Süßes muss nicht Sünde sein
Zucker gilt als Teufelszeug. Das wissen auch die Hersteller von Süßigkeiten. Sie versuchen, ihren Snacks einen gesunden Anstrich zu verpassen. Das ist Quatsch
Es könnte so einfach sein. Jedenfalls, wenn man den Ratschlägen der Ernährungsfachleute folgt. Sie sagen: Wen die Lust auf Schokolade packt, der greift zum Apfel, zur Ananas oder zu ein paar Nüsschen. Die eignen sich auch als Fernsehsnack und ersetzen Chips, Salzstangen und Flips. Sie machen das Leben – wie den Konsumenten selbst – auf einen Schlag leichter. Obst, Gemüse und Nüsse statt Knabberzeug und Süßkram. Die Maßnahme klingt umsetzbar und traurig. Denn im Ernst, ein Apfel mag noch so gut schmecken, er ist nicht aus Schokolade. Was also tun?
Dass der Mensch Süßes liebt, ist evolutionär bedingt. Süß signalisiert unserem Steinzeit-Gehirn: nahrhaft und ungefährlich. Viel Süßes zu essen mag in der Steinzeit klug gewesen sein, als der Mensch nicht den Großteil seiner Tage sitzend verbrachte. Auch für Babys ist süß sinnvoll. Sie verbrauchen in ihrer Entwicklung viel Energie – und süße Sachen haben meist eine recht hohe Energiedichte. Für Erwachsene und nicht in der Steinzeit lebende Menschen ist süß dagegen gleichzusetzen mit ein paar Gramm mehr auf den Hüften.
Das weiß jeder. In Umfragen geben die Deutschen regelmäßig an: Sie wollen sich gesünder ernähren. Sie wollen auf Zucker verzichten, weniger Fett zu sich nehmen, die Kohlenhydrate weglassen. Doch guckt man sich die Zahlen an, dann setzt sich die süße Verlockung gegen diese Vorhaben durch. Im Jahr geben die Deutschen im Schnitt genauso viel Geld für Süßigkeiten und Knabberzeug aus wie für Brot und Backwaren. Jeder Deutsche isst durchschnittlich 85 Gramm Süßes am Tag – fast eine Tafel Schokolade.
Die Hersteller der Naschwaren wissen, dass viele Menschen sich gerne gesünder ernähren möchten. Also versuchen sie, diesen Trend zu bedienen. Heraus kommt das absurde Versprechen von gesunden Süßigkeiten. Auf der Süßwarenmesse,
die diese Woche in Köln startet, lässt sich das gut beobachten. Schwerpunktthemen der Messe sind unter anderem bewusste Ernährung und ausgewogene Snacks. Nur zur Erinnerung: Es geht um die Fachmesse für Naschereien. Auf der Liste der Produktneuheiten stehen zum Beispiel Snacks aus Feigen und Nüssen, zuckerreduzierte Schokolade oder Fruchtriegel.
Dass Süßwaren mit gesundem Image vermarktet werden, ist nicht neu: Schokoriegel werden selten mit dem Slogan „Ungesund aber lecker“beworben. Stattdessen gibt es Butterkekse mit weniger Zucker, „natürliche“Ofenchips, die vermeintlich ohne Fett auskommen, Joghurt-Gummibärchen, die den Anschein erwecken, nicht aus Gelatine und Zucker, sondern aus purem Joghurt zu bestehen. Wer kurz nachdenkt, muss sich eingestehen, die Werbeversprechen sind zu schön, um wahr zu sein. Die Existenz von gesunden Süßigkeiten und Snacks ist ungefähr so wahrscheinlich wie jene von Nessi, dem Seeungeheuer von Loch Ness.
Und dennoch wird ein anderer Eindruck erweckt. Doch die Wahrheit ist, Gemüse-Chips sind genauso fetthaltig und salzig wie Kartoffelchips. Smoothies sind ungesünder als Obst, weil auf eine ähnliche Grammzahl mehr Zucker kommt. Müsliriegel haben verglichen mit einem normalen Schokoriegel kaum Gesundheitsvorteile. Süßigkeit ist Süßigkeit. Und das ist eine gute Nachricht.
Naschen ist nämlich nicht einmal bei den eingangs zitierten Ernährungsfachleuten verboten. Naschen ist sogar ausdrücklich erlaubt. Die Schlüsselworte lauten: in Maßen. Etwa zehn Prozent der Tagesenergiedosis können ohne Gewissensbisse über Süßigkeiten gedeckt werden. Das sind etwa 200 Kilokalorien am Tag. Anders ausgedrückt wären das ein Snickers alle zwei Tage oder eine Packung Gummibärchen alle drei.
Die gute Nachricht: Naschen ist erlaubt – aber in Maßen