Wertinger Zeitung

Mister Rettungsdi­enst geht

Ruhestand Rund drei Jahrzehnte war Harry Bachler Chef der Sanitäter im BRK Kreisverba­nd Dillingen. Es gibt kaum eine Veränderun­g, die er nicht miterlebt hat. Viele Erinnerung­en begleiten ihn in die Rente

- VON TANJA FERRARI

Dillingen Fast neun Millionen Kilometer hat Harald Bachler, den alle nur „Harry“nennen, in seinem Arbeitsleb­en zurückgele­gt. Mehr als 350000 Einsätze verteilen sich auf über drei Jahrzehnte im Dienst. Zum Ende des vergangene­n Jahres hat sich der Leiter des Rettungsdi­enstes des BRK-Kreisverba­nds in Dillingen in die wohlverdie­nte Rente verabschie­det. Darüber, dass er es knapp 34 Jahre in der Donaustadt ausgehalte­n hat, muss Bachler noch heute schmunzeln. Der Liebe wegen war er in den 80er-Jahren in den Landkreis gekommen, dem er anfangs so gar nichts abgewinnen konnte. „Ich hätte nie gedacht, dass ich hier einmal in Rente gehen werde“, sagt er und lacht. Zwar schlägt sein Herz noch immer für die Berge und seine Heimat Langenneuf­nach im südlichen Landkreis von Augsburg, doch inzwischen verbindet ihn mit Dillingen eine eigene Geschichte.

Nur zwei Jahre nachdem er hergezogen war, übernahm er im Juli 1987 die Leitung des Rettungsdi­enstes. „Die Entscheidu­ng hatte ich mir nicht leicht gemacht“, erzählt er. Weil er über die nötige Erfahrung verfügte und gerne etwas von Grund auf habe ändern wollen, bewarb er sich für den Job. „Eigentlich wollte ich lieber weiterhin direkt mit den Patienten arbeiten, doch die Möglichkei­t musste ich nutzen“, erinnert er sich. Auch wenn Bachler bereits offiziell in seine Rente gestartet ist, verbringt er die ein oder andere Stunde noch am BRK-Standort in Dillingen. Trotz sorgfältig­er Übergabe kann der Mann, bei dem in den vergangene­n Jahren alle Fäden zusammenge­laufen sind, nicht so einfach in den Ruhestand verschwind­en. Der Umstand, dass ab und an noch seine Hilfe benötigt wird, stört ihn nicht. Im Gegenteil. Wenn er für ein Problem gerufen wird, begrüßt er zunächst alle mit seinem Credo: „Ganz ruhig bleiben.“So kennt man Harry.

Wie Bachler zum Rettungsdi­enst gefunden hatte, weiß er noch ganz genau. Als kleiner Bub ist er mit seinem Vater beim Tag der offenen Tür des Fliegerhor­sts in Lagerlechf­eld gewesen und hat dort die Luftrettun­g kennengele­rnt. „Ich war nicht am Starfighte­r interessie­rt, sondern fasziniert vom Luftrettun­gsmeister“, erzählt er. Was er damals zu sehen bekam, beeindruck­te ihn. Auch die Fernsehser­ie „Sprung aus den Wolken“verstärkte seine Begeisteru­ng. Da er für die Luftrettun­g noch viel zu jung war, begann er eine Sanitätsau­sbildung. Er sagt: „Auch dafür war ich eigentlich nicht alt genug, doch mit viel betteln konnte ich einen Platz ergattern.“Ob es für ihn der richtige Weg war, wusste Bachler zu diesem nicht. 1970 änderte sich das. Zufällig war er beim Baden, als ein Kind in das Wasser fiel. Ohne zu zögern belebte er es wieder und rettete sein Leben. Danach ist er sich sicher. Die Situation wird für ihn zum Schlüssele­rlebnis. Über den Krankentra­nsport und Unfalldien­st ging es anschließe­nd weiter zum Krankenpfl­eger. Während Bachler seinen Wehrdienst verrichtet­e, meldete er sich freiwillig bei den Fallschirm­jägern und nahm an Lehrgängen zur Luftrettun­g teil.

Bei über drei Jahrzehnte­n im Rettungsdi­enst hat der langjährig­e Leiter viele Entwicklun­gen und auch Veränderun­gen miterlebt. In seinen ersten Tagen sei noch vieles anders gewesen. Nicht nur, dass es weniger Einsätze gegeben habe, auch die Organisati­on sei eine andere gewesen. Eine offizielle Notrufnumm­er gab es nicht. Da ein Telefonans­chluss nicht überall selbstvers­tändlich war, hätten ehrenamtli­che Helfer oder Fahrer oftmals bei Einsätzen in der Nacht erst zu Hause abgeholt werden müssen. „Manch einer hatte beim Schlafenge­hen eine Schnur am Zeh befestigt, damit er vom Fenster aus geweckt werden konnte“, sagt er. Dann wurden Rettungsle­itstellen geschaffen, Funk auf Polizeifre­quenz eingeführt, und auch die Ausbildung wurde vereinheit­licht. „Es hat sich alles stetig verbessert“, sagt er. Inzwischen sei nicht mehr nur der Transport vorrangig, sondern die direkte Versorgung.

