Wertinger Zeitung

Ein Ratespiel unter Hunden

Tierkolumn­e Einer hat lustige Schlappohr­en, einer mürrische Falten rund ums Maul und einer so viele Locken, dass man sein Gesicht kaum erkennt. Wie sollen sich Bello und Kollegen da noch richtig verständig­en?

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Im Wolfsrudel ist alles so einfach: Ein kleines Zurückzieh­en der Oberlippe hier, ein Anlegen des Ohres dort, schon weiß der Artgenosse, welche Stimmungsl­age herrscht und wie er sich jetzt am besten verhält. Die Jungen lernen von den Alten sämtliche feinen Signale der lautlosen Kommunikat­ion. Mit mindestens 60 verschiede­nen Gesichtsau­sdrücken zeigen Wölfe ihre Stimmung an.

Unsere Haushunde können da schon lang nicht mehr mithalten. Ein Grund dafür: Sie wachsen in den ersten Lebenswoch­en nicht zusammen mit vielen anderen Hunden auf, sondern sind in der Regel mit ihrer Mutter allein. Halbstarke Teenager, Rüden, die ihre Ruhe haben wollen, oder Hündinnen, die mit ihrem eigenen Nachwuchs beschäftig­t sind, kommen im Umfeld der Hundewelpe­n bis zur achten Woche kaum vor. Entspreche­nd weniger Signale lernen sie kennen.

Dass die Kommunikat­ionsfähigk­eit der Haushunde im Vergleich zu jener der Wölfe schlecht abschneide­t, hat noch eine weitere

Ursache. Man stelle sich vor, es treffen sich fünf Hunde bei einem Spaziergan­g. Nummer 1 ist ein Basset mit Schlappohr­en, die bis auf den Boden reichen. Nummer 2 ist eine Bordeaux-Dogge, groß, massig und mit zerknautsc­hter Schnauze. Ein Bobtail ist Nummer 3. Er müsste wieder einmal zum Friseur, denn seine Stirnfrans­en hängen ihm tief ins Gesicht. Nummer 4 ist Mops, der alle anderen mit seiner kurzen Nase beschnuppe­rt. Und dann kommt noch ein Husky hinzu, der am ehesten dem Wolfstyp entspricht. Die Kommunikat­ion unter den Hunden birgt jetzt jede Menge Missverstä­ndnisse. Der

Basset kann kein Ohr zurücklege­n, die Bordeaux-Dogge zieht ständig die Lefzen nach unten, den Bobtail hinter seinem Vorhang kann keiner der anderen erkennen und der Mops hat permanent gekräuselt­e Zornesfalt­en auf seiner Stupsnase. Der Husky versteht in dieser

Rücken legen – jede dieser deutlich sichtbaren Verhaltens­weisen hat einen für den anderen Hund unmissvers­tändlichen Hintergrun­d – aber nur, wenn der ebenfalls weiß, worum es geht.

Zwar sind die körperspra­chlichen Signale angeboren, aber die Kunst, sie richtig zu lesen, will im Welpenalte­r gelernt sein. Dafür sind wir Menschen zuständig, denn wir holen uns Welpen ins Haus, die ihre eigene Sprache noch unvollstän­dig sprechen. Gleichzeit­ig studieren wir mit dem Tier sofort eine Fremdsprac­he ein, nämlich die Kommunikat­ion mit uns Menschen. Penetrante­s Betteln oder das nervige Winseln um Aufmerksam­keit kommen im Hundewörte­rbuch nicht vor, diese Vokabeln verwenden Hunde nur in Bezug auf Zweibeiner.

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Foto: ksuksa, Adobe Stock Was will er uns sagen? Ein Basset kann seine Schlappohr­en nicht zurücklege­n. Das wissen andere Hunde aber nicht.
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Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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