Sachsens letzter König
Porträt Der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf gilt schon als politisches Auslaufmodell. Dann fällt die Mauer und er wird zum berühmtesten Aufbauhelfer Ost
Als die Karriere von Kurt Biedenkopf eigentlich vorbei ist, wird er König. In Sachsen sucht man einen Macher, der das ebenso stolze wie marode Land aus den DDR-Ruinen auferstehen lässt. Regierungserfahrung kann er nicht bieten, dafür hat er etwas anderes, das dringend gebraucht wird: Kontakte zu den Mächtigen in Politik und Wirtschaft. Der gebürtige Pfälzer, dessen politische Ambitionen an den Ambitionen eines anderen Pfälzers gescheitert waren, übernimmt das Amt des Ministerpräsidenten.
Selbst Helmut Kohl (eben jener andere Pfälzer) muss diesen spektakulären Coup gut finden. Schließlich hatte er den Menschen „drüben“blühende Landschaften versprochen und erfahrene Westpolitiker stehen für den Aufbau Ost nicht gerade Schlange. Die beiden Männer verbindet und trennt eine lange
Geschichte. Als Kohl Anfang der 70er Jahre CDU-Vorsitzender wird, macht er Biedenkopf zum Generalsekretär. Schon als jüngster Hochschulrektor der Republik in Bochum und als Personalchef des Henkel-Konzerns hatte sich dieser als Mann mit Ideen und scharfer Analytiker erwiesen. Nun soll er gemeinsam mit Kohl die verkrustete CDU modernisieren.
Doch Biedenkopf gewinnt mehr Profil, als es seinem ehrgeizigen Chef lieb ist. Schon nach vier Jahren endet die Zusammenarbeit. 1980 will der „Professor“in NordrheinWestfalen Ministerpräsident werden – und scheitert. Es folgen Jahre im
Schatten des
Kanzlers Kohl und das überraschende Comeback nach dem Mauerfall. Der damals 60-jährige Biedenkopf, dessen Vater aus Chemnitz stammt, geht nach Sachsen und gewinnt die Wahl mit absoluter Mehrheit. Er lockt Konzerne wie Volkswagen oder Siemens ins Land, bleibt zwölf Jahre und wird „König Kurt“. Seine zweite Frau Ingrid gibt die volksnahe Landesmutter, die sich schon mal persönlich um einen Telefonanschluss kümmert.
Doch mit den Erfolgen bröselt die Bodenhaftung. Zu einem Führungsstil, in dem abweichende Meinungen allenfalls als Dekoration dienen, kommen gleich mehrere Affären und Skandälchen. Die Sachsen staunen etwa, dass es ihr Ministerpräsident offenbar nötig hat, persönliche Rabatte bei Ikea herauszuschlagen. Die Abdankung wird zur unrühmlichen Angelegenheit. „König Kurt“geht im Zorn, doch sein Herz bleibt in Dresden, wo er an diesem Dienstag seinen 90. Geburtstag feiert.
Zwischendurch versuchen es die Biedenkopfs in Bayern. Ein Haus am Chiemsee – mit Platz für seine Modelleisenbahn und ihre Uhrensammlung – und eine eigene Jacht helfen aber nicht gegen das Heimweh nach Sachsen. Ein gefragter Mann ist der Elder Statesman immer geblieben. Nicht nur für seine vier Kinder aus erster Ehe, sondern auch für Journalisten und Weggefährten. Zum Festakt kommt die Kanzlerin. Dann geht es nicht nur um Biedenkopf, sondern auch um die Neugründung Sachsens vor 30 Jahren. Irgendwie gehört beides ja auch zusammen.