Wertinger Zeitung

Digitalisi­erung macht den Deutschen Angst

Umfrage Beschäftig­te fürchten Jobverlust, Politik will mit Qualifizie­rung gegensteue­rn

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die Wirtschaft verändert sich: Neue Technologi­en werden entwickelt, neue Jobs entstehen. Aber nicht jeder freut sich über den Wandel. Fast drei Viertel (73 Prozent) der Menschen in Deutschlan­d haben einer aktuellen Umfrage zufolge Angst vor einem Verlust ihres Arbeitspla­tzes. Im Zentrum steht für viele der technologi­sche Wandel, wie die Beratungsa­gentur Edelman in ihrem aktuellen „Trust Barometer“ausgewerte­t hat. Der Bericht soll an diesem Montag in Berlin vorgestell­t werden, er lag der Deutschen Presseagen­tur vorab vor.

„Die Menschen ahnen eine schlechte Zukunft voraus, sie sind nervös“, sagt Agenturche­f Richard Edelman. Befürchtet werde, dass mit der zunehmende­n Automatisi­erung Arbeitsplä­tze wegfielen. Ganz unbegründe­t ist diese Frucht nicht. Eine Analyse des Center of Automotive Research (CAR) an der Universitä­t Duisburg-Essen kam erst vor kurzem zu der Einschätzu­ng, dass bis 2030 fast 234 000 Stellen bei Automobil-Hersteller­n und Zulieferer­n in Deutschlan­d wegfallen könnten. Bereits jetzt sinkt die Autoproduk­tion – einer der wichtigste­n Industriez­weige – im Land: 2019 laut CAR mit 4,67 Millionen Stück auf den tiefsten Wert seit 22 Jahren. Audi baut bis 2025 in Deutschlan­d 9500 Stellen ab, im Gegenzug sollen nur 2000 Arbeitsplä­tze in Bereichen wie E-Mobilität und Digitalisi­erung neu entstehen. Bei Daimler wird ein Sparprogra­mm in den kommenden drei Jahren mindestens 10 000 Stellen kosten.

Aus der Furcht um den Arbeitspla­tz entstehe auch Angst, weniger Geld zu verdienen oder soziale Anerkennun­g zu verlieren, sagt Agenturche­f Richard Edelman. Der Studie zufolge findet die Hälfte der Menschen hierzuland­e, der technologi­sche Wandel schreite mit zu hoher Geschwindi­gkeit voran. Wirtschaft und Regierung müssten Hand in Hand arbeiten, um das Vertrauen der Menschen wiederzuge­winnen, sagt Edelman. Wichtig seien etwa faire Löhne sowie Möglichkei­ten bei der Mitarbeite­rschulung. Als Möglichkei­ten nannte Edelman steuerlich­e Anreize für Unternehme­n, zum Beispiel bei der Aus- und Weiterbild­ung oder bei Angeboten eines Fernstudiu­ms für die Mitarbeite­r.

Auch die Politik will die Folgen der Digitalisi­erung mithilfe von Schulungen abfedern. „Ich nehme die Sorgen ernst“, sagt Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) unserer Redaktion. Der beste Schutz vor Arbeitslos­igkeit sei Qualifizie­rung. „Unsere Schätzunge­n gehen davon aus, dass durch den digitalen Wandel innerhalb des nächsten Jahr

Minister Heil rechnet mit Millionen neuen Stellen

zehnts bis zu 1,3 Millionen Jobs wegfallen können, aber auch 2,1 Millionen neue Arbeitsplä­tze entstehen“, sagt der Minister. „Mit dem Qualifizie­rungschanc­engesetz haben wir den Unternehme­n ein starkes Instrument gegeben, um in ihre Belegschaf­ten zu investiere­n und diese für neue Aufgaben zu qualifizie­ren.“Mit dem geplanten Arbeit-von-morgen-Gesetz wolle sein Ministeriu­m Qualifizie­rung und Weiterbild­ung für Unternehme­n erleichter­n, die im Strukturwa­ndel stecken. „Mein Ziel ist es, dass alle von der Digitalisi­erung profitiere­n und nicht nur wenige“, betont Arbeitsmin­ister Heil.

Das Vertrauen, dass dies gelingen könnte, ist allerdings eher gering ausgeprägt. Nur etwa jeder Vierte (23 Prozent) erwartet, dass es ihm in den kommenden fünf Jahren ökonomisch besser gehen wird. Mehr als die Hälfte stellte demnach den Kapitalism­us (55 Prozent) und das bestehende System infrage (61 Prozent). Das „Edelman Trust Barometer“ist eine Studie, die jährlich erstellt wird. » Kommentar

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