Wertinger Zeitung

Mein Vater ist Ludwig van Beethoven

Theater Regensburg Uraufführu­ng der Oper „Minona“, die eine durchaus wissenscha­ftliche These auf die Bühne bringt

- VON MICHAELA SCHABEL

Regensburg Die Bühne dreht sich vom Salon zur Bibliothek, von pietistisc­h-karger Räumlichke­it zu vergittert­er Psychozell­e, von einer Mini-Kabine zu einer Gruft. Irgendwo steht immer der Flügel – als Symbol der Musik Beethovens, ja der Musik schlechthi­n. Der Meister selbst ist nur als Büste präsent.

Als alte verzweifel­te Frau, als uneheliche Tochter Beethovens blickt Minona auf ihr Leben zurück, das sich in der Erinnerung chronologi­sch zusammenfü­gt und via LiveKamera ganz nah erleben lässt. Es geht nicht um biografisc­he Dokumentat­ion, sondern um die psychische­n Abgründe einer Frau, die einst nicht wusste, wer ihr Vater ist.

Minonas Mutter Josephine wurde in einer leidenscha­ftlichen Liebesnach­t von Beethoven schwanger – so eine durchaus wissenscha­ftliche These und so jetzt als Opern-Uraufführu­ng vom Theater Regensburg erzählt –, kehrte aber aus Angst vor gesellscha­ftlicher Ächtung zu ihrem ungeliebte­n Ehemann Baron von Stackelber­g zurück, schiebt ihm das

Kind unter, trennt sich hernach von ihm. Er zwingt den Töchtern Marie und Minona mit sadistisch­er Grausamkei­t seine Vorstellun­g von pietistisc­hem Gehorsam auf. Minona lebt später bei der Tante in Ungarn, dann bei einer bekannten Gräfin in

Wien, wo sie, erstmals liebevoll behandelt, als ältere Gesellscha­ftsdame Fuß fasst. Über Graf Teleki erhält Minona Briefe Beethovens – und damit die Gewissheit ihrer Herkunft. Verwirrt endet sie in einem Wahn zwischen der Leidenscha­ft für die

Kunst und der religiösen Indoktrina­tion ihrer Jugend.

Dieses spannende Libretto – Jüri Reinvere hat es vor seiner Kompositio­n selbst geschriebe­n – weitet Minona zur Projektion­sfläche einer Frau, die ihre Identität sucht und „ihr ganzes Leben im Nebenzimme­r verbracht“hat. Gleichzeit­ig werden ihre gesellscha­ftlichen Knebelunge­n durch Stand, Religion und Geld gespiegelt. Dadurch gewinnt die Geschichte trotz ihrer historisch­en Verortung eine Aktualisie­rung – zumal Regisseur Hendrik Müller die psychische­n Qualen dieser Frau, von Theodora Varga sehr expressiv gesungen und nah am Wahn gespielt, drastisch, wenn auch zuweilen etwas pathetisch in Szene zu setzen weiß.

Oper wird zum Psychokrim­i, intensivie­rt durch Jüri Reinveres sonor-klangsphär­ische Musik, die die psychotisc­hen Situatione­n zwischen subtilstem Violinenfl­irren und sich mächtig aufschauke­lnden, lang gezogenen, sich kreuzenden Tonwalzen atmosphäri­sch wie Filmmusik untermalt. Und in ihrer klangliche­n Wucht erinnert sie zuweilen an

Wagner. In Generalpau­sen klingt Entsetzen nach und baut sich neue Spannung auf. Jede Figur wird musikalisc­h charakteri­siert.

Das Orchester, von Chin-Chao Lin facettenre­ich dirigiert, lässt den Arien Raum, überflutet nur Baron von Stackelber­gs (Adam Kruzel) Sadismus als apokalypti­sches Klanginfer­no. Vater Beethoven indessen klingt nur als Minizitat an, ein paar Klänge aus der Schicksals­sinfonie und aus dem „Fidelio“, kaum wahrgenomm­en, schon vorbei. Der Chor ist auf kurze Partien von Volk und Adel reduziert. Anna Pisareva rebelliert als Mutter Josephine und junge Minona in rasanter Höhe. Vera Semieniuk gibt eine sehr emanzipier­t denkende, durchdring­ende Gräfin von Goltz ab.

Insgesamt betrachtet aber besticht Jüri Reinveres „Minona. Ein Leben im Schatten Beethovens“– des Komponiste­n dritte Oper – mehr durch das Libretto und die Inszenieru­ng als durch die Musik.

Nächste Aufführung­en 2., 18., 26. Februar, 4., 7. März, 9., 15. April im Regensburg­er Theater am Bismarckpl­atz

 ?? Foto: Jochen Klenk ?? Szene aus der Oper „Minona“am Theater Regensburg. Vorne Beethoven als Büste, links davon Theodora Varga als seine gequälte Tochter.
Foto: Jochen Klenk Szene aus der Oper „Minona“am Theater Regensburg. Vorne Beethoven als Büste, links davon Theodora Varga als seine gequälte Tochter.

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