Aktivist
Es gibt eine neue, allgegenwärtige Autorität in unserer Gesellschaft. Nein, es ist nicht die SPDDoppelspitze Nowabo/Eskens und auch nicht der Waldversteher Peter Wohlleben. Sondern: der Aktivist, wahlweise die Aktivistin. Sie wirken überall, sie sind selbstredend aktiv, sind unbedingt appellativ und gelegentlich hyperaktiv.
Aktivisten protestieren und agitieren, sie intervenieren pro-aktiv und fluten die Nachrichten. Es gibt prominente Aktivisten wie Greta Thunberg und Edward Snowden. Doch die meisten Aktivisten bleiben anonym, sie gehören Initiativen oder Bewegungen an und treten nur als Umwelt-Aktivisten, KlimaAktivisten, Menschenrechts-Aktivisten, Tierschutz-Aktivisten, Friedens-Aktivisten oder Datenschutz-Aktivisten in Erscheinung. Als Aktivposten in den wichtigen gesellschaftlichen und politischen Debatten verschaffen sich die Aktivisten Gehör. Schlagzeilen machen auch „Sterbehilfe-Aktivisten“, „Schwulen-Aktivisten“und „Charity-Aktivisten“. Inzwischen wird das Themenfeld auch immer öfter weggelassen. Dann steht der global agierende Aktivist solo da. Das Publikum weiß schon, was gemeint ist, wenn ein „kurdischer Aktivist“verhaftet wird oder ein „Hongkong-Aktivist“wieder freikommt – oder schlicht „Aktivisten“den Louvre in Paris blockieren.
Aktivisten tun was. Sie treten für ihre Sache ein, die nach allgemeiner Überzeugung die gute ist. Wer sie schmähen will, wirft ihnen Aktionismus vor. Nicht immer übrigens hatte der Aktivist den RobinHood-Nimbus und die moralische Imprägnierung, die ihn heute charakterisieren. Im Begriff schlummern diverse Vorbedeutungen, die heutige Aktivisten brüsk von sich weisen würden. Bis 1989 war der „Verdiente Aktivist“ein allgegenwärtiges Geschöpf der DDR-Nomenklatura, ein Held der sozialistischen Arbeit, ein Planübererfüller, ein King im Kollektiv. Kein Sand im Getriebe, sondern Schmieröl.
Während der Entnazifizierung in der Nachkriegszeit war Aktivist gar ein juristischer Fachterminus für besonders belastete Figuren der HitlerZeit. Aktivisten, die sich überboten im Beteuern ihrer Passivität, die angeblich „nichts gemacht haben“.