Schwierigk­eiten im Rettungsdi­enst gibt es allerdings noch immer: Beispielsw­eise zu wenig niedergela­ssene Ärzte oder die Spezialisi­erung von Kliniken. „Dadurch haben Betroffene viel längere Wege und Wartezeite­n vor sich“, betont Bachler. Der Ärztemange­l, der über die Feiertage im Landkreis Aichach-Friedberg diskutiert wurde, sei in Dillingen glückliche­rweise kein Problem. „Dass bei uns komplette Schichten ausfallen, kommt selten vor“, sagt er. Für einige Stunden könnte es allerdings ab und an einen Engpass geben. Das liege aber an den unterschie­dlichen Arbeitszei­ten von niedergela­ssenen Ärzten und Krankenhau­särzten. Auch dass Dienstplän­e erst kurzfristi­g voll werden, sei keine Seltenheit. Dass die Politik meist eher Probleme schafft, als sie zu lösen, damit kämpft Bachler seit vielen Jahren. Er erklärt: „Das ist wie bei einem Uhrwerk – die Politiker stehen meist nur vor den Zeigern und fragen sich, wieso diese nicht synchron laufen.“Werde dann etwas verändert, würden die einzelnen Zahnrädche­n nicht mehr gut ineinander­laufen. Das gelte auch für ein Pflichtjah­r im Freiwillig­endienst. „Alles lechzt nach Freiwillig­en – es ist aber falsch, das Dienstjahr zum Kaschieren des Fachkräfte­mangels zu nutzen“, appelliert er. In seiner Laufbahn hatte er mit hunderten Zivildiens­tleistende­n, Jugendlich­en, die den Bundesfrei­willigendi­enst absolviere­n, oder Auszubilde­nden zu tun. Unter dem Motto „Fordern und fördern“hat er viele Menschen auf ihren ersten Schritten im Rettungsdi­enst begleitet. „Einige sind Ärzte, Professore­n oder Sanitäter geworden“, sagt er stolz. Dass er ab und an sogar noch Kontakt zu ehemaligen Schützling­en hat, freut ihn besonders.

Doch er verbindet nicht nur posiZeitpu­nkt tive Erinnerung­en an drei Jahrzehnte im Rettungsdi­enst. „Es gibt kaum eine Straße im Landkreis, die ich entlangfah­re und nicht mit einem schweren oder sogar tödlichen Unfall in Verbindung bringe.“Die Belastung bei Einsätzen sei teilweise enorm. Wer eine Mutter um ihren tödlich verunglück­ten Sohn weinen sieht, der müsse das erst einmal verarbeite­n. Die Unterstütz­ung durch Kollegen und die Notfallsee­lsorge seien deshalb wichtig. Um das eigene Gewissen zu beruhigen, sollte im Nachgang immer darüber gesprochen werden, ob noch etwas anderes hätte getan werden können, rät er. „Am Ende tun wir unser Möglichste­s und sind nicht die, die darüber entscheide­n, ob ein Leben weitergeht oder nicht.“

Auf seine Rente freut er sich. Wie sein Leben nach dem Rettungsdi­enst aussieht, weiß er genau. Die beiden Töchter mit ihren drei Kindern und seine Frau hätten während seiner aktiven Zeit zu oft das Nachsehen gehabt. Das soll sich nun ändern. Auch dem Basteln, seinem Garten und dem Musizieren will sich Bachler widmen. „Alles verlangt nach Zeit, die ich jetzt hoffentlic­h habe.“

Für die Rente hat Bachler schon viele Ideen

 ?? Foto: Tanja Ferrari ?? Nach rund drei Jahrzehnte­n im Rettungsdi­enst verabschie­det sich Harald Bachler von seinen Aufgaben beim BRK Dillingen. In seiner Zeit als Sanitäter und Leiter hat er viele Veränderun­gen und Entwicklun­gen miterleben dürfen.
Foto: Tanja Ferrari Nach rund drei Jahrzehnte­n im Rettungsdi­enst verabschie­det sich Harald Bachler von seinen Aufgaben beim BRK Dillingen. In seiner Zeit als Sanitäter und Leiter hat er viele Veränderun­gen und Entwicklun­gen miterleben dürfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany