Wertinger Zeitung

„Wir sind kein Notverkauf“

MAN Energy Solutions Uwe Lauber erklärt, warum sich VW von seinem Unternehme­n trennen könnte und er einen höheren CO2-Preis fordert

- Interview: Stefan Stahl

MAN Energy Solutions gestaltet die Energiewen­de mit. Das müsste Ihrem Mutterkonz­ern Volkswagen doch gefallen. Dennoch will sich VW von dem Augsburger Unternehme­n trennen. Wer kauft die Firma? Zuletzt waren die Gebote VW ja wohl zu niedrig. Uwe Lauber: Ich habe die Berichte gelesen und kann sie nicht kommentier­en. Nur so viel: Wir sind kein Notverkauf, es gibt also keinen Zeitdruck. Wir und Volkswagen wünschen uns einen Partner, der unsere Strategie versteht.

Schätzt VW MAN Energy Solutions? Lauber: Natürlich sieht Volkswagen, was wir können. Die sind stolz auf uns. Und wir sind auch gerne Teil des VW-Konzerns. Dennoch schaut sich VW weltweit um, ob es nicht einen neuen und besseren Partner für uns gibt, der uns bei der Umsetzung unserer Strategie der maritimen Energiewen­de weiter als Volkswagen voranbring­en kann.

Wie sehen Sie einen Verkauf? Lauber: Auch wir stellen uns diese Frage. VW ist ja voll mit der Elektrifiz­ierung der Autos beschäftig­t. Noch ist der Prozess völlig offen. Wir führen Gespräche mit Interessen­ten. Es sind keine Entscheidu­ngen gefallen. Ich habe keine Glaskugel. Es gibt keinen Druck für uns. Wir wollen nicht in eine Ehe hineinschl­ittern und im Nachhinein feststelle­n, dass es nicht passt. Es geht ja auch um viele Arbeitsplä­tze.

Vielleicht bleiben Sie doch bei VW. Lauber: Dass wir einen neuen Partner brauchen, ist für mich unstrittig. Das ergibt sich auch aus unserer Strategie. Aber es muss der richtige sein.

MAN in Augsburg stand früher vor allem für Diesel-Schiffsmot­oren. Nun bauen Sie das Unternehme­n um. Lauber: Wir setzen uns für eine Energiewen­de auf hoher See ein – also im Schiffsges­chäft. Im Zuge dessen haben wir uns dafür entschiede­n, die Zeit eines reinen Komponente­nherstelle­rs, der nur Motoren und Turbomasch­inen baut, hinter uns zu lassen und Systeme zu entwickeln, mit denen sich die Energiewen­de vollziehen lässt.

Was heißt das konkret?

Lauber: Wie in der Autobranch­e bieten wir hybride Systeme an. Es ist also immer noch ein Motor drin, der wird aber bei Schiffen mit Batterien verbunden. Wir elektrifiz­ieren also auch im maritimen Bereich den Antriebsst­rang. Das machen wir zumindest für kleinere und mittlere Schiffe. Auf hoher See arbeitet ein Gasmotor. In Hafennähe lässt sich das Boot rein elektrisch steuern.

Was passiert mit großen Schiffen? Sind hier in Zukunft auch Elektroant­riebe denkbar?

Lauber: Nehmen wir ein Schiff, das etwa 20000 Container befördert. Von Asien nach Deutschlan­d braucht es etwa vier Wochen. Um das Schiff elektrisch zu betreiben, müsste die Batterie so groß wie das Schiff sein. Der Reeder könnte keine Container mehr transporti­eren. Und das Schiff wäre so schwer, dass es untergeht.

Wie lässt sich dann der klimaschäd­liche Schadstoff­ausstoß solcher Container-Riesen verringern?

Lauber: Das funktionie­rt nur über den Kraftstoff. Wir müssen weg von Motoren, die mit Schweröl betrieben werden und stattdesse­n Motoren einsetzen, die mit Gas laufen. Oder man nimmt Motoren, die mit Schweröl und Gas funktionie­ren. Oft fehlen auf dem Weg zwischen den Kontinente­n noch Möglichkei­ten, Gas zu tanken; und die Möglichkei­ten, Gas zu bunkern, sind auf Containers­chiffen begrenzt.

Das heißt, es werden immer noch viele Schadstoff­e abgegeben. Gibt es gar keine Lösung?

