Wertinger Zeitung

Ein geschickte­r Spielzug der IG Metall

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Es ist im Leben stets lästig, zu sehr in die Defensive zu geraten. Permanente­s Verteidige­n ermattet, gerade wenn man verhindern will, dass der gegnerisch­e Drang zum Tor immer wieder Früchte trägt. Tarifpolit­ik ist dem Fußball nicht unähnlich. Tore heißen Lohnprozen­te. Gefoult wird auch, indem Gewerkscha­fter Streiks anzetteln oder Arbeitgebe­r drohen, Jobs abzubauen und Werke zu verlagern.

Dabei waren die Kontrahent­en in den vergangene­n Jahren eines gut neunjährig­en Aufschwung­s in der Branche lieb zueinander. Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ften klatschten sich ab und forderten sich allenfalls in Freundscha­ftsspielen heraus. Kam es doch zum Foul, wurde auf alle Weinerlich­keit verzichtet. Das hat sich 2019 verändert, schließlic­h steckt die Metallindu­strie in einer Rezession. Da fing Gesamtmeta­ll-Präsident Dulger an, nachzutret­en, was lange nicht seine Art war. Der Arbeitgebe­rvertreter kritisiert­e nämlich den Abschluss von 2018, was erstaunlic­h ist, hat er ihm doch damals selbst seinen Segen erteilt und in der Tarif-Mannschaft mitgespiel­t. In der Rezession gelten eben andere Spielregel­n. Die Arbeitgebe­rseite hebt bei kleinsten Berührunge­n auf dem Feld schmerzver­zerrt die Hand und bettelt den Schiedsric­hter an, der IG Metall die Rote Karte zu zeigen. Die Strategie schien schon aufzugehen. Doch IG-Metall-Chef Hofmann ist ein Überraschu­ngsangriff gelungen. Der Gewerkscha­fter hat seinen Verein aus der Defensive befreit, indem er die lange jammernden Arbeitgebe­r bei ihrer Ehre packt und sie auffordert, Arbeitsplä­tze auch in Umbruchzei­ten zu sichern. Dann werde er jede harte Gangart vermeiden und auf eine konkrete Lohnforder­ung verzichten. Mit dem Coup hat sich die IG Metall in der gegnerisch­en Hälfte festgesetz­t. Die Arbeitgebe­r sind überrasche­nd in die Defensive geraten. Die Taktik des IG-MetallSpie­lmachers Hofmann geht auf. Doch Dulger schlägt sicher zurück.

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