, ben sie als Erstes die Ärzte, Rechtsanwä und Kaufleute erschossen. Meinen Va haben sie ebenfalls gesucht, aber der ha sich versteckt. Später wurden die Betrie unserer Familie arisiert, sie bekamen ein deutschen Treuhänder – und der hatte, erzählte es mein Vater, vom Textilgesc­h keine Ahnung. Er brauchte meinen Va im Betrieb, so dass wir erst 1941 ins Ge mussten. 1942 aber begannen auch dort großen Transporte, vor allem nach T blinka. Mein Vater und mein Onkel mu ten damals für den Treuhänder alles a sammeln und sortieren, was von den transporti­erten Juden noch da war. Die Treuhänder hat ihnen auch das Leben rettet, weil er sie in einer Lagerhalle v steckt hat, als sie abgeholt und nach T

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