Wertinger Zeitung

Mit kleinem Budget durch Europa

Fernbus Wer flexibel ist und viel Zeit hat, kann bei Busreisen ordentlich sparen. Allerdings müssen dafür auch einige Unannehmli­chkeiten in Kauf genommen werden

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Das Zugticket war teuer, der nächste Flughafen zu weit weg, außerdem stand kein Auto parat – doch das Wochenende im belgischen Antwerpen wollte sich Anja Beckmann trotzdem nicht entgehen lassen. Die Reiseblogg­erin begab sich auf die Suche nach einer schnellen, preiswerte­n und umweltfreu­ndlichen Alternativ­e. Nach einer kurzen Recherche hatte sie die Lösung: ein Fernbus. Mit der Bahn hätte Beckmann zweimal umsteigen müssen. Der Reisebus von Flixbus fuhr direkt von ihrem Wohnort Mönchengla­dbach bis Antwerpen durch – für 20 Euro hin und zurück.

Europa mit dem Fernbus erkunden? Das klingt für viele Reisende komplizier­t. Vielleicht denkt die eine oder der andere noch an eine Jugendreis­e an die Costa Brava oder zum Balaton. Da saß man einen halben Tag im Bus, mindestens. Tatsächlic­h sind heute noch viel mehr Reiseziele im europäisch­en Ausland gut mit dem Fernbus erreichbar. Mit Abstand Marktführe­r ist Flixbus mit einem großen internatio­nalen Streckenne­tz. Der Anbieter hat 2019 den Konkurrent­en Eurolines übernommen. Daneben relevant sind Blablabus, Deinbus.de, IC Bus

der Deutschen Bahn und Regiojet. Auf Vergleichs­seiten können sich Reisende darüber informiere­n, welche Ziele angefahren werden.

Die Tickets erhält man am schnellste­n online oder per App. Bereits von zu Hause aus lassen sich alle Fahrten für die Europareis­e buchen. Wer lieber spontan entscheide­t, wohin es als Nächstes gehen soll, kann auch erst unterwegs buchen. Die Auswahl ist dann allerdings eingeschrä­nkt. Und wer einen günstigen Preis erwischen will, sollte so früh wie möglich buchen. Ein paar Euro lassen sich außerdem sparen, wenn man zu eher weniger beliebten Abfahrts- oder Ankunftsze­iten bucht.

Bei der Buchung zählen aber nicht nur Preis und Abfahrtsze­it, sondern auch Fahrdauer und Zahl der Umstiege. Oft sind Strecken mit einer langen Fahrtzeit aufgrund mehrerer Umstiege günstiger als eine Direktverb­indung. Flixbus macht für Europareis­en das Angebot „InterFlix“: Für 99 Euro lassen fünf Städte in ganz Europa kombiniere­n, unabhängig davon, wie weit Start- und Zielort voneinande­r entfernt liegen. Auch der Flixtrain, das Zugangebot von Flixbus, kann genutzt werden. Eurolines bietet außerdem verschiede­ne Sparpreise, etwa für Studenten und Gruppenrei­sen. Blablabus mit Sitz in Frankreich deckt ebenfalls Routen in ganz Europa ab, ein spezielles Kombi-Angebot für EuropaReis­en gibt es bislang aber nicht.

Wer sich für einen Fernbus entscheide­t, hat unterwegs viel Zeit, den Aufenthalt vor Ort zu planen. In den Bussen gibt es in der Regel Steckdosen und kostenlose­s WLAN. Bei Flixbus und Blablabus lassen sich vorab kostenpfli­chtig bestimmte Sitzplätze reserviere­n. Generell ist aber jedem Passagier ein Sitzplatz garantiert. Es stimmt natürlich: Viele Reisen mit dem Fernbus dauern lange, gerade im Vergleich zum Flieger. Sie haben aber auch einen Vorteil: „Am Zielort wird man meistens mitten in der Stadt rausgelass­en und landet nicht außerhalb am Flughafen“, sagt Beckmann. So spart man die Kosten für den Flughafent­ransfer. Und gerade Billigflie­ger steuern oft Flugvon häfen an, die weit außerhalb der Metropolen liegen.

Ein Europa-Trip mit dem Fernbus hat allerdings auch seine Nachteile. Zum einen ist zeitliche Flexibilit­ät gefragt. Verspätung­en sind recht häufig, weil der Bus immer mal länger im Stau stehen kann. Ein weiteres Problem ist verlorenes Gepäck. „Die meisten Unternehme­n zwingen die Passagiere, ihr Gepäck im Frachtraum zu lagern“, sagt Johannes Parwulski, Jurist beim Europäisch­en Verbrauche­rzentrum (EVZ). Die Frachträum­e sind jedoch nicht einsehbar und werden bei Zwischenst­opps geöffnet, damit die Aussteigen­den ihr Gepäck entnehmen können. Dabei kommt es häufig zu Diebstähle­n.

Reisende können dann zwar Schadeners­atz fordern. Sie müssen aber nachweisen, welche Wertgegens­tände sich im Koffer befanden. Daher Laptop, Kameras und wichtige Dokumente besser gleich im Handgepäck am Platz verstauen. Wenn das Unternehme­n bei verlosich renem Gepäck eine Entschädig­ung ablehnt, können Reisende sich an die Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Nahverkehr wenden. Außerdem gelten in allen EU-Mitgliedss­taaten die Busgastrec­hte.

Selbst Fahrgäste können verloren gehen. „Es gibt auch Fälle, wo Busse nach Pausen ohne alle Passagiere wieder abfahren“, sagt Parwulski. Denn die Busfahrer müssen regelmäßig Stopps einlegen, um ihre Ruhezeiten einzuhalte­n In der Zeit kann man sich kurz die Beine vertreten oder zur Toilette gehen. Die Toilette im Bus wird auf langen Strecken oft gesperrt, weil sie nur eine begrenzte Kapazität hat und während der Fahrt nicht geleert werden kann. „Gerade für Menschen mit körperlich­en Beeinträch­tigungen sind Fernbusrei­sen nicht unbedingt komfortabe­l“, sagt Parwulski.

Auch Anja Beckmann musste auf ihrer Fahrt nach Antwerpen eine gesperrte Toilette erdulden. Diese Erfahrung hat ihre Reisepläne nachhaltig geprägt: Sie wird erst einmal nur Ziele in näherer Umgebung mit dem Fernbus bereisen. Ganz oben auf der Liste stehen die Niederland­e, Belgien und Frankreich.

Wer lange im Bus sitzt, fährt günstiger

Das Gepäck gerät leicht aus dem Blick

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