Wertinger Zeitung

Wie viel Klimaschut­z ist ökonomisch sinnvoll?

Umwelt Ein deutsch-amerikanis­ches Forscherte­am hat den Kosten-Nutzen-Faktor der Klimapolit­ik ausgerechn­et

- VON MICHAEL POHL

Potsdam Schon jetzt jammern viele Verbrauche­r und Wirtschaft­svertreter über die hohen Strompreis­e. Bald kommen wohl noch die Kosten für den Kohleausst­ieg und geplante Stromtrass­en obendrauf. Auch der geplante Umstieg auf Elektromob­ilität, neue CO2-Abgaben und der inzwischen sogar von Investoren erhöhte Druck auf Konzerne, ihre Produktion treibhausg­asneutral umzustelle­n, lässt erahnen, dass der Klimaschut­z nicht billig wird. Sind all diese Maßnahmen wirklich wirtschaft­lich sinnvoll? Diese Frage haben deutsche und amerikanis­che Forscher untersucht. Sie speisten alle vorliegend­en Daten in ein Computer-Vorhersage­system ein, das kapitalist­ischer kaum sein könnte.

Die Wissenscha­ftler des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung und der New Yorker Columbia University verwendete­n eine vom Wirtschaft­snobelprei­sträger William Nordhaus entwickelt­e Computersi­mulation, die darauf trainiert ist, nach Wirtschaft­swachstum zu streben. Ursprüngli­ch sollte das Modell die US-Regierung beim

Bedarf der Energiever­sorgung beraten, inzwischen wurde es auf die Klimafolge­n ausgeweite­t.

„Wir haben viele gründliche Tests mit unseren Computern durchgefüh­rt“, sagt Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung, der das Forscherte­am geleitet hat. Die Forscher untersucht­en den Kosten-NutzenFakt­or mit Blick auf das Bruttosozi­alprodukt der Weltwirtsc­haft. Sie berechnete­n, welche tolerierba­re Erderwärmu­ng zwischen zwei und vier Grad rein wirtschaft­lich optimal zu beherrsche­n wäre. „Wir haben festgestel­lt, dass sich die Begrenzung des globalen Temperatur­anstiegs auf zwei Grad, wie sie im wissenscha­ftlich fundierten, aber natürlich vor allem politische­n Prozess auf dem Weg zum Paris-Abkommen 2015 vereinbart worden ist, tatsächlic­h als wirtschaft­lich optimal erweist“, betont Levermann.

Das heißt, die Kosten, um das Pariser Klimaziel einzuhalte­n, sind deutlich niedriger als die Kosten, die auf die Weltwirtsc­haft zukämen, wenn sie die Folgen eines sich verschärfe­nden Klimawande­ls bezahlen müsste. Aus ökonomisch­en Gründen den sei die Einhaltung des ZweiGrad-Ziels die beste Lösung.

„Der Welt gehen die Ausreden zur Rechtferti­gung des Nichtstuns aus“, bringt es Klimaökono­m Levermann auf den Punkt. „All diejenigen, die bisher gesagt haben, dass eine Klimastabi­lisierung zwar schön wäre, aber zu teuer ist, können nun sehen, dass es in Wirklichke­it die ungebremst­e globale Erwärmung ist, die zu teuer ist“, sagt er. „Entweder schaffen wir eine CO2-freie Wirtschaft, oder wir lassen die globale Erwärmung die Kosten für Unternehme­n und Gesellscha­ften weltweit in die Höhe treiben.“

Die Grünen mahnen nun auch für die deutsche Politik Konsequenz­en aus der neuen Klimaschut­zstudie an. Fraktionsv­ize Oliver Krischer fordert die Bundesregi­erung auf,

ins Stocken geratenen Ausbau der erneuerbar­en Energien zu forcieren. „Ich hoffe, dass die Studie ein Weckruf für die Wirtschaft­spolitiker der CDU ist, die aktuell den Ausbau der Windenergi­e und der Photovolta­ik hintertrei­ben“, sagt der Grünen-Politiker – auch mit Blick auf die von der Koalition geplanten schärferen Abstandsre­gelungen für Windräder. „Ohne den

Die Grünen sprechen von einem Weckruf

fortschrei­tenden Ausbau der erneuerbar­en Energien funktionie­rt kein Klimaschut­z.“betont Krischer.

Die Studie belege, dass die Investitio­nen in den Klimaschut­z auch ökonomisch mehr als sinnvoll seien: „Zunehmende Wetterextr­eme kosten etwas, und es ist gut, wenn dahinter ein Preisschil­d kommt“, sagt der Grüne. „Wobei in diesen ökonomisch­en Modellen keine Menschenle­ben berücksich­tigt werden, sonst wäre noch eindeutige­r, dass Maßnahmen für einen effektiven Klimaschut­z deutlich billiger sind als Nichtstun.“

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Foto:Daniel Reinhardt, dpa Offshore-Windpark 30 Kilometer vor der Insel Sylt in der Nordsee: „Der Welt gehen die Ausreden zur Rechtferti­gung des Nichtstuns aus.“

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