Mein Vater ist Ludwig van Beethoven
Theater Regensburg Uraufführung der Oper „Minona“, die eine durchaus wissenschaftliche These auf die Bühne bringt
Regensburg Die Bühne dreht sich vom Salon zur Bibliothek, von pietistisch-karger Räumlichkeit zu vergitterter Psychozelle, von einer Mini-Kabine zu einer Gruft. Irgendwo steht immer der Flügel – als Symbol der Musik Beethovens, ja der Musik schlechthin. Der Meister selbst ist nur als Büste präsent.
Als alte verzweifelte Frau, als uneheliche Tochter Beethovens blickt Minona auf ihr Leben zurück, das sich in der Erinnerung chronologisch zusammenfügt und via LiveKamera ganz nah erleben lässt. Es geht nicht um biografische Dokumentation, sondern um die psychischen Abgründe einer Frau, die einst nicht wusste, wer ihr Vater ist.
Minonas Mutter Josephine wurde in einer leidenschaftlichen Liebesnacht von Beethoven schwanger – so eine durchaus wissenschaftliche These und so jetzt als Opern-Uraufführung vom Theater Regensburg erzählt –, kehrte aber aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung zu ihrem ungeliebten Ehemann Baron von Stackelberg zurück, schiebt ihm das
Kind unter, trennt sich hernach von ihm. Er zwingt den Töchtern Marie und Minona mit sadistischer Grausamkeit seine Vorstellung von pietistischem Gehorsam auf. Minona lebt später bei der Tante in Ungarn, dann bei einer bekannten Gräfin in
Wien, wo sie, erstmals liebevoll behandelt, als ältere Gesellschaftsdame Fuß fasst. Über Graf Teleki erhält Minona Briefe Beethovens – und damit die Gewissheit ihrer Herkunft. Verwirrt endet sie in einem Wahn zwischen der Leidenschaft für die
Kunst und der religiösen Indoktrination ihrer Jugend.
Dieses spannende Libretto – Jüri Reinvere hat es vor seiner Komposition selbst geschrieben – weitet Minona zur Projektionsfläche einer Frau, die ihre Identität sucht und „ihr ganzes Leben im Nebenzimmer verbracht“hat. Gleichzeitig werden ihre gesellschaftlichen Knebelungen durch Stand, Religion und Geld gespiegelt. Dadurch gewinnt die Geschichte trotz ihrer historischen Verortung eine Aktualisierung – zumal Regisseur Hendrik Müller die psychischen Qualen dieser Frau, von Theodora Varga sehr expressiv gesungen und nah am Wahn gespielt, drastisch, wenn auch zuweilen etwas pathetisch in Szene zu setzen weiß.
Oper wird zum Psychokrimi, intensiviert durch Jüri Reinveres sonor-klangsphärische Musik, die die psychotischen Situationen zwischen subtilstem Violinenflirren und sich mächtig aufschaukelnden, lang gezogenen, sich kreuzenden Tonwalzen atmosphärisch wie Filmmusik untermalt. Und in ihrer klanglichen Wucht erinnert sie zuweilen an
Wagner. In Generalpausen klingt Entsetzen nach und baut sich neue Spannung auf. Jede Figur wird musikalisch charakterisiert.
Das Orchester, von Chin-Chao Lin facettenreich dirigiert, lässt den Arien Raum, überflutet nur Baron von Stackelbergs (Adam Kruzel) Sadismus als apokalyptisches Klanginferno. Vater Beethoven indessen klingt nur als Minizitat an, ein paar Klänge aus der Schicksalssinfonie und aus dem „Fidelio“, kaum wahrgenommen, schon vorbei. Der Chor ist auf kurze Partien von Volk und Adel reduziert. Anna Pisareva rebelliert als Mutter Josephine und junge Minona in rasanter Höhe. Vera Semieniuk gibt eine sehr emanzipiert denkende, durchdringende Gräfin von Goltz ab.
Insgesamt betrachtet aber besticht Jüri Reinveres „Minona. Ein Leben im Schatten Beethovens“– des Komponisten dritte Oper – mehr durch das Libretto und die Inszenierung als durch die Musik.
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Nächste Aufführungen 2., 18., 26. Februar, 4., 7. März, 9., 15. April im Regensburger Theater am Bismarckplatz