Hetzjagd durch München
Tatort: Unklare Lage
ARD, 20.15 Uhr In einem Münchner Linienbus ist ein Fahrkartenkontrolleur erschossen worden. Der Täter, ein junger Mann, kann fliehen. Wenig später wird dieser vom SEK gestellt und erschossen. Nachdem ein terroristischer Hintergrund nicht auszuschließen ist und möglicherweise ein zweiter Mann ein Attentat plant, herrscht Ausnahmezustand in der Stadt. Denn jener Tom Scheuer hatte neben vielen Ersatzmagazinen ein Funkgerät im Rucksack. Der „Tatort“mit dem bezeichnenden Titel „Unklare Lage“ist auch kein Krimi, sondern bewusst ein Polizeifilm.
Der ganze Apparat, Führungsstab, SEK, Streifenpolizisten bis hin zu den Kommissaren Ivo Batic, Franz Leitmayr und „Kalli“Hammermann stehen im Mittelpunkt, sind Hauptfiguren dieser stilistisch sehr amerikanisch anmutenden Geschichte. Drehbuchautor Holger Joos erliegt nicht dem Klischee, bei den Täterfamilien nach dem Motiv für einen möglichen Schulamoklauf zu suchen. Zu Recht sagt Regisseurin Pia Strietmann: „Die Frage nach dem Wieso ist hier nicht das Thema. Eine Stadt fürchtet sich davor, dass es einen weiteren flüchtigen Amokläufer gibt. Panik, Spekulationen und Angst verselbstständigen sich.“
München wird abgeriegelt. Keine Autos, kein öffentlicher Nahverkehr. Die Stadt gehört der Medienmaschinerie, besonders den sozialen Netzwerken. Erinnerungen werden wach an den Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum 2016. Wenn sich so etwas wie eine Erklärung für das Verbrechen anböte, dann sind es Selbstinszenierung („Ein Einzelner unterhält die Welt“, wie der Täter meint), Schaulust und der Zorn über Lehrer und Polizisten („lauter Idioten“). Alles ist optisch zudem sehr einfallsreich umgesetzt, in den Szenen mit hohem Erzähltempo wie in den Ruhemomenten mit den in dunkles Licht getauchten Vernehmungen und Befragungen.
Der Zuschauer wird zum Begleiter der Kommissare, denen bei der Hetzjagd durch die Großstadt diesmal keine Zeit für Witzeleien bleibt. Man spürt ihren Stress, wenn sie sich in Sackgassen verzetteln, fühlt auch die Ratlosigkeit, die von der Polizeidirektorin ausgeht. Und Batic erlebt ein Ende, wie er es sicher nicht erwartet hat. Rupert Huber