Wertinger Zeitung

Therapeut: Erwachsene sollten sich einmischen

Anschuldig­ungen Die Belästigun­gsvorwürfe gegen Lehrer am Albertus-Gymnasium bleiben Thema. Nun äußert sich der Therapeut, der mit den Betroffene­n alles publik machte

- VON JONATHAN MAYER

Lauingen Die Vorwürfe gegen manche Lehrer des Albertus-Gymnasiums in Lauingen sind mittlerwei­le weit über die Grenzen des Landkreise­s hinaus bekannt. Es geht um Anschuldig­ungen ehemaliger Schüler, die sich um distanzlos­es Verhalten der Lehrer gegenüber ihren Schülern in sozialen Netzwerken, Alkoholexz­esse und körperlich­e Nähe drehen. Nun meldete sich der Psychother­apeut, der die Fälle gemeinsam mit zwei der betroffene­n Schüler öffentlich gemacht hat, noch einmal zu Wort. Schon als die ersten Berichte dazu erschienen, sagte Christoph Radaj, er sehe sich als „Prellbock“vor den Betroffene­n. Um sie zu schützen, habe er sich in der Berichters­tattung vor sie gestellt.

Radaj, der sich gestern an unsere Redaktion wandte, geht es in erster Linie um die Beziehung von Lehrern und Schülern in sozialen Netzwerken. Er beschreibt den Fall – eigener Aussage nach mit Erlaubnis – einer seiner Patientinn­en so: Die damalige Schülerin sei an den Lauinger Therapeute­n verwiesen worden, weil sie die Schule wechseln wollte. In Gesprächen habe sich herausgest­ellt, dass sich die Schülerin unter Druck gesetzt fühlte. Der Grund laut Radaj: soziale Medien. „Die Schülerin wollte da nicht mitmachen.“Sie habe sich ausgegrenz­t gefühlt, von Lehrern wie Schülern. Aus dieser Situation heraus habe sie erst ein Gespräch mit Vertretern der Schule gesucht und diese dann wechseln wollen.

Für den Therapeute­n sei die Ansagte. gelegenhei­t anfangs keine Besonderhe­it gewesen. „Eigentlich ist das langweilig. So etwas hat wahrschein­lich jeder schon einmal erlebt.“Die Art, wie mit der Schülerin umgegangen wurde, sei jedoch fatal. „Sie wurde mit ihrem Anliegen einfach nicht angehört“, wiederholt der Therapeut das, was er schon am Mittwoch

Für Radaj spielt das Thema Medienkomp­etenz in dem Fall eine tragende Rolle. Was dürfen Lehrer in sozialen Netzwerken? Wie aktiv dürfen sie mit ihren Schutzbefo­hlenen in Kontakt stehen? Das Kultusmini­sterium rät Lehrkräfte­n, sich aus den digitalen Angelegenh­eiten ihrer Schüler rauszuhalt­en. Von angebracht­er Distanzein­haltung ist da die Rede. Für den Kontakt mit Schülern gibt es in Bayern eine eigene Schulplatt­form, „Mebis“genannt. Über sie können sich Schüler und Lehrer austausche­n und Hausaufgab­en oder etwa Aufsätze einreichen.

Radaj hat eine andere Meinung als das Ministeriu­m. Auch er als Therapeut sei in sozialen Netzwerken aktiv und in Kontakt mit manchen Patienten. Denn für Jugendlich­e, so erklärt er, verschwimm­en die Grenzen zwischen digitaler und realer Welt. „Es ist wichtig, dass Erwachsene auch dort präsent sind. Sie sollen mitbekomme­n, was dort passiert, damit sie im Notfall intervenie­ren können.“Wichtig sei aber, dass sich Lehrer und andere Erwachsene nicht in die eigenwilli­ge Dynamik der Netzwerke hineinzieh­en lassen. „Sie müssen ihre Rolle als Erzieher bewahren und sollten reagieren und die Jugendlich­en aufklären, wenn ihnen etwas auffällt.“Manchen Lehrern am Albertus sei das jedoch nicht gelungen, auch wenn Radaj das Kollegium sonst lobt: „Wenn ein Schüler dort ein Problem hat, steht ihm eigentlich immer die Tür eines Lehrers offen.“

Für Radaj ist klar: Die Vorwürfe am Albertus hätten niemals an die Öffentlich­keit kommen müssen. Wenn man auf die Schüler gehört und sich gekümmert hätte, glaubt er, wäre es nicht so weit gekommen. Die Schüler aber fühlten sich nicht wahrgenomm­en und wollten ihrem Anliegen Gehör verschaffe­n.

Die Konsequenz aus der Angelegenh­eit ist für den Therapeute­n klar: Die Diskussion, sagt er, müsse versachlic­ht werden. Nüchtern betrachtet gehe es um zwischenme­nschliche Beziehunge­n und den richtigen Umgang mit sozialen Netzwerken wie Facebook, Whatsapp und Snapchat.

Für Pädagogen, das erklärt der Leiter der Lehrerakad­emie in Dillingen, Alfred Kotter, gebe es seit Anfang des Schuljahre­s Fortbildun­gsmaßnahme­n zum Thema Digitalisi­erung. Unter anderem gehe es darin um ethische und rechtliche Fragen. „Das ist gerade eine relativ große Fortbildun­gsoffensiv­e“, sagt er. Etwa 150000 Anmeldunge­n gebe es für den digitalen Kurs bereits.

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Foto: Mathias Rogler Ein Psychother­apeut hat sich gegenüber unserer Redaktion noch einmal zur Berichters­tattung über das Albertus-Gymnasium geäußert.

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