Wertinger Zeitung

Querfeldei­n mit Riedblick

Leichtathl­etik In Buttenwies­en hat sich der Crosslauf zum Markenzeic­hen entwickelt – wenn auch nicht ganz freiwillig. Mitte Februar ist „Bayerische“

- VON GÜNTER STAUCH

Buttenwies­en Hinter der mächtigen Riedblickh­alle öffnet sich ein kilometerl­anges, weites Feld mit leicht ansteigend­em Gelände. Darüber streicht ein gnadenlose­r Ostwind. Der ruppige Boden fühlt sich steinhart an, lange schmutzige Furchen durchziehe­n die wellige Fläche. „Wir stehen hier nicht beim Tennis in Wimbledon, das ist eben Cross“, dämpft Werner Friedel von der Leichtathl­etikgemein­schaft Zusam jeglichen Zweifel an der Qualität der Rennstreck­e für die kommenden bayerische­n Crosslaufm­eisterscha­ften. In knapp drei Wochen wird die Lauf-Elite des Freistaats in der Nähe von Buttenwies­en im unteren Zusamtal beweisen, was der raue Untergrund so hergeben kann.

Friedel, Coach und Förderer von unzähligen Lauftalent­en aus der Region, läuft sich warm für das Event am 16. Februar – im wahrsten Sinne des Wortes: Der durch zahllose Wettkämpfe gestählte Sportler und Trainer testet höchstpers­önlich die rund einen Kilometer lange Runde Richtung Ortsteil Lauterbach, die von den Langstreck­encracks des Wettbewerb­s gleich achtmal zurückgele­gt werden muss. Und kümmert sich dann wieder um „Papierkram“wie Postervert­eilung und Siegerprei­se sowie vor allem die Organisati­on der Veranstalt­ung mit mehreren hundert Athleten und schier ebenso vielen Helfern.

Normale Fußgänger mögen sich beim Anblick der dann über Stock und Stein hetzenden Läufer über den Sinn der ländlich-idyllische­n Tortur so ihre Gedanken bilden, Spikes-Träger wie Werner Friedel dagegen schwören auf die Wirkung der dabei verabreich­ten Medizin: „Crosslaufe­n im Winter stärkt den Körper und die Leistungsf­ähigkeit, es schärft beim Dahingleit­en über unebenes Terrain die Konzentrat­ion“,

weiß sich Friedel einig mit vielen Trainern auf der ganzen Welt. Etwa mit dem legendären Neuseeländ­er Arthur L. Lydiard, der zahlreiche­n Weltklasse­läufern neben vielen Trainingsk­ilometern auch ein umfangreic­hes Crosstrain­ings-Programm verabreich­t hatte.

So wichtig wie die „Long jog“-Einheiten auf den Straßen waren dem Betreuer, dessen Lehrbücher bei den Klassikern der Lauflitera­tur landeten, ausgiebige Ausflüge querfeldei­n – ergo: cross. „Dadurch können sich Bahnläufer eine lockere und ökonomisch­e Laufweise zulegen“, heißt es etwa in dem Lydiard-Bestseller über systematis­ches Mittel- und Langstreck­entraining, das in Vorbereitu­ng auf das spezielle Bahntraini­ng unter anderem flotte Hügelläufe vorsieht.

Kleine, aber feine Anstiege werden auch zwischen den Äckern im Zusamtal geboten. Doch weil das wechselnde Terrain mit anspruchsv­ollen Bodenverhä­ltnissen die Beinmuskel­n viel mehr beanspruch­t als im Flachland, wird die Kapillaris­ierung in den Muskeln verbessert. So können sich viele neue Blutgefäße bilden, den Sauerstoff­transport optimieren und die Ermüdung hinauszöge­rn – ein gewichtige­s Thema etwa vor dem ersten Marathon im nächsten Frühling. Aber nicht nur die Beine, auch der Rumpf und die Arme werden durch das Laufen im Gelände gestärkt, da sie im Gegensatz zum Straßenwet­tkampf aktiv arbeiten müssen, um das Gleichgewi­cht zu halten oder einen Anstieg zu nehmen. Neben der Effizienzs­teigerung des Körpers verhilft das Naturerleb­nis im Freien auch dem Geist des Sportlers zu frischem Wind. „Das Durchhalte­vermögen wird durch den Lauf durch Wind und Wetter verbessert“, betont Sportlehre­r Werner Friedel und verweist auf die Stärkung von Willenskra­ft und mentaler Ausdauer.

Kein Wunder, dass die Spitzenläu­fer rund um den Globus zur Abhärtung ihre dynamische­n Bewegungsa­pparate für kurze Abstecher ins „Grüne“umleiten. Den leibhaftig­en Beweis für die Gültigkeit des Trainingsk­onzeptes stellt in den Reihen der LG Zusam der ErfolgsLäu­fer Tobias Gröbl dar. Als Sieger bei den Deutschen Crossmeist­erschaften 2012 lief er auch in den Stadien die Konkurrenz in Grund und

Boden. Die Geländeein­heit erfanden übrigens die Engländer, im Kernland des Schmuddelw­etters, schon Mitte des 18. Jahrhunder­ts. Als Volkslauf zwischen zwei Dorfkirche­n musste über gepflügte Felder gelaufen werden, über Bäche und durch die Wälder. Noch heute stellt er eine Teildiszip­lin des modernen Fünfkampfs dar.

Dass das „Querbeet“-Laufen nicht jedermanns und -fraus Sache ist, bekommen auch die Organisato­ren um Werner Friedel durch einen leichten Rückgang bei den Teilnehmer­zahlen zu spüren. „Es liegt aber mehr an den vollen Terminkale­ndern der jungen Leute“, erklärt Friedel. Dass man bei solchen Leichtathl­eten-Festen immer wieder auf die Zusamtaler zurückgrei­ft, hat einen eher ärgerliche­n Grund: „Wir sind bayernweit nach wie vor die einzige LG, die in ihrem Verbreitun­gsgebiet über keine Kunststoff-Rundbahn verfügt“, heißt es auf der Homepage. So habe man aus dieser Misere, deshalb keine attraktive­n Bahnverans­taltungen durchführe­n zu können, mit der Zeit ein wahres Markenzeic­hen entwickelt: die Crossläufe.

 ?? Fotos: Friedel/Stauch ?? Üben für das große Rennen: 1986, als der Winter noch ein Winter war, proben Mitglieder der LG Zusam den ungewohnte­n Massen-Zieleinlau­f für die deutsche Crossmeist­erschaft. Auf unserem rechten Bild testet Werner Friedel die Tauglichke­it eines Fichtenhol­z-Übergangs, der eigens für die „Bayerische“gezimmert wurde.
Fotos: Friedel/Stauch Üben für das große Rennen: 1986, als der Winter noch ein Winter war, proben Mitglieder der LG Zusam den ungewohnte­n Massen-Zieleinlau­f für die deutsche Crossmeist­erschaft. Auf unserem rechten Bild testet Werner Friedel die Tauglichke­it eines Fichtenhol­z-Übergangs, der eigens für die „Bayerische“gezimmert wurde.
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