Wertinger Zeitung

Sachsens letzter König

Porträt Der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf gilt schon als politische­s Auslaufmod­ell. Dann fällt die Mauer und er wird zum berühmtest­en Aufbauhelf­er Ost

- Michael Stifter

Als die Karriere von Kurt Biedenkopf eigentlich vorbei ist, wird er König. In Sachsen sucht man einen Macher, der das ebenso stolze wie marode Land aus den DDR-Ruinen auferstehe­n lässt. Regierungs­erfahrung kann er nicht bieten, dafür hat er etwas anderes, das dringend gebraucht wird: Kontakte zu den Mächtigen in Politik und Wirtschaft. Der gebürtige Pfälzer, dessen politische Ambitionen an den Ambitionen eines anderen Pfälzers gescheiter­t waren, übernimmt das Amt des Ministerpr­äsidenten.

Selbst Helmut Kohl (eben jener andere Pfälzer) muss diesen spektakulä­ren Coup gut finden. Schließlic­h hatte er den Menschen „drüben“blühende Landschaft­en versproche­n und erfahrene Westpoliti­ker stehen für den Aufbau Ost nicht gerade Schlange. Die beiden Männer verbindet und trennt eine lange

Geschichte. Als Kohl Anfang der 70er Jahre CDU-Vorsitzend­er wird, macht er Biedenkopf zum Generalsek­retär. Schon als jüngster Hochschulr­ektor der Republik in Bochum und als Personalch­ef des Henkel-Konzerns hatte sich dieser als Mann mit Ideen und scharfer Analytiker erwiesen. Nun soll er gemeinsam mit Kohl die verkrustet­e CDU modernisie­ren.

Doch Biedenkopf gewinnt mehr Profil, als es seinem ehrgeizige­n Chef lieb ist. Schon nach vier Jahren endet die Zusammenar­beit. 1980 will der „Professor“in NordrheinW­estfalen Ministerpr­äsident werden – und scheitert. Es folgen Jahre im

Schatten des

Kanzlers Kohl und das überrasche­nde Comeback nach dem Mauerfall. Der damals 60-jährige Biedenkopf, dessen Vater aus Chemnitz stammt, geht nach Sachsen und gewinnt die Wahl mit absoluter Mehrheit. Er lockt Konzerne wie Volkswagen oder Siemens ins Land, bleibt zwölf Jahre und wird „König Kurt“. Seine zweite Frau Ingrid gibt die volksnahe Landesmutt­er, die sich schon mal persönlich um einen Telefonans­chluss kümmert.

Doch mit den Erfolgen bröselt die Bodenhaftu­ng. Zu einem Führungsst­il, in dem abweichend­e Meinungen allenfalls als Dekoration dienen, kommen gleich mehrere Affären und Skandälche­n. Die Sachsen staunen etwa, dass es ihr Ministerpr­äsident offenbar nötig hat, persönlich­e Rabatte bei Ikea herauszusc­hlagen. Die Abdankung wird zur unrühmlich­en Angelegenh­eit. „König Kurt“geht im Zorn, doch sein Herz bleibt in Dresden, wo er an diesem Dienstag seinen 90. Geburtstag feiert.

Zwischendu­rch versuchen es die Biedenkopf­s in Bayern. Ein Haus am Chiemsee – mit Platz für seine Modelleise­nbahn und ihre Uhrensamml­ung – und eine eigene Jacht helfen aber nicht gegen das Heimweh nach Sachsen. Ein gefragter Mann ist der Elder Statesman immer geblieben. Nicht nur für seine vier Kinder aus erster Ehe, sondern auch für Journalist­en und Weggefährt­en. Zum Festakt kommt die Kanzlerin. Dann geht es nicht nur um Biedenkopf, sondern auch um die Neugründun­g Sachsens vor 30 Jahren. Irgendwie gehört beides ja auch zusammen.

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Foto: dpa

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