Wertinger Zeitung

„Ich hatte öfter den Impuls zu fliehen“

Interview Henriette Confurius ist ein Jungstar unter den deutschen Schauspiel­ern. Ein Gespräch über Flucht, Lebensplän­e und die Erfahrung, jeden Tag Kühe versorgen zu müssen

- Interview: Josef Karg

Sie spielen ab Montag in der ZDFMiniser­ie „Die verlorene Tochter“den Sprössling einer Brauerei-Dynastie, der nach einem Schulfest spurlos verschwind­et und nach zehn Jahren ohne Erinnerung plötzlich wieder auftaucht. Wie war das?

Henriette Confurius: Das war schon eine Herausford­erung, so eine Rolle zu entwickeln. Ich stelle ja eine junge Frau dar, die einen großen Teil ihres Lebens verloren und ein Trauma durchlebt hat. Für mich am Interessan­testen war zu erspüren: Was trieb diese Frau an? Sie will herausfind­en, warum sie sich nicht erinnern kann. Das war spannend.

Die Serie erzählt von der Suche nach Erinnerung und Vergessen, von Wahrheit, Glück und Flucht – auch vor der eigenen Familie. Wollten Sie auch schon mal vor irgendjema­ndem oder irgendetwa­s flüchten?

Confurius: In diesem Maße auf keinen Fall. Ich hatte in meiner Familie auch als Jugendlich­e immer viele Freiheiten. Darum gab es auch keinen großen Drang nach Flucht. Im Gegenteil, ich mochte diese Sicherheit meines Zuhauses, von der ausgehend ich ausfliegen und die Welt erkunden konnte. Ich hatte nie die Angst, den Boden unter meinen Füßen zu verlieren.

Wissen Sie, dass „Die verlorene Tochter“ein beliebter Filmtitel ist? Auf Wikipedia findet er sich in 15 verschiede­nen Produktion­en.

Confurius: Wow! Wusste ich nicht.

Sie spielten bereits mit acht Jahren als Schauspiel­erin. Wie kam das? Confurius: Ich bin da so reingeruts­cht, eher zufällig. Ich hatte nie den Wunsch, Schauspiel­erin zu werden. Aber ich wurde auch nicht dazu gezwungen. Meine ersten drei Filme habe ich mit einer Regisseuri­n gedreht, die inzwischen eine gute Freundin geworden ist. Im Grunde war es eine total schöne Zeit. Im ersten Film hat auch mein Cousin mitgespiel­t und meine Familie war dabei. Mir hat das dann richtig Spaß gemacht. Meine Tante, die Organistin ist, hat immer gesagt: Ich gehe jetzt mal spielen. Das ist bei mir als Perspektiv­e für die Zukunft hängen geblieben.

Sie waren zwar nicht zehn Jahre, aber immerhin ein Jahr einfach auch mal weg. Mit 17 Jahren gingen Sie auf eine Farm nach Irland. Warum, wollten Sie Landwirtin werden?

Confurius: Apropos, die Frage nach Flucht. Der Beruf Schauspiel­er hat in mir schon öfter den Impuls zu fliehen ausgelöst. Dadurch, dass ich so früh in diesen Beruf gekommen bin, hatte ich immer wieder mal das Bedürfnis, mich auch zu entscheide­n. Auf dieser Farm zu leben war dann auch eine sehr schöne Erfahrung. Denn ich mochte es schon immer, als Ausgleich zum Schauspiel handwerkli­ch tätig zu sein und körperlich zu arbeiten. Das ist schon etwas komplett anderes, wenn man morgens in den Stall muss, weil die Kühe versorgt werden müssen.

Wäre das beruflich eine Alternativ­e gewesen?

Confurius: Ich glaube zwar nicht, dass ich Bäuerin werden möchte, kann mir aber vorstellen, einmal auf dem Land zu leben. Nutztiere möchte ich allerdings keine haben.

Sie können angeblich nicht nur Traktor fahren, sondern malen auch gerne. Machen Sie das immer noch? Confurius: Ja.

Welchen Stil bevorzugen Sie? Confurius: Ich zeichne gerne mit Bleistift oder Filzstift. Und ansonsten male ich auch gerne in Öl. Oft male ich einfach aus dem Kopf. Ich kann aber nicht sagen, ob ich einen eigenen Stil habe.

Schriftste­ller wie Ihr Vater Gerrit Confurius stand nie zur Debatte? Confurius: Tatsächlic­h habe ich von meinem Vater eher das Malen. Das hat er uns als Kinder mitgegeben. Ich schreibe zwar gerne, aber nur für mich. Bei meinen Bildern könnte ich schon auf die Idee kommen, sie zu zeigen, meine Aufzeichnu­ngen behalte ich für mich.

Leben Sie immer noch in Wien? Confurius: Nein, schon seit fünf Jahren nicht mehr. Ich lebe inzwischen in Berlin.

Sie haben ja schon einige Preise bekommen: 2010 Grimme-Preis, 2009 und 2004 Förderprei­s des Deutschen Fernsehpre­ises. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnu­ngen?

Confurius: Das ist natürlich eine schöne Wertschätz­ung. Aber ich musste erst lernen, dass die damit verbundene Öffentlich­keitsarbei­t Teil des Berufs ist. Solche Preisverle­ihungen sind für mich als privater Mensch eher beängstige­nd.

Schon mal bereut, Schauspiel­erin geworden zu sein?

Confurius: Gute Frage. Müsste ich mit Ja oder Nein antworten, dann würde ich sagen: Nein! Aber es ist komplizier­ter.

 ?? Foto: Anita Bugge, Imago Images ?? Henriette Confurius, 28, sagt, sie hatte nie den Wunsch, Schauspiel­erin zu werden: „Ich bin da so reingeruts­cht, eher zufällig.“Heute ist sie richtig gut im Geschäft.
Foto: Anita Bugge, Imago Images Henriette Confurius, 28, sagt, sie hatte nie den Wunsch, Schauspiel­erin zu werden: „Ich bin da so reingeruts­cht, eher zufällig.“Heute ist sie richtig gut im Geschäft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany