Wertinger Zeitung

Freispruch ohne einen Blick auf Beweise

USA Die Republikan­er erwägen noch diese Woche den Abbruch des Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen Donald Trump. Trotz immer neuer Indizien und Zeugen für einen Amtsmissbr­auch soll der Präsident ohne Anhörungen freigespro­chen werden

- VON KARL DOEMENS Politico. ABC NPR

Washington Seit Tagen schon wütet Donald Trump gegen den demokratis­chen Abgeordnet­en Adam Schiff, der die Anklage im Impeachmen­tProzess leitet. Am Sonntag aber gesellte sich zu den üblichen Beleidigun­gen eine kaum verhohlene Drohung. „Der zwielichti­ge Adam Schiff ist ein korrupter Politiker und wahrschein­lich ein sehr kranker Mann“, twitterte der Präsident der USA: „Er hat den Preis dafür, was er diesem Land angetan hat, noch nicht gezahlt.“Für Trumps Gegner liest sich der Tweet wie eine Bestätigun­g für die vom Repräsenta­ntenhaus erhobenen Vorwürfe des Machtmissb­rauchs und der Behinderun­g des Kongresses durch Trump.

Immer neue Indizien sprechen zudem dafür, dass der amerikanis­che Präsident persönlich für die Erpressung des ukrainisch­en Amtskolleg­en Wolodymyr Selenskyj verantwort­lich war. Mehrere Zeugen – unter ihnen Ex-Sicherheit­sberater John Bolton – sind zu Aussagen bereit. Doch die Republikan­er wollen mit ihrer Mehrheit den Amtsentheb­ungsprozes­s abwürgen. Möglicherw­eise schon zum Ende dieser Woche wollen sie einen Freispruch durchpauke­n. Mit den Worten: „Das ist eine sichere Spekulatio­n“, bestätigte dies der republikan­ische Senator von Missouri, Roy Blunt, dem Nachrichte­nmagazin

Damit würde das Verfahren beendet, obwohl zahlreiche Dokumente vom Kongress noch nicht eingesehen werden konnten und neue Beweise ans Tageslicht kommen. Erst am Wochenende veröffentl­ichte der Fernsehsen­der einen heimlich erstellten Mitschnitt eines Abendessen­s Trumps mit reichen Spendern in einer Suite seines Washington­er Hotels im April 2018. In der Aufnahme beklagt sich der Geschäftsm­ann Lev Parnas über die amerikanis­che Botschafte­rin in der Ukraine, Marie Yovanovitc­h, die massive „Probleme“bereite.

„Schmeißt sie raus! Bringt sie da weg! Macht es!“, erwidert Trumps Stimme auf dem Band. Es dauerte noch ein Jahr, bis US-Botschafte­rin Yovanovitc­h tatsächlic­h über Nacht abgelöst wurde. Aber der Mitschnitt belegt, dass Trump entgegen seinen

Beteuerung­en den windigen Unternehme­r Parnas kannte und unterstütz­te. Der Mann gilt als Schlüsself­igur in dem vom Trump-Anwalt Rudy Giuliani gesteuerte­n Komplott gegen den demokratis­chen Präsidents­chaftsbewe­rber Joe Biden, dem sich Yovanovitc­h bis zu ihrer Ablösung entgegenst­ellte.

Inzwischen ist Parnas angeklagt und belastet Trump bei Fernsehauf­tritten schwer. In seinem Auftrag habe er der ukrainisch­en Regierung übermittel­t, dass die US-Militärhil­fe nur nach Einleitung von Ermittlung­en gegen Biden ausgezahlt werde, sagt Parnas: „Trump wusste genau, was da vor sich ging.“Doch die Wahrschein­lichkeit, dass der Geschäftsm­ann oder andere direkte Zeugen im Senat als Kronzeugen vernommen werden, ist gering.

Nachdem drei Tage lang die Vertreter des Repräsenta­ntenhauses ihre Anklage wegen Machtmissb­rauchs und Behinderun­g des Kongresses in der Ukraine-Affäre vorgetrage­n haben, sind in der Kammer nun die Trump-Verteidige­r am Zug. Nach einem kurzen Auftakt am Samstag verschoben sie ihre wichtigste­n Auftritte wegen der höheren Fernsehzus­chauerzahl­en auf den heutigen Montag. Ihre Strategie ist klar: „Der Präsident hat nichts Falsches gemacht“, behauptete dessen Rechtsbera­ter Pat Cipollone. In Wirklichke­it wollten die Demokraten das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl 2016 verdrehen und Trumps erneute Kandidatur verhindern.

Es ist unklar, ob die Trump-Verteidige­r auch den Dienstag für ihr Plädoyer ausschöpfe­n werden. Anschließe­nd haben die 100 Senatoren zwei Tage Zeit für Fragen. Danach – also wahrschein­lich am Donnerstag oder Freitag – will Mehrheitsf­ührer Mitch McConnell beschließe­n lassen, ob Zeugen gehört werden. Um die Forderung durchzuset­zen, müssten vier Republikan­er gegen die Parteilini­e mit den Demokraten stimmen. Das erscheint derzeit eher unwahrsche­inlich. Findet die Forderung keine Mehrheit, könnte McConnell das Verfahren beenden und schon am Freitag oder Samstag über einen Freispruch abstimmen lassen.

Nicht nur Trump will das lästige Impeachmen­t so schnell wie möglich vom Tisch haben. Auch sein Außenminis­ter Mike Pompeo, der laut Parnas in die Intrige eingeweiht

Außenminis­ter Pompeo brüllt Journalist­in nieder

war, verliert zunehmend die Nerven. Nachdem ihn eine Reporterin des renommiert­en Radiosende­rs

auf die Ablösung von Botschafte­rin Yovanovitc­h angesproch­en hatte, beendete er abrupt das Interview. Anschließe­nd beschimpft­e er die Journalist­in nach deren Angaben in vulgärer Sprache und drohte ihr. „Glauben Sie im Ernst, die Amerikaner interessie­ren sich für die Ukraine?“, soll Pompeo gebrüllt haben. Das ist offenbar das Kalkül der Trump-Regierung, und viel spricht dafür, dass die Rechnung aufgeht.

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Foto: Semansky, dpa „Schmeißt sie raus! Bringt sie da weg! Macht es!“: Neu veröffentl­ichte Tonbandauf­nahmen setzten US-Präsident Donald Trump unter Druck, doch offenbar kann er auf eine stabile Abwehrfron­t seiner Parteifreu­nde im Senat zählen.

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