Wertinger Zeitung

Chinas Wirtschaft hofft noch

Krise Die Ferienreis­ewelle könnte die Ausbreitun­g des ansteckend­en Virus beschleuni­gen. Doch weil die meisten Urlaub machen, sind die Auswirkung­en für die Betriebe eher gering

- VON FABIAN KRETSCHMER UND STEFAN KÜPPER

Peking/Augsburg Am Sonntag trat Ma Xiaowei, der Leiter der nationalen Gesundheit­skommissio­n, gleich mit zwei Hiobsbotsc­haften vor die internatio­nale Presse in Peking: Zum einen würde sich die Übertragun­gsfähigkei­t des mysteriöse­n Coronaviru­s verbessern. Und der neuartige Erreger aus Wuhan sei auch während der Inkubation­szeit ansteckend. Dies macht eine Eindämmung ungleich schwerer, schließlic­h dauert es bis zu zwei Wochen, dass unwissentl­ich Infizierte erste Symptome der Lungenkran­kheit zeigen.

Bereits jetzt ist deutlich, dass der Virus-Ausbruch neben der menschlich­en Tragödie auch zu wirtschaft­lichen Einbußen führen wird. Die Epidemie erfolgt schließlic­h zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt: Die derzeit stattfinde­nde Ferienwoch­e zum chinesisch­en Neujahr gilt als eine der wichtigste­n Perioden für den Binnenkons­um. 2019 gaben die Chinesen während dieser Zeit umgerechne­t 149 Milliarden Dollar aus – vor allem in den Bereichen Gastronomi­e, Tourismus und Einzelhand­el. Aufgrund der Quarantäne und der verunsiche­rten Stimmung sind genau jene Bereiche nun besonders eingebroch­en.

Das wird die angeschlag­ene Wirtschaft weiter schwächen. Derzeit wächst diese nur mit 6,1 Prozent, so langsam wie seit 30 Jahren nicht mehr. In einer ersten Einschätzu­ng geht der Analysedie­nst Economist Intelligen­ce Unit von einem Einbruch des Wirtschaft­swachstums von bis zu einem Prozentpun­kt für 2020 aus. Die nächsten Tage und

Wochen werden entscheide­nd dafür sein, ob sich die Gesundheit­s- auch zur Wirtschaft­skrise auswächst.

Das schätzen auch deutsche Wirtschaft­svertreter so ein. Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtsc­haft zeigt sich auf Anfrage dennoch verhalten optimistis­ch: „Wir können zurzeit nur den Vergleich zum Sars-Virus 2003 ziehen. Dort hielten sich die negativen Wirkungen für die chinesisch­e Wirtschaft auch aufgrund der weltweiten Hochkonjun­ktur und des rasanten chinesisch­en Wachstums von über zehn Prozent in Grenzen.“Heute sei das Umfeld ungünstige­r, etwa wegen des niedrigere­n Wachstums. Aber, so Langhammer: „Sollten die sehr drastische­n Kontrollen gegen die weitere Ausbreitun­g greifen, schätze ich die Auswirkung­en für das chinesisch­e Wachstum moderat ein, zumal die Regierung die negativen Auswirkung­en auf den Einzelhand­el mit konjunktur­stimuliere­nden Maßnahmen im Jahresverl­auf kompensier­en kann.“In Deutschlan­d müssten sich, so Langhammer, vor allem der Einzelhand­el, der Tourismus und die Branchen in der Fertigware­nindustrie wappnen, die aus den betroffene­n Städten zugeliefer­t bekommen und warten müssen, bis sich die Lage beruhigt hat.

Der Außenwirts­chaftschef Volker Treier vom Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertag erklärt, die deutsche Wirtschaft vor Ort befürchte zunächst vor allem, dass es zu weniger Geschäftsr­eisen nach China komme und dies den Handel indirekt treffen werde. Der Großteil der deutschen Firmen sei aber wegen des Frühlingsf­estes ohnehin noch bis Ende Januar geschlosse­n.

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Foto: Xiong Qi, XinHua, dpa Nur noch mit Mundschutz bedient werden Kunden dieser Tage in China. Hier ein Bild vor einer Apotheke.

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