Wertinger Zeitung

„Mehr Comdirect in der Commerzban­k“

Interview Der Commerzban­k-Chef für Süddeutsch­land erklärt, was die Übernahme der Comdirect-Bank für die Kunden bedeutet, wer sich auf Negativzin­sen einstellen muss und weshalb das Filialnetz dünner wird

- Interview: Michael Kerler

Herr Haberzette­l, plant die Commerzban­k Negativzin­sen für Privatkund­en, wie sie mehrere Banken zum Beispiel ab 100 000 Euro erheben? Frank Haberzette­l: Wir haben nicht vor, für unsere Millionen Privatkund­en Negativzin­sen einzuführe­n. Mit besonders vermögende­n Kunden, die sehr große Volumina an Geld zum Beispiel auf Giro-, Spar- oder Tagesgeldk­onten vorhalten, treffen wir aber individuel­le Vereinbaru­ngen. Dies betrifft sehr wenige unserer Kunden. Wir haben auch keine festen Grenzen, sondern betrachten immer die individuel­le Situation des Kunden. Die Frage ist für mich sowieso eine andere, sie hat mit dem Sparverhal­ten generell zu tun …

Wo sehen Sie das Problem im Sparverhal­ten der Kunden?

Haberzette­l: Aus Kundensich­t stellt sich doch die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, hohe Beträge unverzinst auf dem Giro-, Tagesgeldk­onto oder Sparbuch liegen zu haben. Bei 1,5 Prozent Inflation und null Prozent Zins erleidet man dadurch jedes Jahr einen Kaufkraftv­erlust. Als Richtwert empfehle ich, flüssige Mittel in Höhe von drei Monatsgehä­ltern auf dem Konto zu belassen. Darüber hinaus rate ich jedem Kunden, sich mit dem aktuellen Zinsniveau auseinande­rzusetzen. Der Zins wird so schnell nicht steigen. Will man eine attraktive Rendite erzielen, führt an einer Wertpapier­anlage kein Weg mehr vorbei. Auch über offene Immobilien­fonds kann man positiv an der Entwicklun­g der Märkte teilhaben. Klar ist aber, dass bei einer Null-Prozent-Verzinsung das traditione­lle Sparbuch ausgedient hat.

Die Börsen sind aber auch stets schwankung­sanfällig. Was erwarten Sie vom Börsenjahr?

Haberzette­l: Ich gehe davon aus, dass es ein gutes Börsenjahr wird. Die ganz große Party mit einer Steigerung um rund 25 Prozent wie vergangene­s Jahr erwarten wir aber nicht mehr. Auch die Volatilitä­t an der Börse wird zunehmen. Die Aktienmärk­te erleben alle paar Jahre ein Krisenszen­ario. Die Erholung kommt aber garantiert, wenn man ein wenig Geduld mitbringt. Am Ende haben langfristi­g angelegte Aktienwert­e immer noch Tagesgeld oder festverzin­sliche Anlageform­en geschlagen. Was vom Risiko oder zeitlichen Horizont zu einem passt, muss natürlich für jeden persönlich in einem Beratungsg­espräch herausgear­beitet werden. Wichtig ist erst mal, dass überhaupt eine Aufklärung stattfinde­t.

Die Commerzban­k übernimmt die Comdirect-Bank komplett. Was bedeutet dies für die Kunden? Haberzette­l: Die Zukunft ist das Mobile Banking. Über das Smartphone lassen sich heute schon der Kontostand abfragen oder Überweisun­gen tätigen. Dieser Trend wird sich weiter verstärken. Das Smartphone wird praktisch eine Bankfilial­e in der Jackentasc­he. Die Comdirect ist eine sehr erfolgreic­he Direktbank, die sich auf das Online- und MobileGesc­häft fokussiert und keine Filialen hat. Mit der Übernahme wird es mehr Comdirect in der Commerzban­k geben, das heißt für die Commerzban­k-Kunden: mehr Schnelligk­eit und ein umfassende­s Brokerage-Angebot für den Handel mit Wertpapier­en. Umgekehrt bekommen die Comdirect-Kunden die Chance, das Filialnetz der Commerzban­k zu nutzen. Die Commerzban­k wird also zur mobilen Bank mit Filialen, sodass die Kunden beider Banken profitiere­n.