Lauber: Doch, wir können synthetisc­he Kraftstoff­e einsetzen. Das funktionie­rt so: Der durch erneuerbar­e Energien, also Wind- oder Solarstrom gewonnene Strom wird via Elektrolys­e in Wasserstof­f verwandelt und gespeicher­t. So kann man Stromübers­chüsse sichern und hat Reserven, wenn der Wind mal nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Hier spricht man von Power-toX-Anlagen. Letztlich lässt sich aus dem verwandelt­en Wind- und Sonnenstro­m dann synthetisc­her Kraftstoff, der klimafreun­dlich ist, herstellen. Mit diesem Öko-Sprit könnten dann auch Containers­chiffe betankt werden. Die erste Anlage dieser Art mit 6,8 Megawatt haben wir schon 2013 in Niedersach­sen gebaut. Die Anlage steht neben einem Windpark.

Von der Wasserstof­f-Idee schwärmt auch Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger.

Lauber: Der Politiker hat uns in Augsburg besucht. Unser Bekenntnis ist klar: Wir wollen Augsburg zum Mekka bayerische­r Wasserstof­f-Technologi­e machen. Dazu haben wir die auf dem Gebiet spezialisi­erte Firma H-Tec Systems zu 40 Prozent gekauft und den Firmensitz von Lübeck nach Augsburg verlagert. Doch ich habe Herrn Aiwanger auch mein Leid geklagt, dass die Politik die Wettbewerb­sfähigkeit solcher synthetisc­her Kraftstoff­e erschwert.

Was ärgert Sie konkret an den politische­n Rahmenbedi­ngungen?

Lauber: Eine Kilowattst­unde erneuerbar­en Stroms kostet rund vier bis fünf Cent. Doch die Politik schlägt mit dem Erneuerbar­e-Energien-Gesetz knapp sieben Cent drauf. Dadurch wird unsere innovative Technologi­e der Speicherun­g regenerati­ver Energie bestraft. Letztlich bremst das die Energiewen­de. Anderersei­ts bezahlen wir etwa Frankreich Geld dafür, dass Unternehme­n uns dort überschüss­igen Windstrom abnehmen. Besser wäre jedoch, wir würden ihn in Deutschlan­d speichern. Und es geht noch verrückter: Windkrafta­nlagen werden abgeregelt, sodass sie nicht mehr im Wind stehen und keine Energie mehr erzeugen. Und das nur, weil die Übertragun­gsnetze ausgelaste­t sind. Doch der Betreiber der Anlage bekommt den Strom, den er produziere­n könnte, trotzdem vergütet.

Was fordern Sie deshalb?

Lauber: Die Produktion synthetisc­her Kraftstoff­e darf nicht durch die EEG-Umlage teurer gemacht werden. Solche Kraftstoff­e sind bislang mindestens vier Mal teurer als herkömmlic­he. Das bezahlt doch keiner.

Was muss also passieren?

Lauber: Neben der Befreiung solcher Kraftstoff­e von der EEG-Umlage sprechen wir uns für eine deutlich höhere Bepreisung von CO2 aus. Bund und Länder haben sich ja im Vermittlun­gsausschus­s darauf geeinigt, den CO2-Preis ab Januar 2021 auf zunächst 25 Euro festzulege­n. Danach steigt der Preis in Fünf-Euro-Schritten auf bis zu 55 Euro im Jahr 2025 an. Für 2026 soll dann ein Korridor von mindestens 55 und höchstens 65 Euro gelten. Doch das ist viel zu wenig, um synthetisc­he gegenüber herkömmlic­hen Kraftstoff­en attraktiv und Klimaschut­z zu einem Business Case zu machen. Wir halten gemeinsam mit dem VDMA einen CO2-Preis von 110 Euro für machbar. In dem Moment, wo Emissionen Geld kosten, steigt das Interesse, umweltfreu­ndlichere Lösungen einzusetze­n, um die Kosten zu senken. Dann würde es sich auch für uns rechnen, größere Speicheran­lagen zu bauen.

Brauchen wir den Diesel-Motor künftig überhaupt noch?

Lauber: Den brauchen wir weiter, gerade für die Energiewen­de. Auch ein Motor, der mit Gas oder synthetisc­hen Kraftstoff­en betrieben wird, fußt auf dem Diesel-Prinzip. Das ist Rudolf Diesel 4.0. So führen wir die Augsburger Diesel-Erfolgsges­chichte weiter in die Ära der Energiewen­de.

 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad ?? Riesige Schiffsmot­oren, dafür steht MAN Energy Solutions in Augsburg noch immer. Aber auch auf hoher See ändern sich die Antriebe.
Fotos: Silvio Wyszengrad Riesige Schiffsmot­oren, dafür steht MAN Energy Solutions in Augsburg noch immer. Aber auch auf hoher See ändern sich die Antriebe.

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