Der Österreicher, der ein Zebra wurde
Ski alpin Romed Baumann hat im Sommer das Startrecht gewechselt. Aus dem ÖSV-Lager floh er zum DSV. In Kitzbühel fährt er auf Platz sieben, besser war er in diesem Winter noch nie – was für große Genugtuung sorgt
Kitzbühel Wie das klinge, bester Deutscher zu sein? Romed Baumann überlegte kurz. Dann stahl sich ein Lächeln ins Gesicht des Tirolers. „Hört sich natürlich super an, meine Teamkameraden sind ja auch keine Nasenbohrer“, sagte er dann. „Ist ungewohnt, aber fühlt sich gut an.“Baumann stand da also im rot-weiß-roten Jubelsturm von Kitzbühel, war gerade Siebter geworden und ein glücklicher Mann. Ein paar Meter weiter saß Matthias Mayer auf dem Podest des Führenden und war vermutlich noch ein bisschen glücklicher, hatte er doch gerade das spektakulärste Skirennen des Weltcups gewonnen.
Bis zum Sommer waren Mayer und Baumann gemeinsam im österreichischen Team gefahren. Dann war in der starken österreichischen Mannschaft kein Platz mehr für den 34-jährigen Speedspezialisten. Schmerzhaft sei es vor allem gewesen, als er im vergangenen Jahr nicht in Kitzbühel starten durfte. „Da bin ich rumgelaufen wie ein geschlagener Hund und hab’ nimmer g’wusst, wie ich mich aus dem Loch herausbringe“, sagte er am Samstag.
Er sprach von Genugtuung, dass ihm nun ausgerechnet auf der Streif sein bisher bestes Ergebnis im gestreiften Zebra-Outfit (das doch eigentlich an einen Schneetiger erinnern soll) gelungen war. Dass er nun ein Piefke-Zebra ist, wie ihn die Kronen-Zeitung hämisch taufte, hat mit seiner Frau Vroni zu tun, die aus Bayern stammt. Im Sommer fragte Baumann bei Wolfgang Maier, dem deutschen Alpinchef an, wie es denn aussehe mit einem Wechsel. Die Telefondrähte zwischen DSV und ÖSV glühten. Es soll freundschaftlich zugegangen sein. Das Landratsamt Rosenheim war ebenfalls beteiligt, der Weltverband Fis verhielt sich unauffällig. Am Ende waren die einen froh, einen gestandenen Abfahrer bekommen zu haben, die anderen, weil sie einen losgeworden waren, den sie loswerden wollten. Und
Baumann? Ist im Besitz eines deutschen Passes. Er lebt mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Kiefersfelden und trainiert mit der Mannschaft des DSV.
In Österreich nahmen sie den Wechsel weitgehend gelassen zur Kenntnis. Im Glühweindunst von Kitzbühel hätten ein paar Zuschauer „Judas“gerufen, erzählte Baumann. Das habe ihn aber nur noch mehr angespornt. Zwar kam er nicht fehlerfrei durch das Rennen, „aber ich hab’ noch das Beste daraus gemacht. Das war eine gewaltige Woche für mich“. Es sei immer noch schwer zu verstehen, was seit dem Sommer alles passiert sei.
Vor allem ist ihm die Aufnahme in eine neue Mannschaft passiert, in der es ganz anders zugeht, als in seiner alten. „Im ÖSV ist es so, dass du von Kindheit an immer Konkurrenz hast. Es geht immer um Startplätze, um die Quali für irgendeinen Kader“, sagt Baumann. In Österreich hätte es das nicht gegeben, einen Konkurrenten stark zu machen, der einen am nächsten Tag rausboxen könnte. „Das ist jetzt ganz was anderes. Jeder gönnt dem anderen seinen Erfolg und freut sich mit. Ich habe mich schon so eingelebt, ich fiebere bei meinen Kollegen genauso mit und freue mich über jedes Topresultat, dass wir fürs Team einfahren.“
Beide Seiten hätten von seinem Wechsel profitiert. „Ich glaube, ich habe ein bisschen was an Know-how mitbringen können. Sie haben im Training gesehen, dass die Österreicher auch nur mit Wasser kochen.“
In Kitzbühel allerdings zeigten Baumanns Ex-Kollegen, dass sie immer noch extra-klasse sind. Mayer als Sieger, dicht gefolgt von seinem Landsmann Vincent Kriechmayr, der zeitgleich mit dem Schweizer Beat Feuz als Zweiter ins Ziel kam: Das brachte die Alpenrepublik zum Beben. 50 000 Zuschauer waren nach Kitzbühel gekommen, um zu feiern, und diesmal hatten ihnen die beiden Lokalmatadoren sogar einen Grund dazu geliefert. „Ganz Österreich hat den Sieg gefordert und sie haben geliefert“, stellte Baumann anerkennend fest. Coole Hunde seien die beiden und könnten brutal gut Skifahren. „Sie haben den Killerinstinkt ausgepackt, den es braucht. Besser geht es nicht für die zwei.“Speziell Mayer wirkte wie befreit, als er sich nach dem Sieg mit Journalisten unterhielt. „Da fällt schon eine Last ab. Das ist das Rennen der Rennen, davon träumt jeder Skifahrer. Es ist ein riesiges Gefühl.“
Nur zu gut kennt Thomas Dreßen dieses Gefühl. Vor zwei Jahren hatte er gewonnen. Diesmal kam er weit abgeschlagen ins Ziel. Gleich zu Beginn ging er zu hohes Risiko, kam weit von der Ideallinie ab und büßte alle Ambitionen auf ein gutes Ergebnis ein. Dreßen versuchte zwar alles, um den Rückstand wieder aufzuholen, „aber das ist nicht aufgegangen. Es ist einfach extrem eng bei uns. Wenn du da ganz vorne mitfahren willst, musst du eben riskieren“. Das habe diesmal nicht funktioniert. Und deshalb war diesmal ein Österreicher bester Deutscher.