So rüstet sich Bayern gegen das Coronavirus
Medizin Die „Task-Force Infektiologie“kämpft gegen unsichtbare Gegner
München An die Schweinegrippe im Jahr 2009 kann Bernd Wicklein sich noch gut erinnern. „Das war die intensivste Zeit“, sagt er. „Da waren wir jeden Tag von fünf Uhr morgens bis kurz vor Mitternacht im Dienst. Ich konnte mich manchmal gar nicht daran erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin. So erschöpft sind wir gewesen.“Wicklein arbeitet für die „Task-Force Infektiologie“am Münchner Flughafen. Die steht in diesen Tagen wegen des neuen Coronavirus in China möglicherweise wieder vor einer intensiven Zeit – und ist noch wachsamer als sonst.
Um die 40 Flugbewegungen gibt es nach Angaben eines FlughafenSprechers pro Woche zwischen München und China. Die Region Wuhan wird nicht direkt angeflogen, von nirgendwo aus Deutschland. „Trotzdem kann es natürlich auch in Deutschland zu Verdachtsfällen kommen“, sagt Wickleins Chef Martin Hoch, der Leiter der 2014 ins Leben gerufenen Task-Force. „Aber im Moment sieht es nicht so aus, als ob wir es mit einem zweiten SARS zu tun haben.“Die Task-Force ist am bayerischen Landesamt für Gesundheit (LGL) angesiedelt und nach dessen Angaben ziemlich einzigartig in Deutschland. Sollte es einen Notfall mit ansteckenden Krankheiten geben, übernimmt die Einheit die Einsatzleitung. Sie ist dabei nicht nur für den Münchner Flughafen zuständig, sondern auch für die in Nürnberg und Memmingen und die Schiffshäfen in Passau und Lindau.
Ihren mit Schutzanzügen und Atemmasken überfüllten Einsatzraum hat die Task-Force direkt am Münchner Rollfeld – denn manchmal muss es schnell gehen. „Wenn ein Alarm kommt, haben wir auch die Möglichkeit, ein Flugzeug zu separieren und am Rand abzustellen, um es zu untersuchen“, sagt Siegfried Ippisch, Organisatorischer Infektionsschutzleiter der fünfköpfigen Task-Force, der noch ein weiterer Arzt und eine Epidemiologin angehören. Im Verdachtsfall rücken sie dann an mit ihren Koffern voller Schutzanzüge, Atemmasken – und einem Fern-Fieberthermometer.
Sie sprechen mit den Patienten, finden heraus, wo sie in der jüngeren Vergangenheit waren und ob sie sich dort mit einer schweren Krankheit haben anstecken können. Sie veranlassen eine Probenentnahme, die – je nach Verdacht – in einem Labor des Landesamtes oder in Hochsicherheitslaboren, wie das Robert-KochInstitut (RKI) sie hat, untersucht werden. Und sie sorgen dafür, dass tatsächlich infizierte Patienten so schnell wie möglich auf die Sonderisolierstation des Schwabinger Krankenhauses gebracht werden. Das Flugzeug, mit dem sie landeten, wird in solchen Fällen desinfiziert.
Die Einsatztruppe hat einen konkreten Alarmplan. „Es gibt da mehrere Eskalationsstufen“, sagt Ippisch. Zunächst gehe es vor allem um Information. In Sachen Coronavirus sind in Bayern schon die Ärzte informiert worden, damit sie Augen und
Ohren offenhalten. In einem weiteren Schritt würden dann Flyer ausgeteilt, die schon in Vorbereitung sind, oder Informationen auf Bildschirmen im Flughafen verbreitet. Stufe drei ist dann, wenn Kontrolleure sich die Passagiere, die in München landen, ganz genau anschauen.
Der letzte Schritt auf der Eskalationsskala wäre dann beispielsweise, Flüge aus Risikogebieten komplett zu streichen. So lange Ippisch und Wicklein am Flughafen arbeiten (und das ist schon eine ganze Weile), ist das allerdings noch nicht vorgekommen. Häufig werden nach Angaben der Task-Force aber Masern oder Windpocken gemeldet. Und drei, vier Mal im Jahr gebe es „etwas Großes“– den Verdacht auf Ebola oder Lassafieber zum Beispiel. Bestätigt habe der Verdacht sich bislang noch nie – „zum Glück“.