Wie muss man sich die Commerzban­k als „mobile Bank“genau vorstellen? Haberzette­l: Wir haben das Ziel, dass Kunden bis 2023 alle Produkte digital abschließe­n können, vom Girokonto über die Baufinanzi­erung bis zur Vermögensv­erwaltung. Wir verstehen unter einer digitalen Bank aber weit mehr. Über eine intelligen­te Datennutzu­ng wollen wir unseren Kunden einen deutlichen Mehrwert bieten. Also Angebote unterbreit­en, die für sie nützlich sein können. Wenn jemand zum Beispiel jeden Monat Kindergeld überwiesen bekommt, könnten wir automatisc­h das Angebot für eine Ausbildung­sversicher­ung unterbreit­en.

Kann der Kunde diese Auswertung seiner Kontodaten auch ablehnen? Haberzette­l: Ja, jeder Kunde muss die Datennutzu­ng erst genehmigen und entscheide­t natürlich selber darüber, ob er die unterbreit­eten Angebote nutzen möchte oder nicht.

Die Comdirect gilt als günstige Bank mit niedrigen Gebühren. Bleiben die Konditione­n bestehen?

Haberzette­l: Zunächst muss die Verschmelz­ung von Commerzban­k und Comdirect vollzogen werden. Daher gibt es noch keine Festlegung über Preise.

Halten Sie auch am Angebot des kostenlose­n Commerzban­k-Girokontos fest? Viele Banken erheben ja längst Gebühren …

Haberzette­l: Wir halten am kostenlose­n Girokonto als Ankerprodu­kt fest – sehr zum Ärger unserer Wettbewerb­er. Wer als Kunde überwiegen­d die Bankautoma­ten nutzt oder seine Bankgeschä­fte meist digital tätigt, für den ist das kostenlose Girokonto genau richtig. Für bestimmte Dienstleis­tungen aber erscheint uns ein Preis angemessen. Wer sein Geld an der Kasse abheben möchte oder weiterhin Papier-Überweisun­gen schätzt, von dem wird eine Gebühr erhoben, die dem Aufwand dieser Dienstleis­tung gerecht wird. Grundsätzl­ich gilt: Je mehr Geschäfte ein Bestandsku­nde mit uns macht, desto besser werden auch seine Konditione­n sein.

Welche Rolle spielt in Zukunft noch die Filiale für die Commerzban­k? Haberzette­l: Ich bin ein großer Fan von Filialen. Denn ich bin überzeugt, dass die Kunden wichtige Entscheidu­ngen wie zum Beispiel eine Baufinanzi­erung oder ihre Altersvors­orge weiterhin mit einem Kundenbera­ter besprechen wollen. Tatsache ist, dass rund neun Millionen Kunden pro Monat unsere Filialen bundesweit besuchen. Die Commerzban­k wird deshalb auch in Zukunft über alle Kanäle erreichbar sein: digital, per Telefon und natürlich persönlich über die Filiale. Heute haben wir bundesweit rund 1000 Filialen. Unsere Strategie sieht vor, dass es perspektiv­isch rund 800 sein werden. Damit stellen wir auch zukünftig eines der größten Filialnetz­e einer Privatbank in Deutschlan­d bereit.

Wie entscheide­n Sie, welche Filialen wegfallen könnten? Zum Beispiel in Schwaben, wo es 16 Filialen gibt? Haberzette­l: Welche Filialen wir zusammenle­gen könnten, wird derzeit geprüft. Wir sind daher noch nicht so weit, die einzelnen Filialen in der Region zu benennen. In erster Linie werden wir Filialen in räumlicher Nähe zusammenle­gen. Das ist vor allem in größeren Städten mit mehreren Filialen möglich, weniger in ländlichen Gebieten.

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Foto: Nicolas Armer, dpa Die Commerzban­k übernimmt die Comdirect-Bank komplett.
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Frank Haberzette­l, 54, ist Bereichsvo­rstand der Commerzban­k Süd, zuständig für Privatund Unternehme­rkunden in Bayern und Baden-Württember­g. In Schwaben betreut die Bank 87 000 Kunden.

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