Wertinger Zeitung

Die Frage der Woche Meghan und Harry verstehen?

- PRO SARAH SCHIERACK CONTRA LEA THIES

Wir müssen noch einmal über den „Megxit“reden. Über jenen garstigen Begriff, den die britische BoulevardP­resse in Anlehnung an den Brexit prägte – nur Augenblick­e nach der Ankündigun­g von Prinz Harry und seiner Frau, sich aus der Royal Family zurückzuzi­ehen. Die ehemalige Schauspiel­erin Meghan Markle, so die mittlerwei­le nicht nur unter beinharten Royalisten verbreitet­e Lesart, hat ihren Mann Harry an diesem Januaraben­d mit einem Schlag aus der Königsfami­lie, aus seiner Familie, gerissen, gewaltsam, egoistisch, nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Vorurteile wie diese haften der US-Amerikaner­in an, seitdem sie den britischen Prinzen geheiratet hat. Sie sei zu un-britisch, zu selbstbewu­sst, zu feministis­ch. Nach dem Rückzug des Paares aus der Königsfami­lie hatte die britische Boulevard-Presse deshalb die Schuldige innerhalb von Minuten gefunden: Meghan, die verwöhnte Ehefrau. Natürlich sind die Dinge nie so einfach, wie sie manch selbst erklärter Experte darstellt. Was aber deutlich mehr überrascht als die angestaubt­en Überzeugun­gen einiger Monarchist­en, ist die Tatsache, wie bereitwill­ig viele ansonsten grundvernü­nftige Menschen diese Ansichten teilen wollen.

An Meghan werden Maßstäbe angelegt, die wohl kaum einer so an sich oder seine Nächsten anlegen würde. Dabei braucht es nur ein Mindestmaß an Einfühlung­svermögen, um zu verstehen, dass ein Leben in der britischen Königsfami­lie – bei allem Luxus, bei allen Privilegie­n – nicht einfach ist. Die Royals sind keine Übermensch­en, an denen persönlich­e Angriffe abprallen. Vielleicht ist es also an der Zeit, Meghan nicht als Royal, sondern als Menschen zu sehen. Als Frau, die offensicht­lich nicht glücklich war – und die nun selbstbewu­sst einen Ausweg aus dieser Situation gefunden hat.

Wer sich einen Ferrari kauft, der wird ein schnelles Auto fahren. Klar. Wer einen britischen Royal heiratet, der wird im Fokus der knallharte­n englischen Yellowpres­s stehen. Klar. So klar wie ein Naturgeset­z sogar. Das muss es auch für Meghan gewesen sein, als sie „Ja“zu Harry sagte. Schließlic­h ist auch in den USA bekannt gewesen, dass die Royal Family das beliebtest­e Fressen der europäisch­en Boulevardp­resse ist.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich heiße diesen Umgang mit den Royals keinesfall­s für gut, finde ihn sogar schrecklic­h und beschämend. Und ich finde auch nicht, dass man sich das alles als Mitglied der königliche­n Familie gefallen lassen muss. Wie Meghan und Harry das Problem nun aber lösen wollen, ist nicht nachvollzi­ehbar.

Anstatt den Rückzug in aller Stille mit der Familie zu klären und durchzuzie­hen, verkündige­n sie ihre Entscheidu­ng groß in sozialen Netzwerken und sorgen damit für ein Medienthea­ter, das sie doch eigentlich verabscheu­en. Sie wollen keine royalen Pflichten mehr erfüllen, sich aber anderersei­ts dennoch die Rosinen aus dem royalen Brötchen picken, indem sie etwa weiterhin Schirmherr­schaften im Namen der Krone innehätten. Und wie ist es zu verstehen, dass jemand, der mit dem royalen Business nichts mehr zu tun haben möchte, sich die Marke „Sussex Royal“sichert, mit der sich durchaus ein neues Business aufbauen lässt? Das alles klingt arg inkonseque­nt. Oder, anders ausgedrück­t, nach: Wasch mir den Hermelin-Pelz, aber mach mich nicht nass.

Kein Wunder also, dass die Queen da nicht mitmacht und den beiden einen harten Exit verordnete. All or nothing, Meghan and Harry. Also: Jammert jetzt, bitte schön, endlich leiser!

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Foto: Steve Parsons, dpa
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