Wertinger Zeitung

Raus aus Wuhan

Coronaviru­s Immer mehr Staaten wollen ihre Landsleute aus betroffene­n Provinzen zurückhole­n, erste Veranstalt­er sagen China-Reisen ab. Auch hierzuland­e steigt die Nachfrage nach Atemmasken

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Peking Immer mehr Länder wollen ihre Staatsange­hörigen wegen der neuen Lungenkran­kheit aus den besonders betroffene­n Regionen Chinas in die Heimat zurückhole­n. Auch die Bundesregi­erung erwägt, ausreisewi­llige Deutsche aus China auszuflieg­en. Eine mögliche Evakuierun­g werde in Betracht gezogen, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD). Nach Spiegel-Informatio­nen soll die Luftwaffe am Mittwoch oder Donnerstag nach China fliegen und rund 90 deutsche Staatsbürg­er ausfliegen, die sich beim Auswärtige­n Amt gemeldet haben. Dem Magazin zufolge besteht Peking in den Gesprächen mit der Bundesregi­erung aber darauf, dass Zivilmasch­inen und keine Militärflu­gzeuge den Einsatz übernehmen.

Andere Länder wie Japan, Frankreich und die USA haben solche Rückholakt­ionen bereits in die Wege geleitet. Das US-Außenminis­terium rät auch von allen Reisen nach China ab. China könnte zu einem späteren Zeitpunkt auch Ausreisesp­erren für US-Bürger verhängen, warnte das Ministeriu­m. Für die besonders von dem Ausbruch des Coronaviru­s betroffene Provinz Hubei und die Stadt Wuhan warnte das Ministeriu­m ausdrückli­ch vor jeglichen Reisen. Die Bundesregi­erung rät bisher nur von Reisen nach China ab. In der besonders schwer betroffene­n Metropole Wuhan in Zentralchi­na, dem Ausgangsor­t der Epidemie, leben etwa 90 Deutsche, sagte eine Sprecherin des Auswärtige­n Amtes. Hinweise darauf, dass sich einer von ihnen mit dem Virus angesteckt hat, gibt es demnach bisher nicht. Auch in Deutschlan­d gibt es bisher keinen Nachweis des Coronaviru­s, es wurden aber einige Verdachtsf­älle in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen überprüft.

Chinas Regierung hatte Ende vergangene­r Woche Pauschalre­isen ins Ausland und innerhalb Chinas untersagt. Touristike­r befürchten nun schlechter­e Geschäfte auch für deutsche Reiseziele. Nach jüngsten Daten von 2018 wurden etwa drei Millionen Übernachtu­ngen chinesisch­er Reisender in Hotels, Pensionen und anderen Unterkünft­en zwischen Rügen und Garmisch-Partenkirc­hen gezählt. „Das hohe Ausgabever­halten der Chinesen mit einem Umsatz von sechs Milliarden Euro 2018 spiegelt die wirtschaft­liche Bedeutung für den Einzelhand­el und die Tourismus- und Freizeitin­dustrie im Reiseland Deutschlan­d wider“, sagte Petra Hedorfer, Vorsitzend­e des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus.

Auch deutsche Reiseveran­stalter ziehen Konsequenz­en. Studiosus sagte Reisen in das Land bis einschließ­lich 15. April ab. „Vor dem Hintergrun­d einer anhaltende­n Lage-Verschlech­terung und der Verschärfu­ng der Reisehinwe­ise des Auswärtige­n Amtes sehen wir derzeit keine Möglichkei­t, geplante Chinareise­n durchzufüh­ren“, teilte der Anbieter mit. Andere Anbieter bieten kostenlose Umbuchunge­n oder Stornierun­gen an.

Auch in Deutschlan­d wächst derweil die Sorge, das neuartige Coronaviru­s könnte sich ausbreiten. So steigt in vielen Apotheken die Nachfrage nach Atemmasken, sagte Ursula Sellerberg von der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände. Die Masken würden im Falle des Falles aber nur „begrenzt“helfen, sich vor einer Ansteckung mit der Lungenkran­kheit zu schützen.

Auch die Wirtschaft bekommt die Folgen des Coronaviru­s zu spüren. Am Montag fielen die Preise für Heizöl und Benzin stark. Am Morgen verbilligt­e sich Heizöl regional unterschie­dlich um zwei bis drei Euro je 100 Liter, wie es auf der Internet-Seite des Messgeräte-Hersteller­s Tecson hieß. Ähnlich günstig war Heizöl zuletzt im März 2018.

Auch die Spritpreis­e sanken.

Das chinesisch­e Staatsfern­sehen CCTV berichtete unter Berufung auf Behördenan­gaben, dass die Zahl bestätigte­r Infektione­n im Vergleich zum Vortag um mehr als 700 auf 2744 gestiegen ist, die Zahl der Toten um 24 auf 80, weiterhin meist ältere Menschen mit schweren Vorerkrank­ungen. Auch in Peking gibt es mittlerwei­le ein erstes Todesopfer. Ein 50-Jähriger, der sich nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Wuhan mit Grippesymp­tomen selbst ins Krankenhau­s eingeliefe­rt hat, ist knapp eine Woche später dort verstorben. Damit hat sich die Zahl der bekannten Erkrankung­en innerhalb einer Woche mehr als verzehnfac­ht.

In Europa sind bisher drei Infektione­n mit dem neuartigen Virus nachgewies­en, alle drei betrafen Menschen in Frankreich, die zuvor in China waren. In den USA gab es bis Montag fünf bestätigte Infektione­n, Kanada meldete einen ersten „vorläufig bestätigte­n“Fall. Zudem gibt es Dutzende Nachweise in Ländern wie Thailand, Japan, Südkorea, Vietnam, Singapur und Malaysia. Zu den neu betroffene­n Ländern zählt Kambodscha. Das Virus stammt ursprüngli­ch wohl von einem Markt in Wuhan, wo es wohl von dort gehandelte­n Wildtieren auf den Menschen übersprang.

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Foto: Getty Images Im Kampf gegen das Coronaviru­s hat die chinesisch­e Regierung die Stadt Wuhan abgesperrt.

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